Wie reagieren nachtaktive Tiere auf Licht?
Die öffentliche Beleuchtung bietet Komfort und Sicherheit. Doch nachtaktive Insekten und Fledermäuse hätten es lieber dunkel, das zeigte eine Studie von 2017 in der Region Zürich. Doch auch die Lichtfarbe, die Form und die Abstrahlcharakteristik der Leuchte haben einen Einfluss auf Schnaken, Falter und Co. Dies ist das Fazit eines neuen Feldversuchs aus der Schweiz.





Landauf, landab konnte man auch diesen Sommer wieder folgende Szenen beobachten: laue Sommernacht, die Grillen zirpen, Falter, Schnaken und Mücken tanzen um spinnwebenbehangene Straßenlaternen. Insekten zieht es zum Licht. Und wo Insekten sind, ziehen auch Fledermäuse ihre Kreise auf der Jagd nach Beute. Doch in den letzten Jahren gerieten die negativen Auswirkungen von Licht auf die Umwelt in den Fokus der Öffentlichkeit. Denn nicht nur nachtaktive Tiere, sondern auch die Menschen werden von zu viel künstlichem Licht in ihrem Tag-Nacht-Rhythmus gestört.
Doch wie stark ist der Einfluss von künstlichem Licht auf nachtaktive Lebewesen tatsächlich? Welche Lichtfarbe zieht Tiere mehr, welche weniger an? Hat die Form der Leuchte Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere? Diese Fragen interessieren EKZ, die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, und die WSL, die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, seit langem. Schon 2017 untersuchten die beiden Partner an zwei Straßenabschnitten mit bedarfsgesteuerter Beleuchtung − diese passt sich dem Verkehrsaufkommen an −, ob das Dimmen der Beleuchtung Auswirkungen auf Insekten und Fledermäuse hat. Fazit: Zusammen mit der Witterung ist Licht ein wichtiger Treiber für die Anzahl von Insekten (nachzulesen in der LICHT 2 I 2020).
Warme Lichtfarbe lockt weniger Insekten an
Im Sommer 2019 setzten EKZ und die WSL die Grundlagenforschung fort und installierten an einem etwa einen Kilometer langen Straßenabschnitt in der Gemeinde Weiningen in der Nähe von Zürich eine weitere Versuchsanlage: Die Quartierstraße wird auf der einen Seite von Häusern gesäumt und grenzt auf der anderen Seite an unbebautes Gebiet mit Wiesen, Weinreben und Wald. »Uns interessierte die Frage, wie nachtaktive Insekten und Fledermäuse auf unterschiedliche Farben und Leuchtenformen mit starken oder schwachen vertikalen Lichtanteilen reagieren«, erklärt Jörg Haller, Leiter öffentliche Beleuchtung und Smart City bei EKZ. Denn gerade bei der Lichtfarbe ist die Krux: Neutralweiße LED um 4000 K brauchen weniger Energie als zum Beispiel warmweiße um 3000 K – ausschließlich im gelben Spektrum strahlende sind noch weniger energieeffizient. Neutral- und kaltweiße Leuchtmittel stehen aber im Verdacht, schlechter für die Ökologie zu sein. Die 29 Leuchten entlang der Rebbergstraße wurden also mit LED mit den verbreiteten Lichtfarben von neutralweiß (4000 K) über warmweiß (3000 K) bis amberfarben (1800 K) ausgestattet. Darunter wurden Insektenfallen und so genannte Batlogger, die die Präsenz von Fledermäusen erfassen, angebracht. Des Weiteren testeten die Forschenden zwei unterschiedliche Leuchtenformen: eine typische LED-Straßenleuchte in flacher Bauweise mit typischer Lichtverteilung in den unteren Halbraum, die andere mit einem zusätzlichen Diffusor, der die Lichtverteilung einer Pilzleuchte simuliert. Diese streut das Licht größtenteils zur Seite und auch teilweise nach oben in Richtung Nachthimmel. Zwei Versuchsinstallationen an einem dunklen Standort sorgten für die Vergleichswerte.
»Unsere These bestätigte sich«, fasst Jörg Haller zusammen. Er hat das Projekt als Lichtexperte und Mitinitiator begleitet. Als zweiter wissenschaftlicher Partner war die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL vor allem für die Auswertung der Insekten- und Fledermausdaten zuständig. »Es bewahrheitet sich, dass räumlich gestreutes Licht Insekten signifikant stärker anzieht, als das nach unten gerichtete Licht der LED-Straßenleuchten«, so Haller. Bei bestimmten Fledermausarten beobachteten die Forscher dieselben Auswirkungen, wenn auch in deutlich schwächerer Ausprägung. Zudem bestätigte sich die Erwartung, dass Insekten von neutralweißem Licht stärker angelockt werden als von gelbem. Die Form hatte insgesamt einen klar stärkeren Einfluß als die Lichtfarbe.


Fokus auf die Umweltverträglichkeit
»Mit dem Aufkommen der LED-Technologie lag der Fokus beim Beleuchten in den letzten Jahren vorwiegend auf der Energieeffizienz. So benötigt eine neue LED-Straßenbeleuchtung heute je nach Situation bis zu 70 Prozent weniger Energie als Anlagen noch vor 20 Jahren«, führt Jörg Haller aus. Rund 75.000 Lichter schaltet EKZ jeden Abend ein und wieder aus. EKZ ist nicht nur für die Energieversorgung zuständig, sondern auch für die öffentliche Beleuchtung in 130 Gemeinden des Kantons Zürich. »Wir beraten die Gemeinden, wie die Beleuchtung idealerweise beschaffen sein soll. Dabei gilt es verschiedene Aspekte zu beachten, wie Sicherheit und Komfort, Energieeffizienz und Kosten und eben auch die Umweltverträglichkeit. Mit unseren Forschungsprojekten versuchen wir hier mehr Klarheit zu erlangen.« Gerade diesen Sommer hat EKZ gemeinsam mit der WSL einen neuen Feldversuch gestartet, der die Erkenntnisse aus Weiningen vertiefen soll. Diesmal werden an drei Standorten, die sonst kaum künstlichem Licht ausgesetzt sind, verschiedene Leuchtmittel und Leuchtenformen erforscht. Neben dem Insektenaufkommen und den Fledermausdurchflügen wird diesmal auch die Aktivität am Boden gemessen. Lockt Licht, das plötzlich den Waldboden beleuchtet, auch Spinnen und Tausendfüßler an? Wirken an solchen Dunkelstandorten Leuchtenform und Lichtfarbe in gleichem Ausmaß auf die Tierwelt? Hat die Helligkeit der Leuchtmittel dieselben Auswirkungen? Der neue Versuch unter dem Titel »Night Light« ist über mehrere Jahre während der Sommermonate angelegt. »So wollen wir die längerfristigen Auswirkungen von LED-Leuchten auf die Insekten und Fledermäuse messen», sagt Haller dazu und präzisiert: »Die Frage nach der Energieeffizienz wird in diesen Versuchen bewusst beiseite gelassen. Wir wollen hier einen ganz isolierten Blick auf die Umweltverträglichkeit werfen.«

Die Studie in aller Kürze
In einer Studie von EKZ und der WSL in Weiningen wurden entlang einer Quartierstraße am Dorfrand 29 Leuchten mit drei verschiedenen Lichtfarben (1750, 3000 und 4000 K) bestückt. Außerdem kamen zwei verschiedene Leuchtenformen (LED-Strahler und Pilzleuchten) zum Einsatz. Mit 18 Insektenfallen und mithilfe von sechs Fledermaussensoren wurde das Aufkommen dieser nachtaktiven Tiere gemessen. Als Referenz dienten zwei Fallen an Dunkelstandorten. Der Untersuchungszeitraum dauerte von Mitte Mai bis Ende August 2019. Für eine tagesscharfe Auswertung kamen von der WSL eigens für diesen Versuch entwickelte, automatisierte Insektenfallen zum Einsatz. Diese waren mit einem Schrittmotor und 7 Messbechern ausgestattet, sodass jeden Tag eine individuelle Auswertung der gefangenen Individuen möglich waren. Die Auswertung zeigte, dass räumlich gestreutes Licht Insekten signifikant stärker anzieht, als das nach unten gerichtete Licht der LED-Straßenleuchten. Zudem bestätigte sich, dass Insekten von neutralweißem Licht stärker angelockt werden als von gelbem. Auch die Leuchtenform mit Diffusor hat eine starke Anlockwirkung. Bei den Fledermäusen zeigte sich dasselbe Bild, in geringerer Ausprägung.
Komplexe Beleuchtungsplanung – je nach Standort
Doch was bedeutet das für die Praxis? Die Wahl der Lichtfarbe, der Optik und Licht nur dann einzusetzen, wenn es auch wirklich benötigt wird, hilft, um weniger Insekten anzulocken. »Mit intelligenten Steuerungen, die das Licht bedarfsgerecht einsetzen, haben wir bereits an verschiedenen Orten erste Maßnahmen ergriffen«, erklärt Haller. »Wichtig ist stets, für jede Situation eine ausgewogene Beleuchtungslösung zu finden. Die Straßenbeleuchtung an einem Zebrastreifen ist natürlich eine ganz andere als eine Wegbeleuchtung in einem naturnahen Raum. Die Umweltverträglichkeit ist somit neben Sicherheit, Komfort und Energieeffizienz eine wichtige Größe bei der Planung der öffentlichen Beleuchtung.«
Weitere Informationen:
Autoren: M. Eng. Jörg Haller, Leiter Öffentliche Beleuchtung und Smart City bei EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, CH), Vizevorsitzender der Fachgruppe Öffentliche Beleuchtung der Schweizer Lichtgesellschaft (SLG); Anja Rubin, Projektleiterin Kommunikation, EKZ, www.ekz.ch
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