Von Natur und Licht umgeben
Inmitten der einzigartigen Landschaft des Schwarzwalds liegt das Besucherzentrum des neuen Nationalparks Ruhestein. Bereits von weitem zeigt sich die spektakuläre Architektur mit Skywalk und Aussichtsturm. Die Architekten griffen das Leitthema »Urwald« des Nationalparks auf, dessen wesentliches Kennzeichen das Totholz ist. Als Entwurfsidee für die scheinbar willkürlich übereinandergestapelten Gebäudeteile diente das Bild eines naturbelassenen Waldbodens mit der Struktur geknickter Bäume.

Auf 915 Meter ü. NN gelegen, entstand im Nationalpark Ruhestein (Schwarzwald) ein spektakuläres Besucher- und Informationszentrum mit Verwaltungsgebäude. Der Bau dient als zentrale Anlaufstelle mit dem Schwerpunkt Umweltbildung und soll Besucher auf informative und unterhaltsame Weise mit den Aufgaben des Nationalparks bekannt machen. Der Entwurf des Gebäudes entstammt einer ungewöhnlichen Leitidee: Die Struktur des heimischen Urwalds mit übereinanderliegenden und umgeknickten Bäumen, dem so genannten Totholz. Die bis zu 65 Meter langen Gebäuderiegel ahmen die scheinbar willkürlich gestapelten Totholzstämme nach. Dieses Motiv ist in dem Bau des gesamten Gebäudes übertragen. Besonderen Wert wurde beim Bauvorhaben auf möglichst geringe Eingriffe in den umgebenden Baumbeständen gelegt. Inmitten von besonders schützenswerten Bäumen des Nationalparks ist der Komplex daher in dem Wald eingebettet und wirkt fast wie eingewachsen.


Schaufenster in die wilde Natur
Im Innenraum, auf einer Gesamtnutzfläche von 3.200 Quadratmetern und über vier Stockwerke, wird diese einzigartige Architektur fortgeführt. Von einer Hauptsichtachse aus, die Aus- und Durchblicke über großzügige Glasfronten und Panoramafenstern zulässt, ist von jeder Position im Gebäude aus der dichte Wald erkennbar. Ob im Foyer, in den Funktionsräumen der Ausstellung oder im Skywalk – der direkte Waldkontakt soll vom Wurzelboden bis in die Baumkronen bewusst spür- und fühlbar sein. Hier haben die Architekten Sturm und Wartzeck die Verzahnung zwischen wilder Natur und modernster Architektur erlebbar gemacht. Eingebettet in die klaren Formen und Strukturen befindet sich nicht nur das Besucherzentrum und die Nationalparkverwaltung, sondern auch eine Dauer- und eine Wechselausstellung in dem neuen Nationalparkzentrum.

Akzente durch Linien
Klare Lichtlinien akzentuieren die Geradlinigkeit der einzelnen Bereiche und unterstreichen die Mischung aus Tageslichteinfall und Kunstlicht im Inneren. Die schlanken Lichtlinien nehmen die Architektursprache der acht langgestreckten Gebäuderiegel auf. Durch die spezifische Konfiguration des Lichtkanals werden bauliche Gegebenheiten berücksichtigt und Anforderungen an die Lichtsituation, Ausstattung und Steuerung passgenau erfüllt. Der Lichtkanal aus dem Hause LTS ist in vier verschiedenen Grundtypen erhältlich. Mit dem Lichtkanal 60 steht außerdem ein System zur Verfügung, das eine direkt-indirekt-Beleuchtung ermöglicht. Das Lichtkanalprofil ist die Basis des Systems und kann eingebaut, angebaut oder abgehängt werden. Ergänzt wird es durch Lichteinsätze, die sich in ihrer Leistung und Farbtemperatur unterscheiden. Mit Acrylglasdiffusoren, Folien oder der patentierten »nanoOptix« können nahezu sämtliche Beleuchtungsaufgaben gelöst werden. Der Lichtkanal wird in Länge und Form grundsätzlich kundenindividuell und auf Maß angefertigt.

Brückenbau für scheinbar schwebende Stockwerke
»Durch die Höhenstaffelung der Gebäudeteile, unter Einbeziehung der Baumgruppen, werden die unterschiedlichen Stockwerke erlebbar. Die geöffneten Räume ermöglichen ein sehr großzügiges Raumgefühl. Erfahrbar sind auch die klaren Strukturen, welche durch klare helle Linien und … Farben geschaffen sind. Die großen Fensterfronten sowie auch gläserne Oberlichter schaffen ringsum den Bezug zum Schwarzwald. Verbaut wurden ausschließlich natürliche Materialien und regionale Hölzer wie zum Beispiel die heimische Weißtanne«, erläutert Birgit Rath, Projektleiterin im Amt Pforzheim des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg.
Getragen werden die langen und geraden Gebäuderiegel durch eine ausgeklügelte Tragwerksplanung und durch die Konstruktion aus Holz- und Stahlfachwerken mit minimalen Stützen. Hier steckte die Meisterleistung darin, Bauelemente aus dem Brückenbau einzubeziehen. Diese Bauweise ist im herkömmlichen Museumsbau nicht zu finden. Zu den spektakulären baulichen Highlights zählt der 15 Grad geneigte und 34 Meter hohe Aussichtsturm. Zu ihm gelangt man über den offenen Skywalk, einer Fachwerkbrücke, mit einer Spannweite von 65 Metern. Wie ein Brückenträger konzipiert, endet der Gang auf einer freistehenden Aussichtsplattform über den Baumwipfeln des Schwarzwaldes. Der Einhub des Skywalks wurde auf den Millimeter genau berechnet. Die Bäume wurden auseinander gespreizt und die frei schwebende Brücke eingesetzt. Präzise haben sich die Äste über dem Skywalk wieder geschlossen und das Bauwerk schwebt nun auf 20 Meter Höhe mitten in den Baumkronen.
»Optisch ist uns das Bauwerk besser gelungen als wir es ursprünglich geplant haben. Man hat das Gefühl in den Bäumen zu laufen, fast schon mit dem Ärmel die Natur zu streifen. Möglich gemacht hat das unsere ganz knappe Planung, sodass es scheint, dass die Äste in den Skywalk hineinwachsen«, so der Architekt Jörg Sturm abschließend.
Weitere Informationen:
Bauherr: Land Baden-Württemberg vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim
Architektur: Sturm und Wartzeck GmbH, Dipperz, www.sturm-wartzeck.de
Leuchten: LTS Licht & Leuchten GmbH, Tettnang, www.lts-light.com
Textquelle: LTS, Webseite Sturm und Wartzeck
Fotos: Henrik
Schipper