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Licht 9 | 2022

Weimarer Lichttage 2022 – ALLES kam auf den Tisch

Eine INVENTUR zu Lichtwirkungen und Lichtplanungen

Die Weimarer Lichttage (WLT) fanden am 26. und 27.09.2022 unter dem Motto »LiLe MEETS BioWi« statt. In Weimar wurden dabei die Potenziale und Traditionen der Tagungen LiLe (Licht- und Lebensqualität) und der BioWi (Biologische Wirkungen des Lichts) zu einem neuen Format gebündelt. Unter den knapp 50 Teilnehmenden waren namhafte Lichtfachleute aus Forschung, Planung und Anwendung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zeiten für Diskussionen wechselten sich ab mit Vorträgen, »Thesentischen« und einem Workshop am Montagabend.

Lesezeit: ca. 13 Minuten

Nach über zwei Jahren Online-Meetings fand ein bemerkenswert intensiver persönlicher Austausch zu allen Themen des Lichtes für Planung und Praxis statt. Die Teilnehmenden waren begeistert von der neuartig, interdisziplinären Diskussionsebene, die sich immer wieder auf den praktischen Bezug fokussierte. Derart ergebnisoffene und stringent praxisbezogene Diskussionen war nach Meinung der Teilnehmenden längst überfällig. Das diskursive Konzept gab allen Vortragenden die Chance, ihre eigenen Thesen zu ihrem Vortrag vorzustellen und deren Bezug zur Praxis herzustellen. Maßgabe dafür war die Relevanz von Erfahrungen und Erkenntnissen für die Planung und Anwendung. Ein Anspruch, der für einige Vortragende ungewohnt war. Die WLT starteten mit vier Keynotes, die gleichzeitig die Themenschwerpunkte der folgenden vier SESSIONS – je zwei an zwei Tagen – markierten.

Aus Normung und Wissenschaft sprachen D. Lang über »Melanopische Lichtwirkungen« und Prof. Khanh über »Aspekte der Lichtqualität« mit hoher Praxisrelevanz. Direkt aus der Anwendung und Planungspraxis berichteten R. Hammer zu »Tageslicht – Wie es begann« und U. Greiner Mai zu »Wer bestimmt bei Planungen, wie und warum?« darüber, was Lichtpraxis bedeutet.

Die einzelnen Sessions waren unterlegt mit Beiträgen und Vorträgen, zu denen Fragen ungeschminkt und ergebnisoffen gestellt wurden. Bemerkenswert war auch hier das kritische Hinterfragen. Nach jeder SESSION bearbeiteten und aktualisierten alle zusammen die THESEN, die zuletzt 2019 als »WEIMARER THESEN« durch die LiTG veröffentlicht wurden. Nach Redaktion und Überarbeitung wird die Zusammenfassung als »WEIMARER THESEN 202« veröffentlicht werden.

Nachfolgend werden hier im Beitrag die Keynotes und Beiträge aus den Sessions so zusammengefasst, wie diese von den Vortragenden freigegeben wurden.

Abb.: Der Tagungsort der WEIMARER LICHTTAG bot alles und besonders: Räume zum Arbeiten, großzügige Plätze zum Diskutieren, zum Essen und Trinken im Innenbereich und auch außen das passende Wetter dazu. Die Teilnehmer entscheiden: Wir machen weiter und gern auch wieder hier. Ulf Greiner Mai
Abb.: Es ist angerichtet: Der reizvolle Arbeitsort der WLT 2022. Ulf Greiner Mai

SESSION 1: Melanopische Lichtwirkungen

Dieter Lang (Ledvance München) erklärte: Lichtplanungen »für Menschen« sind einfach geworden! Aus den neuen DIN-Normen, begleitet von wissenschaftlichen Forderungen an Lichtniveaus für Tag und Nacht, lassen sich »einfache« Vorgehensweisen für HCL-Lichtplanung ableiten. Sogar die Bewertung der Energieeffizienz geht »straight-forward«.

Dazu präsentierte Dr. Helmut Piazena (Charite Universitätsmedizin Berlin) »Aktuelle Forschungsergebnisse zur lichtinduzierten Melatoninsuppression«. Sein Beitrag beinhaltete noch unveröffentlichte Ergebnisse experimenteller Untersuchungen an gesunden Probanden beider Geschlechter im Alter zwischen 18 und 74 Jahren zur abendlichen Melatoninsuppression durch Licht. Gegenüber blauem und kaltweißem Licht zeigten sich dabei unterschiedliche individuelle Reaktionstypen. Die Ergebnisse werden gegenwärtig diskutierten Modellen zur Charakterisierung der lichtinduzierten Melatoninsuppression gegenübergestellt. Es wurden Vorschläge zur einfachen Einbeziehung der Melatoninsuppression in die Lichtplanung für die Praxis abgeleitet.

Die »Bestimmung nicht-visueller Lichtwirkungen« stellte Dr. Karin Bieske (TU Ilmenau) vor. Dynamische Beleuchtungssysteme mit sich zeitlich wie örtlich ändernden lichttechnischen Parametern sind dabei Voraussetzung für die Steuerung nichtvisueller Lichtwirkungen. Die wesentlichen Steuergrößen sind die Beleuchtungsstärke und das Spektrum (die Lichtfarbe) in der Augenebene. Bei der Umsetzung müssen alle Leuchten in einem Arbeitsbereich in die Steuerung einbezogen werden. Andererseits wird die Wirkung durch die dominante Lichtquelle bestimmt und die Steuermöglichkeit der Beleuchtungsanlage ist begrenzt. Vertikale Messgrößen sind für die Vergleichbarkeit wichtig, ihre Aussagekraft ist aber eingeschränkt. Die Blickrichtung bestimmt maßgeblich die wirksamen Größen in der Augenebene. Im Vortrag wurde auf Basis von Messungen im Industriekontext an realen Arbeitsplätzen argumentiert. Das mündete in folgende Thesen:

  • Dynamische Beleuchtungssysteme mit sich zeitlich wie örtlich ändernden lichttechnischen Parametern sind Voraussetzung für die Steuerung nichtvisueller Lichtwirkungen.
  • Wesentliche Steuergrößen sind die Beleuchtungsstärke und das Spektrum in der Augenebene.
  • Bei der Umsetzung müssen alle Leuchten in einem Anwendungsbereich in die Steuerung einbezogen werden.
  • Vertikale Messgrößen sind für die Vergleichbarkeit wichtig, ihre Aussagekraft aber ist eingeschränkt. Die Blickrichtung bestimmt maßgeblich die wirksamen Größen in der Augenebene.

FAZIT 1: Die Diskussion zur Planung und Anwendung ergab: Ob und inwieweit Planer daraus ohne weiteres ableiten können, welches Licht Nutzer benötigen und wie dies in der Praxis geplant und nachgewiesen werden kann, wird sich erst noch zeigen.

Abb.: An Tischen wurden die WEIMARER THESEN konstruktiv diskutiert und auf den neuesten Stand ge-bracht. Dabei fiel auch manch kritisches Wort zu Ausführungen, die »an der Praxis vorbeigehen«. Ulf Greiner Mai
Abb.: Kritische Aufmerksamkeit beim Zuhören war typisch für die Teilnehmer während der zwei Weimarer Lichttage 2022. Ulf Greiner Mai

SESSION 2: Aspekte der Lichtqualität (Innenraum)

Prof. T. Q. Khanh (TU Darmstadt) führte aus, dass mit Werkzeugen, Methoden und Prinzipien der Forschung über visuelle Leistung, über psychologische und emotionale Lichtwirkungen und über nichtvisuelle Lichteffekte sich in den letzten 15 bis 20 Jahren ein Gesamtbild der Forschung für die Menschen in allen Anwendungsbereichen (z. B. in Büros, Industriehallen, in Schulen, in den Einrichtungen des Gesundheitswesens und des Transportwesens) gebildet hat, wenn auch mit unterschiedlichen empfohlenen Beleuchtungskennwerten für Mindestanforderungen sowie für die Nutzerpräferenz. Der Vortrag fasste diese Ergebnisse zusammen und stellt eine Liste von Kennwerten zur Diskussion zur Verfügung. Damit können Lichtplanende zukünftig argumentieren.

Die Schweizer Lichtplanerin Inge Sommerlatte (Sommerlatte Lichtplanung, Zürich) beschäftigte sich mit »Lichtplanung und biologische Wirkungen« und berichtete über ihre persönlichen Erfahrungen, die sie im Rahmen des Projekts Skyguide mit der Zusammenarbeit mit Lichtplanern und Chronobiologen sammeln durfte. Folgende Thesen und Vorstellungen künftiger Planungsarbeit leitete sie ab:

  • Die Planung der biologischen Wirkung des Lichts gehört in die Hände eines Spezialisten.
  • Es bedarf einer Definition der Leistungen der »biologischen Lichtplanung«.
  • Es bedarf Weiterbildungsmöglichkeiten für Lichtplaner (Zertifikat, Wissensaktualisierung).

Über »Farbemotion – Natürlichkeit, Farbwiedergabe, Sättigung« referierte J. Klabes (TU Darmstadt). In Traditionen und im Lichtdesign gibt es demnach diverse Konzepte über die emotionale Wirkung von (Licht-)Farben. Der Vortrag ging auf den aktuellen Stand der Wissenschaft zum Thema Farbemotion ein und es wurden deren licht- und farbmetrische Grundlagen erläutert. Darauf aufbauend wurde diskutiert, wie moderne Beleuchtungslösungen diese Effekte in der Anwendung nutzen könnten. Das Thema »Nutzer-Individualität und individuelle Komponenten« wurde, bedingt durch den kurzfristigen Ausfall von Stefan Klir (TU Darmstadt), gemeinsam von Herrn Klabes und Prof. Khan vorgetragen. Heraus kam, dass jeder Mensch einen unterschiedlichen Alltag hat, jedoch oftmals die gleiche Arbeitsbeleuchtung wie bspw. Bürobeleuchtung. Die Individualität in den Aufgaben, der Arbeitszeit und des Wesens muss durch die Beleuchtung unterstützt werden. Das Wetter, der Innenraum und die akute Befindlichkeit einer Person verändert die Wahrnehmung und Präferenz von Licht. Somit verbessert eine an das Individuum oder Gruppen an die Umgebung angepasste Beleuchtungssituation das Wohlbefinden mit der Folge höherer Nutzerakzeptanz.

FAZIT 2: Die Diskussion zur Planung und Anwendung ergab: Die Individualität und Spezifikation der Nutzer ist gerade bei Licht wichtiger denn je, wenn es um eine umfassende »Lichtqualität« geht. Ob und inwieweit Planer im Alltag das auch erkunden und objektspezifische Lösungen ableiten können, wird sich zeigen. Es bestand bei den Experten vor Ort Einigkeit darüber, dass man nur bei individuellen Lichtlösungen Antworten finden kann, welches Licht Nutzer im Einzelfall benötigen. Das können Standards in der Regel nicht leisten oder zumindest nicht optimal.

Abb.: Frau Dr. Renate Hammer (Wien) präsentierte in ihrer Keynote zum Tageslicht eindrucksvolle Praxisbei-spiele unter dem Motto: Der Idealfall ▪ Der Normalfall ▪ Der Zwischenfall und ▪ Der Glücksfall. Ulf Greiner Mai

SESSION 3: Planungsrealität – zum Umgang mit Tageslicht

Dr. R. Hammer (Institute of Building Research & Innovation, Wien) zeigte ausgewählte Projekte aus der Planungspraxis der letzten zehn Jahre. Speziell beleuchtet wurden mögliche Motive der Beauftragung, Arbeitsabläufe und die in den gegebenen Rahmenbedingungen erreichten Ergebnisse der Tageslichtplanung. Die Musterprojekte zeigten: Tageslicht ist nicht nur in seiner Wirkung wichtig, es muss auch »wichtig« geplant werden. Als »Idealfall« beschrieb sie einen detailliert ausgeschriebenen, tageslichtspezifisch und bauphysikalisch begleiteten Architekturwettbewerb, der zudem eine wissenschaftlich unterstützte Planung förderte. Im »Normalfall« wurde beschrieben, wie am Beispiel der Gestaltung der Ausweichquartiere für die Parlamentsnutzung in Wien ein gut gemeinter Start in der Praxis an Politik und oft banalen Umsetzungskompromissen scheiterte. Auch wenn schon wichtige Fragen gestellt werden wie: Wie hell wird es in den Büropavillons? Welche Beleuchtungsstärke wird erreicht? Ist das genug? Auch wenn als Zieldefinition bspw. in der Hälfte der Raumbezugsebene D ≥ 0,95 % überschritten und in der Mehrzahl der Büros auf der Hälfte der Raumbezugsebene D ≥ 2 % erreicht werden soll, heißt das leider oft nicht per se, dass die Antworten darauf vor Ort auch sachgerecht umgesetzt werden. Als »Zwischenfall« wurde eine typische Anfrage bei einem Büro vorgestellt nach dem Motto: »XY: Hallo – sie machen doch so Tageslichtberechnungen? Sie haben doch schon mal etwas für uns gerechnet. Ob genug Licht reinkommt, wenn man in den Innenhof noch was reinbaut und Oberlichter macht…« Bei vergleichbaren Kundengesprächen zeigt sich immer wieder, dass Bauherren ihren Pflichten nach hinreichender Planungsvorbereitung nicht gerecht werden (können), denn sie müssen bspw. abklären, ob das nicht den eigenen Baustandards widerspricht, ob es sich ggf. um einen Dauerarbeitsplatz handelt oder es Probleme mit der Arbeitnehmerschutzverordnung geben wird. Als »Glücksfall« wurde dargestellt, wenn es bereits in der Auslobung der Planungen bezüglich der Lichtqualität über die allgemeinen Normen hinausgehende Anforderungen gibt und das Interesse an der Tageslichtqualität von seiten der Bauherren bereits vor/in der Vorentwurfsphase deutlich wird und dazu bspw. eine Präsentation angefordert wird.

Fragen wie: »Wie viel Licht erhalten wir am Tag und wie viel brauchen wir?« versuchten sich S. Hubalek (Berufsgenossenschaft BGETEM) und L. Udovicic (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA Dortmund) in ihrem Vortrag zu nähern. Dazu wurden Ergebnisse einiger Untersuchungen von der BG ETEM und der BAuA vorgestellt, die sich mit der Lichtexposition unterschiedlicher Berufe und Arbeitszeiten befassten. Die Lichtexposition der Beschäftigten an Arbeitstagen wird demnach maßgeblich durch die Arbeitszeit bestimmt. Bei Beschäftigten in Innenräumen erreicht sie ihre maximalen Werte auf dem Weg zum und vom Arbeitsplatz sowie in den Pausen, sofern diese Zeiten mit Tageslicht verbunden sind. Die Lichtexposition durch künstliche Beleuchtungsquellen in Innenräumen am Arbeitsplatz und zu Hause sind erheblich geringer als beim Aufenthalt im Freien. Daraus ergaben sich folgende zwei Thesen:

  • Unsere Ergebnisse geben eine Orientierung darüber, wie viel Licht die Beschäftigten am Tag erhalten.
  • Anhand unserer Untersuchungen ist es nicht möglich zu beurteilen, wie viel Licht wir brauchen, wir können nur einige Vorschläge einbringen.

Luciana Alanis (KIT Karlsruhe; LICHTGOLD GmbH) stellte in ihrem Vortrag das Projekt »Solar Decathlon Europe 2022 – Gewinnerprojekt ROOFKIT« anschaulich vor und erläuterte spannende Hintergründe und Gedanken, die allein aus Postern und Bildern so nicht erkennbar sind. Im Mittelpunkt standen dabei Fragen wie: Wie wollen wir in Zukunft leben? Und wie kann das Wohnen der Zukunft aussehen? »Premium human-centered Design« vs »Do-It-Yourself«.

FAZIT 3: Die Diskussion zur Planung und Anwendung ergab: Tageslicht ist nicht nur »gesund und schön«. Vielmehr sind auch die Lichtexpositionen durch künstliche Beleuchtungsquellen in Innenräumen am Arbeitsplatz und zu Hause erheblich geringer als beim Aufenthalt im Freien. Für Planer ist damit auch die Lichtexposition eine wichtige Nutzerspezifikation, anhand derer der objektspezifische Lichtbedarf begründet werden kann und damit ein mehr an Tageslicht. Und Tageslicht kann immer dann in Einklang mit der Architektur, Bauphysik und mit Investitions- bzw. Betriebskosten gebracht werden, wenn eine qualifizierte Lichtplanung von Anfang an berücksichtigt wird, bestenfalls bereits bei der Aufgabenstellung zur Planung und deren Grundlagen.

SESSION 4: Wer bestimmt bei Planungen, wie und warum?

Ulf Greiner Mai (ö. b. u. v. Sachverständiger für Lichttechnik und Honorare, Halle/Weimar) – gleichzeitig als Moderator der WLT über beide Tage unterwegs – stellte seinem Praxisvortrag folgende Thesen voran:

  • LICHTPLANUNGEN sind 95 % ALLTAG und (nur) 5 % (wahrgenommene) LEUCHTTÜRME
  • LEISTUNGSBILDER LICHTPLANUNG setzen mögliche Leistungsziele und beschreiben die dazu erforderlichen Arbeitsschritte. Zumindest legen diese aber vor, was der AG (Besteller) nach Verkehrsauffassung erwarten darf.
  • LEISTUNGSBILDER LICHTPLANUNG sollten Vertragsbestandteil jeder Planung werden. Normen, die dazu taugen, sollten als a. a. R. d. T. nachgewiesen werden und zwar rechtlich nachprüfbar.
  • »LICHTNORMEN« werden 1. von den Verfassern oftmals überschätzt, 2. von den Lichtplanenden immer wieder unterschätzt (weil nicht gekannt) und 3. von (Ober-) Gerichten regelmäßig nicht als a. a. R. d. T. angesetzt.

Analog zum Urteil des BGH VII ZR 184/97 erläuterte er: »Der AN hat die Entstehung eines mangelfreien, zweckgerichteten Werks zu gewährleisten. Entspricht seine Leistung nicht diesen Anforderungen, so ist es fehlerhaft, und zwar unabhängig davon, ob die a. R. d. T. eingehalten worden sind. Ausschlaggebend ist allein, dass der Leistungsmangel der Lichtplanung/Lichtanlage zwangsläufig den angestrebten Erfolg beeinträchtigt …« Regelmäßig sei bei Planungen aller Art vor allem auch der gesunde Menschen- und Sachverstand gefragt. Die LEISTUNGSBILDER LICHTPLANUNG setzen mögliche Leistungsziele, beschreiben die dazu erforderlichen Arbeitsschritte und sollten Vertragsbestandteil jeder Lichtplanung werden. Zumindest legen diese vor, was der AG (Besteller) nach Verkehrsauffassung erwarten darf und sind a. a. R. d. T. – mindestens jedoch a. R. d. T, denn sie werden von der überwiegenden Mehrheit der Fachkreise getragen. Nur »Nichtfachkreise« bezweifeln, dass Licht professionell geplant werden muss.

Einen Überblick in »Die neue DIN EN 12464-1 – ein Paradigmenwechsel« verschaffte Dieter Lang, der dankenswerterweise für den kurzfristig erkrankten Peter Dehoff (Zumtobel) einsprang. Das gelang bravourös, dank der langjährigen Erfahrung von Dieter Lang in der Normungsarbeit. Den Vortrag im Detail gestaltete weiter – auch vertretungsweise – Kenneth Martin (Zumtobel Lighting, Dornbirn) aus, mit folgenden Kernaussagen, die heftig diskutiert wurden:

  • Die neue DIN EN 12464-1 ist eine Einladung zur Planung von Beleuchtungsanlagen.
  • Schluss mit 500 lx im Raum und UGR 19 der Leuchte. Dieses Ausschreibungsrelikt gehört der Vergangenheit an.
  • Planende sind eingeladen, Wartungswerte zu modifizieren, die motivierende Helligkeit der Räume und abwechslungsreiche Lichtstimmungen vorzusehen.
  • Eine gut geplante Beleuchtungsanlage ist auch normgerecht. Das gilt auch für Überprüfungen und Wartungen von Licht- und Beleuchtungsanlagen nach deren Abnahme im Lebenszyklus der jeweiligen Lichtanlagen.

Weiter beschrieb er, dass die neue Fassung der DIN EN 12464-1 u. a. ein neues Kapitel mit Überlegungen für die Planung der Beleuchtung mit Erläuterungen enthält, wie Planer mit dem »Bereich der Sehaufgabe oder Tätigkeit«, den »modifizierten Beleuchtungsstärken« und der »Raumbeleuchtung« umgehen sollten. Das Thema »Lichtplanung und Lichtqualität – eine Synergie?« wurde ebenfalls durch Herrn Martin vorgetragen und zwar im Zusammenhang mit der Vorstellung einer Arbeitsplatzleuchte als Prototyp, die sich derzeit noch in der Entwicklung befindet. Durch den Ausfall der geplanten Referentin konnten Fragen wie: Gibt es gute Beleuchtung ohne Lichtplanung? Besteht genügend Nachfrage nach Lichtplanung? Denken Bauherren und andere am Bauprozess Beteiligte rechtzeitig oder überhaupt an Lichtplanung? leider nur angerissen werden. Ungeachtet dessen lebhaft waren die anschließenden Diskussionen. Die Teilnehmer waren sich einig, dass der LiTG-Leitfaden »Lichtqualität« zu notwendigen Fragen zu Beginn eines Projektes führt. Er kann eine wesentliche Hilfestellung für die Bedarfserfassung sein und ist geeignet, die in Deutschland aus § 650p BGB gesetzlich vorgeschriebenen Planungsgrundlagen darzustellen.

FAZIT 4: Die Diskussion zur Planung und Anwendung ergab: Um fachgerechte Planungsgrundlagen zu schaffen, ist der LiTG-Leitfaden »Lichtqualität« ein Ansatz für Lichtplaner, Lichtplanende und auch für beratende und ausführende Lichtfirmen. Vor allem auch der Teil 1 »Leistungsbilder Lichtplanung« der LiTG unterstützt Lichtplaner und Auftraggeber konkret. Mehrere Teilnehmer wünschten sich, dass auch der Teil 2 der »Leistungsbilder Lichtplanung« für die Außen- und Straßenbeleuchtung erarbeitet wird und dem Markt möglichst bald zur Verfügung gestellt werden kann. Mit allen benannten LiTG-Schriften könnten beispielsweise auch widersprüchliche Formulierungen und Begrifflichkeiten ausgeschlossen werden, die bei Planung und Ausführung von Licht immer wieder zu Problemen führen. Andere Fragen wie: Widerspricht eine Norm einer guten Lichtplanung? oder: Ist Lichtqualität durch Planung erfassbar? ergaben vor Ort – trotz oder gerade wegen des hohen Anteils an Lichtexperten – kein einheitliches Meinungsbild.

Höhepunkt des Montagabends vor Ort war der Workshop »Licht und Emotionen – Emotionale Lichtwirkungen« unter der Leitung von Edwin Smida (LICHT KUNST LICHT, Berlin). Zunächst stimmte ein Vortrag anhand einer frechen These und einer anschließenden Diskussion auf das Thema ein. Im anschließenden Workshop reflektierte die Workshopleitung das in den letzten drei Jahren erarbeitete Wissen mit den Teilnehmenden und prüfte es auf seine Anwendbarkeit für zukünftige Forschungen und die alltägliche Planung. Dabei erarbeiteten die Teilnehmenden unter Anleitung ihre Erkenntnisse anhand von zwei provokante Thesen selbst. Die von der LiTG in Kooperation mit »Gather Around Light« ausgerichtete Workshopgruppe »Licht und Emotionen«, befasst sich nunmehr seit März 2020 damit, den subjektiven Themenkomplex »Licht und Emotionen« besser zu verstehen. Seither wurde ein Wissensstand erreicht, der zunächst sämtliche Einflussfaktoren aufzeigt und in einer Grafik nebst Legende veranschaulicht wurde. Auch wurde ein Glossar vorgestellt, das alle wichtigen Begriffe in diesem Themenfeld aufführt und definiert. Dieser Workshop war auch für Lichtexperten ein perfekter Anlass zur Reflexion und Schärfung des Wissens. Dazu verfolgte die Workshopgruppe folgende Strategie: Die Teilnehmenden erarbeiteten sich unter der Anleitung von vier Personen aus der Workshopgruppe neues Wissen selbst. Als Zündstoff für die lebendigen Diskussionen dazu wurden folgende provokante Thesen aufgestellt, die im Workshop entweder widerlegt oder bestätigt wurden oder offenblieben:

  • »Licht allein triggert keine Emotionen«
  • »Die DIN verhindert die Vielfalt der Emotionen«

Die Diskussionsrunden dazu und zum »Warum?« begannen mit einer thematischen Einleitung mit Begriffserklärungen wie z. B. »Was sind Emotionen? Was sind Atmosphären?« Danach folgten sogenannte Bilderübungen, bei denen jeder die Emotionen auf Zetteln notierten konnte, die er persönlich mit diesen Bildern verbindet. Gezeigt wurden dazu bspw. ein archetypisches Bild (z. B. Sonnenuntergang), ein nicht-archetypisches Bild (z. B. aus dem szenischen Raum), ein szenischer Raum, Architekturbeleuchtungen sowie Darstellungen verschiedener Orte und Funktionen bspw. im Außenbereich (z. B. Strandpromenade) und im Innenbereich (z. B. Kinofoyer). Die Auswertung der Zettel und Antworten erfolgte durch die Teilnehmenden selbst in Gruppen am Tisch. Bemerkenswert dabei waren die Unterscheidung von Emotionen und Charakteren pro Bild und die Unterscheidung in verschiedenen Allgemeingültigkeiten pro Bild. Grundsätzliche Fragen wie: »Was ist die Erkenntnis? Subjektivität vs. Allgemeingültigkeit?« wurden durch Suche nach den verschiedenen Einflussfaktoren in Gesprächskreisen versucht zu beantworten.

FAZIT Workshop: Die Workshopgruppe und die Teilnehmenden zeigten großes Interesse daran, das erarbeitete Wissen immer wieder mit möglichst vielen Beteiligten zu reflektieren und es so auf seine Anwendbarkeit für zukünftige Forschungen und der alltäglichen Planung zu prüfen und weiterzuentwickeln. Auf diese Weise soll eines Tages ein Stand erreicht werden, der ein einheitliches und anerkanntes Vorgehen für zukünftige Forschungen ermöglicht, um endlich aus dem Sumpf pauschaler Behauptungen herauszukommen. Bis dahin wird es aber noch dauern, denn alle Beteiligten sind ehrenamtlich tätig. Das kann der Wichtigkeit des Themas per se nur bedingt genügen.

AUSBLICK

Ohne zuverlässige und oft unauffällige Unterstützung wären die WLT undenkbar. Dank dafür an unsere neuen, regionalen Sponsoren (Fa. R.Stahl, Fa. Pracht, LED-Commander GmbH, SV-Büro Greiner Mai) und an unsere bewährten Unterstützer aus der Lichtbranche (Velux Deutschland, Zumtobel, TU Darmstadt, TU Ilmenau). Der besondere Dank des Verfassers geht an alle Mitstreiter aus dem Beirat, vor allem an Cornelia Vandahl, Renate Hammer und Prof. Khanh für die vielen Stunden uneigennütziger Unterstützung. Nur so wurden die WLT 2022 ein Start für künftige, regelmäßige und fachübergreifende »Inventuren« und für ein diskussionsfreudiges Wiedersehen im Herbst 2023 in Weimar.

Weitere Informationen:

Informationen zu den WLT und den WEIMARER THESEN unter www.litg.de/Aktuelles/Meldungen/Weimarer-Lichttage-2022.html

Autor/Fotos: Ulf Greiner Mai (als Sprecher des Beirats der WLT 2022)

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