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Licht 7 | 2022

Serie: Recht im Licht

Werbung mit Bewertungen – eine Rechtsprechungsübersicht

Über die Zulässigkeit und Fallstricke von Werbung mit Bewertungen hatte unser Autor Daniel Loschelder bereits in einem früheren Artikel berichtet. Das Thema ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren, weswegen dieser Beitrag eine Rechtsprechungsübersicht sowie einen Ausblick liefern soll.

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Abb.: Online-Händler müssen seit Mai 2022 informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen nur von Verbrauchern stammen, welche auch tatsächlich die bewerteten Produkte erworben haben. Black Salmon / shutterstock.com

1. Problemaufriss

Bewertungen von unterschiedlichen Bewertungsplattformen sind für die Kaufentscheidung oder die Entscheidung zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen eminent wichtig. Studien zeigen, dass die Relevanz von Bewertungen von Jahr zu Jahr zunimmt. Entsprechend groß ist der Anreiz von Unternehmen, Bewertungen durch Auslobung von Gegenleistungen zu erlangen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Rechtsstreitigkeiten um Bewertungen von Jahr zu Jahr zunehmen. In diesem Artikel sollen einige gerichtliche Entscheidungen genannt werden, um so eine Sensibilisierung für das Thema zu schaffen.

2. Zurechnung von irreführenden Bewertungen

Der BGH hatte mit Urteil vom 20. Februar 2020, Az. I ZR 193/18 darüber zu entscheiden, ob reale Kundenrezensionen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellen können. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt befanden sich unter dem Angebot der Beklagten auf der Handelsplattform Amazon Kundenrezensionen, die irreführende Produktangaben enthielten (nicht gesicherte Werbeaussagen zur Schmerzlinderung). Der BGH hat entschieden, dass diese Kundenbewertungen der Beklagten nicht zugerechnet werden können. Auch wenn der Begriff der Werbung weit auszulegen ist, hat die Beklagte mit den Kundenbewertungen nicht geworben. Für eine Werbung durch die Beklagte soll es darauf ankommen, ob diese es darauf angelegt hat mit den Bewertungen ihren Absatz zu fördern. Hierzu muss sich die Beklagte die Bewertungen zu eigen gemacht haben. Das soll nach BGH nur dann der Fall sein, wenn sie nach außen erkennbar eine inhaltliche Verantwortung dafür übernimmt oder den Anschein erweckt, dass sie sich mit diesen Bewertungen identifiziert. Das hat der BGH im vorliegenden Fall verneint. Ein solches Zueigenmachen kann dann nicht angenommen werden, wenn in der Produktbeschreibung nicht explizit auf diese Bewertungen Bezug genommen wird. Wer sich also Kundenbewertungen zu eigen macht, sollte unbedingt deren Inhalt auf irreführende oder falsche Tatsachen überprüfen, da er ansonsten für deren Inhalt haftet.

3. Bewertungen gegen Gutscheine

Das Landgericht Hildesheim hatte mit Urteil vom 28. Dezember 2021, Az. 11 O 12/21 über einen Fall zu entscheiden, in welchem ein Unternehmen seine Kunden angeschrieben und um die Abgabe einer »fairen und ehrlichen Bewertung« gebeten hat. Dabei wurden Gutscheine im Gegenwert von 50 € versprochen, wenn eine Bewertung über das Unternehmen abgegeben wird. Auf eine Klage der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Hildesheim entschieden, dass diese Mails an die Kunden irreführend und wettbewerbswidrig sind. Auch wenn nicht explizit nach einer positiven Bewertung gefragt wurde, ist die in Aussicht gestellte Entlohnung dazu geeignet, den Kunden dazu zu bewegen, eine positive Bewertung abzugeben. Hinzu kommt, dass der Kunde einen Screenshot von der abgegebenen Bewertung an das Unternehmen senden soll, um den Gutschein zu erhalten. Das Landgericht Hildesheim hat entschieden, dass der Unternehmer wettbewerbswidrig handelt, der mit einer solchen bezahlten Empfehlung wirbt.

4. Gewinnspiel nach Bewertung

Das OLG Frankfurt (Urteil vom 16. September 2019, Az. 6 U 14/19) hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem ein Unternehmer die Teilnahme an einem Gewinnspiel davon abhängig gemacht hat, dass der Nutzer die Seite des Unternehmers liken oder bewerten soll. Diese Bewertung wurde dann bei Facebook und bei Google veröffentlicht. Erst danach konnte der Nutzer an dem Gewinnspiel teilnehmen. Das OLG Frankfurt hat ausgeführt, dass die Bewertung zwar nicht gegen Geld erkauft wurde, die Bewertungen aber deshalb nicht frei abgegeben werden können, da diese zur Teilnahme an einem Gewinnspiel berechtigen. Ein großer Teil der Nutzer wird daher eine positive Bewertung abgeben in der Hoffnung, dass er eine Gewinnaussicht hat. Die Entscheidung des OLG Frankfurt zeigt, dass jegliche Beeinflussung bei der Abgabe von Kundenbewertungen ein Risiko darstellt und zu einer Abmahnung bzw. gerichtlichen Unterlassungsverfahren führen kann. Zwar hat grundsätzlich der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen; im vorliegenden Fall hat das OLG Frankfurt jedoch entschieden, dass zugunsten des Klägers ein Anscheinsbeweis besteht, der dahin geht, dass ein erheblicher Teil der Bewertungen nur deshalb abgegeben wurde, weil der jeweilige Bewerter hierzu durch das Gewinnspiel veranlasst wurde.

5. Kenntlichmachung bezahlter Rezensionen

Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil vom 9. Juni 2022, Az. 6 U 232/21 gegen Amazon entschieden. In dem Rechtsstreit lag der Sachverhalt zugrunde, dass Amazon bis zum Jahr 2021 ein ERP (Early Reviewer Programm) unterhalten hat, welches frühzeitige Bewertungen für Produkte fördern sollten, die bisher wenige oder keine Bewertungen erhalten hatte. Als Gegenleistung wurden geringwertige Gutscheine ausgelobt. Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Amazon wettbewerbswidrig handelt, wenn es nicht kenntlich macht, dass diese »bezahlten« Bewertungen in das Gesamtergebnis der Produktbewertungen einfließen. Das OLG Frankfurt hat klargestellt, dass Verkäufer, welche von diesen Bewertungen profitieren, nicht selbst haften, sofern sie sich diese Bewertungen nicht zu eigen machen. Diese Entscheidung zeigt, dass bezahlte Bewertungen nicht grundsätzlich wettbewerbswidrig sind. Es muss jedoch deutlich herausgestellt werden, dass die Bewertungen gegen eine Gegenleistung abgegeben wurden.

6. Neue Informationspflichten

Seit dem 28. Mai 2022 existiert gem. § 5b Absatz 3 UWG eine neue Informationspflicht für Online-Händler, die Produktbewertungen von ihren Kunden (Verbrauchern) auf ihrer Website anzeigen. Händler müssen nun darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen nur von Verbrauchern stammen, welche auch tatsächlich die bewerteten Produkte erworben haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass nur noch verifizierte Kundenbewertungen zugänglich gemacht werden dürfen. Dies wäre auch schwerlich umsetzbar. Verpflichtet sind demnach Betreiber eines Onlineshops oder einer eigenen Homepage, auf denen Verbraucherbewertungen selbst direkt dargestellt werden. Nicht betroffen sind Verkäufer auf Handelsplattformen. Die Informationspflicht besagt, dass Händler, die Bewertungen von Verbrauchern anzeigen, in einem ersten Schritt offen legen müssen, ob sie Maßnahmen ergreifen, die zur Sicherstellung der Authentizität abgegebener Bewertungen führen. Die Bewertungen dürfen also nur von Verbrauchern abgegeben werden, die das bewertete Produkt auch tatsächlich gekauft haben. In einem weiteren Schritt ist dann darzulegen, welche Prozesse und Verfahren der Händler zur Prüfung der Echtheit anwendet. Dabei gilt die Informationspflicht nicht nur für neue, sondern auch für Bestandsbewertungen. Sehr problematisch ist die Nutzung eines externen Bewertungssystems, welches auf der eigenen Website implementiert ist. Denn auch hier ist der Seitenbetreiber verpflichtet, entsprechend aufzuklären. Da das Wertungssystem jedoch extern ist, fehlen die notwendigen Informationen dazu, welche nur der Betreiber des Bewertungssystems kennt. Der Händler ist also darauf angewiesen, dass das Bewertungssystem entsprechende Maßnahmen durchführt, um die Echtheit der Kunden zu überprüfen.

7. Fazit

Die Einführung der Informationspflichten in das UWG zeigt die große Bedeutung von Kundenrezensionen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Informationen in der Praxis umgesetzt werden und die Gerichte diese Umsetzung bewerten. Es ist aber davon auszugehen, dass klagebefugte Verbände wie die Wettbewerbszentrale auf die Einhaltung dieser Informationspflichten dringen und entsprechende Gerichtsverfahren einleiten werden. Ein wichtiges Thema vor deutschen Gerichten wird nach wie vor die Werbung mit Fake-Bewertungen spielen, da es immer leichter wird, sich solche Bewertungen gegen Entgelt zu verschaffen. Handelt ein Marktteilnehmer unlauter, kann er mit Abmahnungen, einstweiliger Verfügung und Unterlassungsklage wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen werden.

Weitere Informationen:

Autor: Daniel Loschelder, Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, LoschelderLeisenberg Rechtsanwälte München, www.LL-ip.com

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