Magazin
Licht 7 | 2022

Sieger ist das Klima

LiTG lobt erstmals Preis für nachhaltige Architekturbeleuchtung aus

Seit 20 Jahren gehört der Solar Decathlon zu den prestigeträchtigsten internationalen universitären Architektur- und Energietechnik-Wettbewerben. 2008 fand der erste Solar Decathlon Europe (SDE) statt. Beim SDE 21/22 war mit der Bergischen Universität Wuppertal –, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – nicht nur zum ersten Mal eine deutsche Hochschule Veranstalterin, im Zeitalter der zunehmenden Verstädterung lag der Fokus diesmal erstmalig auf der Entwicklung von Bestandsbauten. Premiere feierte auch der LiTG-Preis für nachhaltige Architekturbeleuchtung, der unter den 18 teilnehmenden Hochschulteams aus elf Nationen ausgelobt wurde.

Lesezeit: ca. 6 Minuten
Abb.: Der erste Preis ging an Team RoofKIT aus Karlsruhe, das auch den Gesamtsieg nach Hause holte. Die Karlsruher Studierenden unter Leitung von Prof. Dirk E. Hebel zeigten anhand des Café ADA in Wuppertal, wie sich bislang ungenutzte Dachflächen in den Städtebau einbeziehen lassen. SDE 21-22

Über den SDE 21/22

Unter dem Motto »Design – Build – Operate« entwickelten die Studierenden-Teams anhand real existierender Gebäude Konzepte, wie Menschen bei wachsendem Bedarf an städtischem Wohnraum und zunehmender Ressourcenverknappung nachhaltig und klimaschonend wohnen und leben können. Ziel war es, zur Energiewende in urbanen Quartieren und zu einem klimaneutralen Gebäudebestand beizutragen. Die ausgearbeiteten Konzepte wurden anschließend in reale Bauten umgesetzt, die auf dem Gelände der Universität Wuppertal ausgestellt wurden und öffentlich zugänglich waren. Am 24. Juni 2022 wurden die besten Konzepte ausgezeichnet. Den Gesamtsieg des SDE 20/21 sicherte sich Team RoofKIT aus Karlsruhe. Platz 2 ging an das Team VIRTU/e aus Eindhoven. Platz 3 erreichten Team AuRA aus Grenoble und Team SUM aus Delft. »Sieger ist das Klima«, betonte Dr. Patrick Graichen, Staatssekretär im BMWK, im Rahmen der Finalzeremonie: »Durch ihre innovativen Beiträge haben die Teams gezeigt, dass Klimaschutz gelingen kann, wenn wir uns den Herausforderungen gemeinsam stellen. Die praktische Umsetzung der gestellten Aufgaben zeigt uns innovative Möglichkeiten, wie wir die Stadt von Morgen gestalten können.«

Der LiTG-Preis für nachhaltige Architekturbeleuchtung

Insgesamt wurden zehn Wettbewerbspreise und elf Sonderpreise, darunter der LiTG-Preis für nachhaltige Architekturbeleuchtung, ausgelobt. Dieser Preis reiht sich ein in die Bestrebungen der LiTG, den Begriff Nachhaltigkeit für die Beleuchtung zu definieren und in die Praxis umzusetzen. Daher würdigt der LiTG-Nachhaltigkeitspreis innovative Lichtlösungen, die technische, gestalterische, energetische und soziale Aspekte vereinen. Besondere Beachtung schenkte die fünfköpfige Fachjury dem Einsatz von Tageslicht.

Die Jury

Drei Jurorinnen und zwei Juroren übernahmen die Bewertung der ausgestellten Bauten. Zur Jury gehörte die Architektin, Stadt- und Lichtplanerin Judith Groß, die aktuell die Bartenbach Academy leitet und dort lehrt. Auch Paula Longato, LiTG-Vorstandsmitglied, hat Architektur, Stadtplanung und Architectural Lighting Design studiert und leitet heute das Beleuchtungsteam für Europa bei BuroHappold Engineering. Prof. Dr.-Ing. Cornelia Moosmann, HAWK Hildesheim, hat ebenfalls Architektur studiert und ist Mitglied in vielen LiTG-Fachgremien. Sie legte im Rahmen ihrer 15-jährigen Planerinnentätigkeit besonderes Gewicht auf die Tages- und Kunstlichtplanung in nachhaltigen Gebäuden. Der Architekt Prof. Dr.-Ing. Thomas Römhild, Vorsitzender der LiTG, lehrt seit 1995 an der Hochschule Wismar und richtete dort 2001 den interdisziplinären englischsprachigen Masterstudiengang Architectural Lighting Design ein. Auch Thomas Schielke ist studierter Architekt. Er arbeitete u. a. als Trainer am DIAL und ist aktuell neben seiner Tätigkeit als Fachautor und Vortragsredner Trainer bei ERCO für Architekturbeleuchtung.

Die Bewertungskriterien

Die Jurierung erfolgte anhand eines ausgearbeiteten Katalogs verschiedenster Bewertungskriterien unter besonderer Berücksichtigung des Tageslichts. Bewertet wurden u. a. das architektonische Grundkonzept im Zusammenspiel mit Licht und die Gestaltung unter Berücksichtigung des Sonnenverlaufs. Beim Umgang mit natürlichem und künstlichen Licht achtete die Jury auf Aspekte wie Lichtqualitäten, Funktionalität und Gebrauchstauglichkeit, Blendschutz und Verschattungselemente, Einbindung in das Energiekonzept, Design- und Gestaltungsqualität, physiologische Aspekte, Lichtmanagement und Materialauswahl.

And the winner is …. Team RoofKIT

Im Rahmen einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung mit dem Bund Deutscher Innenarchitekten bdia am 25. Juni 2022 wurden die Gewinner-Teams bekannt gegeben.

Der erste Preis ging an Team RoofKIT aus Karlsruhe, das auch den Gesamtsieg nach Hause holte. Die Karlsruher Studierenden unter Leitung von Prof. Dirk E. Hebel zeigten anhand des Café ADA in Wuppertal, wie sich bislang ungenutzte Dachflächen in den Städtebau einbeziehen lassen. Ihr Konzept sieht die Nutzung von 100 % erneuerbaren Energien auf der Basis von Sonnenenergie und der Verwertung von organischen Abfällen sowie Abwässern zur Energie- und Wärmeerzeugung vor. Vorgefertigte Holzmodule machen den Bauprozess schneller und kosteneffizienter. Flexible Grundrisse und eine modulare Bauweise ermöglichen eine maximale Raumnutzung und flexible Anpassung an die Wünsche der Bewohnerinnen und Nutzer.

Abb.: Der Beitrag von Team RoofKIT überzeugte die Jury durch ein Tageslichtkonzept, das Fassade und Dach nutzt und so die Räume auch in der Raumtiefe sehr gleichmäßig ausleuchtet Screenshot Videoaufzeichnung Solar Decathlon

Der Beitrag von Team RoofKIT überzeugte die Jury durch ein Tageslichtkonzept, das Fassade und Dach nutzt und so die Räume auch in der Raumtiefe sehr gleichmäßig ausleuchtet: »Unerwünschter Lichteinfall wird durch eine feststehende Beschattung und zusätzlichen flexiblen Sonnenschutz reduziert. Ein besonderer Aspekt der Nachhaltigkeit ist die Wiederverwendung von Fenstern. Die Kunstlichtbeleuchtung zeichnet sich durch hohe Flexibilität aus. Die Allgemeinbeleuchtung wird durch indirekte Beleuchtung realisiert. Sie verteilt das Licht dank der hellen Wand- und Deckenflächen angenehm in den Räumen. Beleuchtung und Akustik gehen Hand in Hand. Die lineare Beleuchtung in Küche und Bad ist gut abgedunkelt und sorgt für Atmosphäre. Das Beleuchtungskonzept setzt Werte der Kreislaufwirtschaft um und kombiniert modernste LED-Technik mit innovativem, nutzerorientierten Lichtdesign.«

Platz 2 für Team coLLab aus Stuttgart

Das Stuttgarter Team entwickelte ein Aufstockungs- und Sanierungskonzept für Bau 5 des HFT-Campus in Stuttgart, um Raum für studentisches Wohnen zu schaffen. Grundlage des Entwurfs bildet ein Holzgitter, das auf die Bestandsstruktur aufgebracht wird.

Die Jury lobte: »Eine raffinierte zweite Hülle umgibt das Gebäude und lässt das Tageslicht mit der Architektur spielen. Rautenförmige PV-Elemente prägen einen lichtdurchfluteten Zwischenraum im oberen Bereich und Kletterpflanzen machen den unteren Bereich zu einer grünen Wand. Dieser Laubengang fasziniert durch sein Schattenspiel und bietet zusammen mit auskragenden Flächen einen ausreichenden Sonnenschutz. Das Außenbeleuchtungskonzept reduziert die Lichtverschmutzung auf ein Minimum. Die Innenbeleuchtung basiert auf einem System, bei dem alle Kabel auf die Oberfläche verlegt wurden, um Material und Platz für die Installationsebene einzusparen, flexibel auf neue Raumnutzungen und Anforderungen reagieren zu können und Wartungsarbeiten zu vereinfachen. Das DCTAPE-System, eine innovative Aufputzinstallation aus dünnem Leiterband aus Zink, das sich auf Decken und Wände kleben lässt, erlaubt den Nutzerinnen und Nutzern, Leuchten nach ihren individuellen Bedürfnissen flexibel in das DCTAPE einzustecken. Das Beleuchtungskonzept in der Küche und im Badezimmer orientiert sich am Tagesablauf der Nutzenden. Im Badezimmer lässt sich mit einer Lichtdecke eine einfach zu bedienende Lichtdusche erzeugen, die den Körper morgens vitalisiert und abends durch eine angepasste Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke zur Entspannung beiträgt.«

Abb.: Auf Platz 2 kam das Team coLLab aus Stuttgart. Sie entwickelten ein Aufstockungs- und Sanierungskonzept für Bau 5 des HFT-Campus in Stuttgart, um Raum für studentisches Wohnen zu schaffen. Screenshot Videoaufzeichnung Solar Decathlon

Platz 3 für Team levelup aus Rosenheim

Das Rosenheimer Team zeigte Sanierungsmaßnahmen und eine modulare, flexible Aufstockung in Holzleichtbauweise für ein Bestandsgebäude im Nürnberger Stadtteil Ludwigsfeld, das repräsentativ ist für eine Vielzahl an Gebäuden aus den 1950er bis 70er Jahren. Der Entwurf setzt auf vorgefertigte Module und sieht flexible Grundrisse vor.

Präzision und Innovation begeisterten die Jury: »Der Einsatz innovativer Materialien wie einer Kombination aus Vakuum- und Argonverglasung erlaubt die Realisation einer hohe Energieeffizienz mit guter Tageslichttransmission und einer gleichmäßigen Tageslichtversorgung sowie einem hervorragenden Blick nach außen durch eine hohe Glasfront im Wohnbereich. An die Nutzung angepasste Fenstergrößen und eine benutzerfreundliche Gebäudeautomation ermöglichen eine ausreichende Tageslichtversorgung. Eine adäquate und bedarfsgesteuerte Beschattung ermöglicht neben passiven solaren Gewinnen auch die Einsparung von Strom für die künstliche Beleuchtung. Pendelleuchten mit einstellbarer Lichtverteilung orientieren sich an den Sehaufgaben im Wohn-, Koch- und Essbereich. Um die Position für Einbau-, Aufbau- oder Pendelleuchten zu bestimmen, wurden verschiedene Grundrisse und Ausstattungsvarianten untersucht. An diesen Stellen wird eine selbst entwickelte Montagebox fest in die Decke integriert, die dann bei Bedarf von den Nutzeren aktiviert werden kann. Determinierendes Gestaltungselement im Außenraum ist die Lichtlinie, die sich über die Handläufe von Treppen und Rampen zieht sowie auf den umlaufenden Wänden zeigt. Im Bereich des Gewächshauses wird die Lichtlinie durch batteriebetriebene tragbare Leuchten zur individuellen Beleuchtung der Dachterrasse weitergeführt.«

Abb.: Team levelup aus Rosenheim kam mit ihrem Projekt auf Platz 3. Sie präsentierten Sanierungsmaßnahmen und eine Aufstockung in Holzleichtbauweise für ein Bestandsgebäude in Nürnberg. Screenshot Videoaufzeichnung Solar Decathlon
SDE 21-22

Weitere Informationen:

Text: Britta Hölzemann für die LiTG-Fachgremien

Fotos: SDE 21-22 und Aufnahmen aus der Aufzeichnung der Preisverleihung am 24. Juni 2022

Dieser Artikel ist erschienen in