Planung
Licht 7 | 2021

Neues Licht für Deutschlands ersten Commercial Court

Maßgeschneiderte Lösung für digitalisierte Verhandlungssäle

Ende 2020 hat der erste Commercial Court in Deutschland seine Arbeit aufgenommen. An den beiden Standorten Stuttgart und Mannheim können seitdem nationale und internationale Wirtschaftsstreitigkeiten verhandelt werden. Für die medientechnisch ausgerüsteten Verhandlungssäle in der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt hat das international agierende Lichtplanungsbüro Studio DL optimale Beleuchtungssituationen konzipiert. Das integrative Lichtdesign vermeidet Blendungen an Bildschirmen und unterstützt die Aufrechterhaltung der Konzentration insbesondere bei Verhandlungen über Videokonferenz.

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Abb.: Ziel des neuen Beleuchtungsdesigns im neuen Commercial Court ist es, den Richterinnen und Richtern ein hervorragendes Arbeitsumfeld bei gleichzeitiger Unterstützung der Architektursprache zu bieten. Juliane Eirich

Die Verhandlungsräume des Stuttgart Commercial Court befinden sich im vierten Stock eines Neubaus des Campus Fasanenhof, verkehrsgünstig gelegen in der Nähe des Stuttgarter Flughafens. Errichtet in CO₂-reduzierter Bauweise und zertifiziert nach DGNB in Gold, besticht der Innenraum durch eine moderne und qualitativ hochwertige Ausstattung, die bei der Beleuchtung neue Wege geht.

Law made in Germany

Die neu eingerichteten Zivilkammern seien die Antwort auf die Frage, wie in Zukunft komplexe wirtschaftliche Rechtsstreitigkeiten auf fachlich höchstem Niveau schnell und effizient einer Lösung zugeführt würden, sagte der damalige Baden-Württembergische Justizminister Guido Wolf anlässlich der Eröffnung im Herbst 2020 in Stuttgart. »Der Commercial Court ist konkret auf die Besonderheiten und Bedürfnisse großer, auch internationaler Wirtschaftsstreitverfahren zugeschnitten«, erklärte Wolf weiter. Ähnliche Angebote gibt es in Paris, Amsterdam und Singapur. Die deutsche Zivilgerichtsbarkeit »Law Made in Germany« genieße nicht zuletzt wegen der Neutralität ihrer sehr gut ausgebildeten Richterinnen und Richter einen hervorragenden Ruf, ergänzte Marjoke Breuning, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK). Bei den neuen Kammern sollen große Wirtschaftsstreitverfahren, insbesondere erstinstanzliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensanteilen, erstinstanzliche Streitigkeiten über beiderseitige Handelsgeschäfte mit einem Streitwert ab 2 Millionen Euro bei Eingang der Klage sowie erstinstanzliche gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten verhandelt werden. Die Kammern für Handelssachen sind zudem für weitere Verfahren wie aktienrechtliche Streitigkeiten zuständig.

Abb.: Eine abgesetzte Indirektbeleuchtung in der Decke trägt zur Höhenwirkung des Sitzungsraumes bei. Akzente setzen jeweils zwei Pendelleuchten »Avveni«. Juliane Eirich
Abb.: Die Lichtgestaltung setzt sich in den öffentlichen Bereichen stringent fort. Im Foyer fügen sich die ringförmigen Leuchten »Girata« in die Architektursprache ein. Juliane Eirich

Beleuchtung in digitalisierten Verhandlungssälen

Der Stuttgart Commercial Court besticht durch eine maßgeschneiderte Personal- und Sachausstattung für eine bestmögliche Verhandlung von großen wirtschaftsrechtlichen Gerichtsverfahren. Aufgrund der gesicherten, modernen digitalen Infrastruktur lassen sich komplexe Fälle nicht nur vor Ort, sondern bei Bedarf ebenso per Videokonferenz verhandeln. Eine essenzielle Arbeitsgrundlage hierfür stellt die optimale Beleuchtung der Räumlichkeiten dar. Im Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung des Gerichtswesens gewinnt die Beleuchtung zunehmend an Bedeutung. »Themen wie Entblendung und die damit verbundene, optimale Ablesbarkeit von Bildschirminhalten sind Kernpunkte für das Lighting Design in den Verhandlungssälen von morgen«, erklärt Lichtdesigner Johannes Käppler, der für Studio DL den Stuttgart Commercial Court als Projektleiter betreute. »Im neuen Commercial Court ging es konkret um eine sehr gute Entblendung der Beleuchtung bei gleichzeitig attraktivem und ermüdungsfreiem Ambiente in den Verhandlungsräumen.«

Integratives Beleuchtungsdesign

Das Ziel des Beleuchtungsdesigns von Studio DL ist es, den Richterinnen und Richtern ein hervorragendes Arbeitsumfeld bei gleichzeitiger Unterstützung der Architektursprache zu bieten. Die Beleuchtungsinstallation in den Verhandlungssälen im Stuttgart Commercial Court drängt sich bewusst nicht in den Vordergrund, sondern setzt sich integral zurück, um den Fokus auf der Verhandlung zu belassen. Die Leuchtkörper der indirekten Raumbeleuchtung treten nicht in Erscheinung, sondern verschwimmen mit dem Innenausbau. Übrig bleibt die raumerhellende Wirkung des Lichts, das die Räume größer und freundlicher erscheinen lässt. Dies trägt zur Kontrastreduzierung im Raum bei und hilft den Nutzern die Konzentration länger aufrecht zu erhalten, welche bei großen Helligkeitsunterschieden im Raum ansonsten gestört würde. In Kombination mit blendfreien Beleuchtungsmerkmalen lassen sich so auch lange Sitzungen ermüdungsfrei abhalten. Eine ausgeklügelte Programmierung passt die Innenbeleuchtung kontinuierlich den Tageslichtverhältnissen an und schafft stets optimierte Lichtverhältnisse. Zugleich sorgt sie für eine Minimierung des Energieverbrauchs. Die Ausbildung einer abgesetzten Indirektbeleuchtung in der Decke trägt zur größeren Höhenwirkung des Raumes und zu einem angenehmen Ambiente bei. Durch Einbringen zusätzlicher dekorativer Leuchten wird das integrale Design bewusst gebrochen, um Spannung im Raumdesign zu erzeugen und den werthaltigen Charakter der Innenräume weiter zu fördern. Die Lichtgestaltung setzt sich in den weiteren öffentlichen Bereichen stringent fort und bleibt auf einem qualitativ hohen Level. Hierbei treten sämtliche Lichtelemente als allumfassend durchdachte Einheit auf. Der Stuttgart Commercial Court erhält dadurch eine innovative Beleuchtung, die vollumfänglich an die gehobenen Anforderungen der Digitalisierung im Rechtswesen angepasst ist.

Weiteres Pilotprojekt am Arbeitsgericht Stuttgart

Parallel zum Stuttgart Commercial Court entwickelt Studio DL am Arbeitsgericht Stuttgart ein Pilotprojekt zur blendfreien Beleuchtung in den Verhandlungssälen im Rahmen der neu eingeführten elektronischen Gerichtsakte. Die Digitalisierung stellt die Gerichte vor neue Herausforderungen. Damit die Monitore auf der Richterbank nicht zur optischen Barriere zwischen dem Gericht, den Prozessbeteiligten und dem Zuschauendenraum werden, liegen diese flach auf dem Tisch auf (Winkel von 0° bis 15°).

Herkömmliche Spiegelrasterleuchten können jedoch eine Reflexblendung auf dem Display erzeugen und die elektronische Akte unleserlich machen. Unter diesen Vorgaben entwickelt Studio DL aktuell für das Arbeitsgericht Stuttgart ein Referenzdesign und zusammen mit einem Leuchtenhersteller ein sehr flexibles Leuchtensystem. Dieses wird blendfreie LED-Module für die Allgemeinbeleuchtung, Wallwasher zur Kontrastminimierung im Raum sowie Richtstrahler zur Akzentuierung des Landeswappens im Verhandlungssaal aufnehmen können. Das System wird variabel auf unterschiedlich dimensionierte Räume reagieren können und ist auch für Bestandsbauten geeignet. Beide Projekte sind erfolgreiche Pilotprojekte zur optimalen Beleuchtung der Verhandlungssäle und der damit verbundenen elektronischen Gerichtsakte.

Abb.: Höchste Priorität hat eine sehr gute Entblendung der Beleuchtung bei gleichzeitig attraktivem und ermüdungsfreiem Ambiente in den Verhandlungsräumen. Juliane Eirich
Abb.: Sondergefertigte Pendelleuchte für die Richtersäle im Arbeitsgericht zur blendfreien Beleuchtung des Raumes, insbesondere der Richtertische ohne störende Reflexionen im Tablet des Richters. Die Leuchte nimmt verschiedene Lichtmodule auf, die zu unterschiedlichen Zwecken bestimmt sind. Oben: Allgemeinaufhellung durch nach unten strahlendes, entblendetes Modul. Mitte: Die Strahlermodule akzentuieren das Landeswappen Baden-Württembergs. Unten: Indirekte Aufhellung der Deckenflächen über zusätzliches Modul oben im Profil. Studio DL
Studio DL
Studio DL

Weitere Informationen:

Fertigstellung: November 2020

Bauherr: Land Baden-Württemberg vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg Amt Stuttgart

Nutzer: Stuttgart Commercial Court, Oberlandesgericht Stuttgart, Landgericht Stuttgart

Gestalterische Konzeption: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart

Projektentwicklung: Indigo Invest Holding GmbH & Co. KG, www.indigo-invest.de

Generalunternehmung: Goldbeck Süd GmbH; Niederlassung Stuttgart, www.goldbeck.de

Lichtplanung: Studio DL, Hannover – Stuttgart – Amsterdam – Warschau, www.studiodl.com

Leuchten: bluleu, www.blueleu.de; Erco, www.erco.com; iGuzzini, www.iguzzini.com; Sattler, www.sattler-lighting.com

Fotos: Juliane Eirich / Skizzen: Studio DL

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