»Nichts ist zufällig«
Während des Kopenhagener Festivals »3daysofdesign« im Juni 2022 stellte Designer Michael Anastassiades zwei neue Leuchtenkollektionen vor: »Relay« und »ta-ke«. Beide Entwürfe zeigen die für ihn charakteristische Handschrift: ein stilsicheres Reduzieren auf das Wesentliche. Im Interview mit LICHT-Redakteurin Andrea Mende gewährte er Einblicke in sein kreatives Schaffen.

Michael Anastassiades lebt in London, wo er 1994 sein Studio gründete. Der Designer entwirft Leuchten, Objekte und Möbel, wobei die Auswahl der Materialien und deren sorgfältige Verarbeitung elementar sind. Er arbeitet für verschiedene Hersteller, darunter Flos, B&B Italia, Cassina und Bang & Olufsen. Mit dem Start seines eigenen Labels im Jahr 2007 hat er sich eine Plattform geschaffen, um eigene Projekte kompromisslos zu realisieren. Das erste Design seiner eigenen Kollektion, der »Tube Chandelier«, inspirierte ihn dazu, eine maßgeschneiderte LED-Röhre zu entwickeln, auf der Suche nach dem perfekten Ersatz für die alte Lampe, auf der das ursprüngliche Design basierte. Ihre Entwicklung hat zwei Jahre gedauert. Sie steht nun im Mittelpunkt seiner neuen Entwürfe »Relay« und »ta-ke«. Die Stehleuchten erhalten ihre klare Präsenz durch eine einfache, vertikale Lichtlinie. Die Objekte bestehen aus zwei Hauptkomponenten: »Relay« basiert auf einem Marmorsockel mit einer LED-Röhre, die elegant über Magnete verbunden sind. »ta-ke« vereint das lineare Licht mit Bambus.
LICHT: Sie haben den Kopenhagener Event »3daysofdesign« für den Launch Ihrer neuen Leuchtenentwürfe »Relay« und »ta-ke« ausgewählt. Warum Kopenhagen?
Michael Anastassiades: Mailand kann ein wirklich überwältigendes Umfeld sein, in dem jeder nach Aufmerksamkeit strebt. Kopenhagen zu wählen war für einen ruhigeren, konzentrierteren Start sehr sinnvoll.
LICHT: Anker & Co. hat Sie zu dieser Präsentation eingeladen. Was ist das Besondere daran bei solch einem ersten Kontakt mit neuen Leuchten?
Michael Anastassiades: Wenn Sie ein Objekt der Öffentlichkeit zugänglich machen, ist dies der erste Moment, in dem Sie es wirklich erleben – seinen Umfang, seine Proportionen, sein Leuchten. Die wahren Qualitäten dieses Objekts liegen in Ihrem Verständnis dessen, was es ausmacht. Ist es einladend, fühlt es sich vertraut oder bedrohlich an. Es ist sehr wichtig, wie sehr Sie sich von ihm eingeschüchtert fühlen, wenn Sie es sehen.




LICHT: Was bedeutet das übertragen auf »Relay« und »ta-ke«?
Michael Anastassiades: Das Design ist so reduziert, dass es nichts mehr zu entfernen gibt. Im Fall von »Relay« sind es der Marmor und die Lampe. Diese beiden Elemente benötigen nicht mehr. Der Fokus liegt also auf der Qualität der Beleuchtung und der Ausführung. Das ist es, was dem Produkt seine Stärke verleiht. Im Fall von»ta-ke« geht es um die Poesie, die entsteht – zwischen den geschnittenen, natürlichen Bambusstücken und der Art und Weise, wie sie sich durch das lineare Leuchtmittel wiederholen.
»Das Design ist so reduziert, dass es nichts mehr zu entfernen gibt.«
LICHT: Wie haben Sie für »Relay« und »ta-ke« die idealen Proportionen gefunden?
Michael Anastassiades: Der Ausgangspunkt eines Lichtobjekts ist das Leuchten und die Qualität der Beleuchtung. Das Leuchtmittel wurde zwei Jahre lang entwickelt, um eine gleichmäßige Rundum-Beleuchtung zu erreichen, die vollständig dimmbar und warm ist. Es ist in einer Länge von 1 Meter und 1,6 Meter erhältlich. Die idealen Proportionen für die verschiedenen Stehleuchten wurden über die perfekte Balance mit den anderen, hinzugefügten Elementen entschieden. Das Ziel war es, einladende und nicht einschüchternde Objekte zu schaffen.
LICHT: Die Leuchten sind bewusst fast alle einen Meter lang?
Michael Anastassiades: Ich war schon immer fasziniert von dem Sinn für Maße, und der Meter-Bezug ist ein guter Ausgangspunkt. Von da an geht es darum, wie man diese Lampe mit dem Rest der Leuchte in Beziehung setzt. Im Fall von »ta-ke« muss man den Bambus auswählen, der dem Durchmesser der Lampe selbst entspricht. Es ist fast wie ein Prozess der Kombination dieser Elemente und wie man sie in die richtige Komposition bringt. Alles wird aus einem bestimmten Grund entschieden. Nichts ist zufällig.

»Der Ausgangspunkt eines Lichtobjekts ist das Leuchten und die Qualität der Beleuchtung«
LICHT: Wann haben Sie das Gefühl, das Objekt ist ausgewogen?
Michael Anastassiades: Der ultimative Test ist der Moment der Konfrontation, wenn Sie neben der Leuchte stehen oder sitzen. Das ist der Moment, in dem Sie spüren, dass die Dinge richtig sind.
LICHT: Sie haben bisher mit Stein, Glas oder Metall gearbeitet. Wie kamen Sie darauf, für »ta-ke« Bambus zu verwenden?
Michael Anastassiades: Die Faszination für Bambus begann vor ein paar Jahren mit der Einladung zur Ausstellung »Cheerfully optimistic about the future«, die vom ICA in Mailand organisiert wurde. Die Idee war, eine Serie von Leuchten zu kreieren, ohne irgendwelche industriellen Prozesse zu verwenden. So fühlte sich die Idee, einfach geschnittenen Bambus zu verwenden, richtig an. Die Leuchten wurden von uns im Studio entwickelt.
LICHT: Die Ausstellung begann im September 2021 in Mailand, also während der Pandemie?
Michael Anastassiades: Ja, wir haben den Bambus online bestellt und dann diese ganze Sprache entwickelt, wie man die Leuchten zusammensetzt. Die Lampen waren bereits in der Entwicklung und sie sind das einzige technische Element der Leuchte. Der Gedanke hinter »ta-ke«« war, eine einfachere Leuchte zu entwickeln, die eine unbegrenzte Version des Originals werden könnte, das wir in Mailand gezeigt haben. Das vereinfachte Design behält die Poesie der Originalversion bei und bietet eine leichter zugängliche Option.
LICHT: Hinter der großen Schlichtheit verbirgt sich sicher ein hoher Aufwand?
Michael Anastassiades: Nimmt man »Mobile Chandelier« als Beispiel, so handelt es sich um ein hochentwickeltes Designobjekt. Er mag sehr einfach erscheinen, aber es ist sehr schwierig herzustellen. Es gibt etwa 80 verschiedene Komponenten, aus denen sich ein Stück zusammensetzt. Dabei sieht es aus wie eine einfache Komposition, die aus nur wenigen Elementen besteht. Erst wenn man das Objekt in einem Raum erlebt, erkennt man seine Magie.
LICHT: Herr Anastassiades, vielen Dank für das Gespräch.
»Erst wenn man das Objekt in einem Raum erlebt, erkennt man seine Magie.«


Weitere Informationen:
Michael Anastassadies, London (UK), www.michaelanastassiades.com, www.studiomichaelanastassiades.com
3daysofdesign, Kopenhagen (DK), www.3daysofdesign.dk
Fondazione ICA Milano, Mailand (I), www.icamilano.it/en
Text und Interview: Andrea Mende, freie Redakteurin, www.glowmymind.com