Steuern mit Tageslicht
Studio Barthelmes GmbH aus Berlin ist u. a. spezialisiert auf Lichtsteuerung in Bezug auf die Themen Himmel und Tageslicht. Anhand eigener Projekte erklärt Inhaber Andreas Barthelmes im Interview mit LICHT-Redakteurin Andrea Mende, welche tageslichtabhängigen Lichtsteuerungen es gibt und für welche Aufgaben sie sich eignen.

Welchen Einfluss hat das Tageslicht und dessen Dynamik auf die Wahrnehmung des Menschen? Wie lässt sich das Licht auf den Innenraum übertragen, und in welcher Form sollte es sich darstellen? Mit diesen Fragen setzt sich Andreas Barthelmes seit 15 Jahren auseinander. Sein Portfolio umfasst dynamische Architekturbeleuchtung, Lichtsteuerung und die technische Realisierung von Lichtkunst. Extrem unterschiedliche Einsatzgebiete, die individuelle Lösungen erfordern.
Tageslicht für den Innenraum
»Wir versuchen, die Dynamik des Tageslichts von außen nach innen zu bringen, aber das in bestimmten Grenzen. Die Lichtverhältnisse im Innenraum sind nicht identisch zu denen außen. Es geht darum, sie so zu übersetzen, dass die gemessenen Werte im Außenraum an das Lichtsystem sowie an die Bedürfnisse im Innenraum angepasst werden«, so Andreas Barthelmes.
Für tageslichtabhängige Lichtsteuerungen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die folgende Übersicht stellt sechs Konzepte vor, die Andreas Barthelmes mithilfe verschiedener Steuerungssysteme realisiert hat. Damit möchte er Planern auch eine Entscheidungshilfe geben.
Astronomische Uhr:
Elmgreen & Dragset, The Hive
Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset schuf mit »The Hive« eine Installation für das Bahnhofsgebäude der neuen Moynihan Train Hall in New York. Modelle von Wolkenkratzern sind 12 Meter über Kopf an der Decke montiert und bilden eine leuchtende Skyline. Studio Barthelmes war verantwortlich für die Lichtplanung der Gebäude und entwickelte die Lichtsteuerung über eine astronomische Uhr. Es gibt lediglich einen Wechsel zwischen Tag und Nacht, ein Sensor war nicht nötig. »Das System arbeitet mit geografischen Koordinaten (Längen- und Breitengrad) und errechnet so den Sonnenstand. Es wird nicht von äußeren Einflüssen gestört und reagiert nicht auf Lichtveränderungen am Tag. Diese Lösung ist wartungsfreundlich, nur Funktion und Systemzeit müssen überprüft werden. Auch spielt die mögliche Verschmutzung eines Sensors keine Rolle«, meint Andres Barthelmes.
Astronomische Uhr mit »Twilight Compression«:
James Turrell, Skyspace
Die »Twilight Compression« ist eine erweiterte Anwendung der astronomischen Uhr, mit der sich Lichtszenen an den Sonnenstand winkelgenau anpassen lassen. Zum Einsatz kommt dies beispielsweise in den »Skyspace«-Arbeiten von James Turrell. »Skyspace« umschreibt eine Serie, an der James Turrell stetig arbeitet. Diese Werke besitzen eine Öffnung zum Himmel. Während die Besucher den Himmel während der Dämmerung betrachten, wird der Raum farbig beleuchtet. Die Augen nehmen das farbige Licht auf und der Himmel wird in den Gegenfarben wahrgenommen. »Die Länge der Dämmerung kann je nach Jahreszeit stark variieren«, sagt Andres Barthelmes. »Dann passiert am meisten, die Zeitspanne ist kurz, doch die Veränderung des Tageslichts ist am stärksten. Es wurde eine Software geschrieben, um die dynamischen Szenen zeitlich zu stauchen oder zu strecken, damit sie über das ganze Jahr exakt zum Winkel der Sonne passen.«

Helligkeitssensor:
Olafur Eliasson, The Living Observatory
Bei Helligkeitssensoren ist die Positionierung zur Himmelsrichtung besonders wichtig. Bei »The Living Observatory« handelt es sich um ein mehrteiliges Kunstwerk von Olafur Eliasson, das sich in einem Gebäude in Daejeon, Südkorea befindet. Der Ausstellungsraum erstreckt sich über die gesamte 60. Etage, wobei jede Fensterseite in einer anderen Farbe gestaltet ist. Die Fenster sind mit Farbfolie beklebt, davor befindet sich eine Gaze in der Komplementärfarbe. Das einfallende Licht ist durch die Farbfolie rot gefärbt und die davor angebrachte Gaze in der Komplementärfarbe Cyan. Dies führt zu spannenden, dichroitischen Farbeffekten, die stark mit dem Einfall des Sonnenlichts verbunden sind. »Ist es draußen hell, muss auch die Gaze hell beleuchtet werden«, so Andreas Barthelmes. »Wenn es draußen dunkler wird, so muss auch die Helligkeit der Gaze reduziert werden. Ansonsten wird sie blickdicht und man kann nicht mehr hinaussehen.«
»Das Licht soll subtil sein, aber auch etwas bewirken«
Künstlicher Himmel:
Kabinenbeleuchtung für Condor
Diese Anwendung wurde für Langstreckenflüge der Fluggesellschaft Condor zusammen mit Torsten Braun (Die Lichtplaner, Limburg) und Wilfried Kresiment erarbeitet. Das Personal entscheidet, wann der Sonnenaufgang als Kabinenbeleuchtung beginnt und wie lange er dauert. Wie viel Zeit braucht das Personal, um die Kabine vorzubereiten? Verschiedene programmierte Lichtstimmungen sind abrufbar, so läuft der Sonnenaufgang entweder langsam oder schneller ab.


Kamera zur Erfassung der Farbe des Himmels:
PCK Raffinerie
Verlangt ein Projekt die farbliche Darstellung des Himmels, wird eine Kamera eingesetzt. Denn das Licht des Himmels ist weiß, erscheint aber durch den Rayleigh-Effekt blau. Für die modernisierte, fensterlose Messwarte der Ölraffinerie PCK in Schwedt hat Barthelmes für Lightlife eine Beleuchtungslösung mit Lichtvision Design und dem Fraunhofer Institut erstellt. In dem zirka 1.000 Quadratmeter großen Gebäude arbeiten Teams in drei Schichten. Als ergänzende Lichtelemente wurden ein digitales Fenster und ein virtueller Himmel aus LED-RGB-Modulen mit einzeln ansteuerbaren Pixeln installiert. So lassen sich Wetterverläufe wie vorbeiziehende Wolken abbilden. Das System nutzt Kameras für Livebilder und einen Video Shader, der bei Bedarf künstliches Wetter generiert (z. B. wenn es draußen zu grau ist) sowie eine Wolkenerkennungssoftware, die zwischen Kamera und Video Shader umschalten kann. Die Ansicht des Himmels verändert sich, es lassen sich natürliche Ereignisse darstellen, dann tauchen Flugzeuge oder Vögel auf. »Wir haben auch melanopische Messungen (in Bezug auf nicht-visuelle Wirkungen auf den Menschen, Anm. d. Red.) vorgenommen, das Licht wirkt tags leicht aktivierend, aber viel wichtiger ist, dass sich die Mitarbeiter im Raum mit den Lichtstimmungen wohlfühlen«, erklärt Andreas Barthelmes.
RDS, Realtime Daylight System
RDS oder Realtime Daylight System ist eine Kooperation von DigitaLicht AG und Studio Barthelmes GmbH. Im Lauf gemeinsamer Projekte gab Jörn Bielich von DigitaLicht den Anstoß, aus dem Sensor ein autarkes System zu entwickeln, das mehrere Funktionen in sich vereint. »Die meisten Systeme haben nur Schwellwerte für Helligkeiten, was bei unterschiedlichen Werten übers Jahr nicht ausreicht (s. Diagramm). Andere Systeme arbeiten nur mit Regelschleifen, um Helligkeit und Farbtemperatur immer konstant zu halten, um z. B. einer vorgegebenen HCL-Kurve zu folgen«, so Andreas Barthelmes. »Mit unserer Echtzeitsteuerung sind wir zusätzlich in der Lage, die dynamischen Lichtverhältnisse aus der Natur wunschgemäß in den Innenraum zu übertragen.« Das System ist auf unterschiedliche LED-Systeme kalibrierbar, so kann z. B. der Weißpunkt auf der Planckschen Kurve aus bis zu acht farbigen LEDs gemischt werden.


Gagosian Gallery, London
Für die Gagosian Gallery in London fand ein ähnliches Sensorsystem erstmals Anwendung, in damaliger Ausführung umgesetzt von DigitaLicht AG und LightLife Berlin. Dort wird Tageslicht in Echtzeit in geschlossenen Räumen nachgestellt, um die ausgestellte Kunst unter Realbedingungen zu präsentieren. Arup als betreuendes Lichtplanungsbüro wollte mit Lichtflächen an der Betondecke den Eindruck vermitteln, als würde Sonnenlicht die Galerie durchfluten. Ein Sensor auf dem Dach des Gebäudes misst Helligkeit und Farbtemperatur, die Daten werden auf die LED-Leuchten übertragen. Dabei können verschiedene Parameter individuell eingestellt werden, etwa der Helligkeits- oder Farbtemperaturbereich. Manueller Betrieb ist möglich, ebenso das Abrufen bestimmter Lichtstimmungen.
Atrium Tower, Berlin
Bei der umfassenden Modernisierung des Atrium Tower am Potsdamer Platz in Berlin (Architekt Renzo Piano) wollten Kardorff Ingenieure als Lichtplaner die Eingangsbereiche des Hochhauses mit Licht stärker betonen. Hierzu wurden große Lichtwände geplant, die über das Realtime Daylight System angesteuert werden. Die verglasten Eingänge erscheinen je nach Wetterlage unterschiedlich, das Sensorsystem misst Helligkeit und Farbtemperatur der Umgebung. Über die Programmierung wird ein Licht für die Glasflächen generiert, das sich in der Farbtemperatur erkennbar absetzt und der Außenhelligkeit standhält, sodass die Eingänge immer entsprechend hell wirken. »Unser Sensorkopf ist kuppelförmig konstruiert und kann mittels der 180°/ 360°-Bauform das Sonnenlicht erfassen. Er bildet das Licht dynamisch von 100 bis 100.000 Lux ab und ist daher auch gut für Außenanwendungen geeignet«, so Andreas Barthelmes.

Das Realtime Daylight System im Überblick
Das Sensorsystem ist sehr variabel einsetzbar. Es lässt sich in kleinerem Umfang z. B. auf Yachten nutzen, wenn die Lichtverhältnisse zwischen drinnen und draußen stark abweichen. Auch im Aufzug findet es Einsatz, um das Licht den Etagen anzupassen. Es eignet sich für die Gestaltung künstlicher Oberlichter oder Fenster und kann das Tageslicht in den Innenraum hinein »verlängern« (Gagosian Gallery).
Eine weitreichendere Nutzung zeigt sich beim Atrium Tower. Das Steuerungssystem besteht aus einem Mikrocontroller und einem Sensormodul, das Helligkeit und Farbwerte misst. Die Daten werden verarbeitet und als Steuersignal an Leuchten oder weitere Lichtsteuerungen weitergegeben. Der Sensor ist unabhängig von Temperatur und Richtung. Er kann das gestreute Himmelslicht und das direkte Sonnenlicht einfangen, so ergeben sich mehr Unterschiede in der Farbtemperatur, was dramatischere Effekte erlaubt. Als Echtzeit-Anwendung wird das System mit direkter DMX-Ausgabe verwendet, so ist eine schnelle Reaktion innerhalb von einer Sekunde gewährleistet. Je nach Anwendung, kann diese Zeit auch verlängert werden. »Mit unserem Sensorsystem erreichen wir eine aktivierende Wirkung durch eine subtile Dynamik. Das Licht soll subtil sein, aber auch etwas bewirken«, so Andreas Barthelmes.

Weitere Informationen:
Studio Barthelmes GmbH, Berlin, www.studiobarthelmes.com
Elmgreen & Dragset, Berlin, www.elmgreen-dragset.com
James Turrell, (USA), www.jamesturrell.com
Skyspace Lech, Lech am Arlberg (A), www.skyspace-lech.com
Olafur Eliasson, Berlin, www.olafureliasson.net
Die Lichtplaner (DLP), Büro Limburg, www.lichtplaner.com
PCK Raffinerie, Schwedt, www.pck.de
Lichtvision Design, Berlin, www.lichtvision.com
Fraunhofer Institut, Stuttgart, www.fraunhofer.de
Gagosian Gallery, London (UK), www.gagosian.com
DigitaLicht AG, Freigericht Bernbach, www.digitalicht.de
LightLife Gesellschaft für audiovisuelle Erlebnisse mbH, www.lightlife.de
Arup, London (UK), www.arup.com
Kardorff Ingenieure Lichtplanung, Berlin, www.kardorff.de
Autorin: Andrea Mende, freie Journalistin, Leipzig, www.glowmymind.com