Mehraufwand oder Entlastung?
Zum 01.01.2022 tritt das neue ElektroG3 in Kraft. Dieses beinhaltet etliche Neuerungen, die die Rückgabe und Rücknahme von Herstellern und Vertreibern bei Elektro- und Elektronikaltgeräten regelt. Als beliehene Stelle hat die Stiftung Elektro-Altgeräte Register einige dieser neuen Regelungen gegenüber Herstellern und Vertreibern umzusetzen. Lightcycle unterstützt als Hersteller-Rücknahmesystem Hersteller und Händler bei der operativen Sammlung, Transport, Recycling, Kommunikation sowie den Mitteilungspflichten. Die LICHT-Redaktion spricht über die neuen Anforderungen mit dem Vorstand der Stiftung ear, Alexander Goldberg, und mit Stephan Riemann, Geschäftsführer der Lightcycle Retourlogistik und Service GmbH.

LICHT: Welches Ziel verfolgt die Novellierung des ElektroG?
Alexander Goldberg: Mit der Novellierung des ElektroG verfolgt der Gesetzgeber mehrere Ziele. So soll insbesondere die Quantität und die Qualität der Sammlung von Elektro-Altgeräten deutlich verbessert werden. Weitere Ziele sind, eine rechtliche Handhabe gegen Drittland-Trittbrettfahrer zu etablieren und die Vorbereitung zur Wiederverwendung im Rahmen einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu stärken.
LICHT: Was sind die wichtigsten Änderungen für Hersteller?
AG: Dazu zählen insbesondere die bereits ab 01.01.2022 bestehende Pflicht für neue B2B-Hersteller, je Geräteart ihrem Registrierungsantrag ein Rücknahmekonzept beizufügen und ihre B2B-Rücknahme zu organisieren. Bereits vor dem 01.01.2022 registrierte B2B-Hersteller erhalten hierzu eine Übergangsfrist bis zum 30.06.2022. Des Weiteren müssen verpflichtend ab dem 01.01.2023 auch alle B2B-Geräte mit der durchgestrichenen Mülltonne gekennzeichnet werden.

LICHT: Und welche Änderungen betreffen zum Beispiel Händler?
Stephan Riemann: Die Rücknahmepflicht von Elektrogeräten im Handel wird auf Lebensmitteleinzelhändler mit einer Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 m2 erweitert, die mehrmals im Jahr oder dauerhaft Elektrogeräte verkaufen. Händler, die der Rücknahmepflicht unterliegen, müssen nach der Absicht des Kunden fragen, bei der Auslieferung eines neuen Gerätes ein Altgerät zurückzugeben.
LICHT: Wie müssen Hersteller ihre Produkte künftig gestalten?
SR: Elektro- und Elektronikgeräte, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkus betrieben werden können, sind möglichst so zu gestalten, dass Altbatterien und Altakkus durch Endnutzer problemlos und zerstörungsfrei entnommen werden können. Ist dies nicht möglich, sind diese so zu gestalten, dass die Altbatterien und Altakkus problemlos und zerstörungsfrei und mit handelsüblichem Werkzeug durch vom Hersteller unabhängiges Fachpersonal entnommen werden können. Ausnahmen sind nur aus medizinischen Gründen, der Sicherheit, der Leistung oder des Datenerhalts möglich.

LICHT: Jeder Hersteller wird verpflichtet, ein Rücknahmekonzept vorzulegen. Welche Angaben muss es beinhalten?
AG: Dazu sind Angaben zu den eingerichteten Rückgabemöglichkeiten nach § 19 Abs. 1 S. 1 ElektroG in einem Freitextfeld im ear-Portal notwendig. Wenn ein Dritter beauftragt wird, sind dessen Name, Straße und Hausnummer, Postleitzahl und Ort anzugeben. Darüber hinaus ist die Zugriffsmöglichkeit der Endnutzer auf die Rückgabemöglichkeit mit Kontaktdaten, bei denen die Rückgabe angemeldet werden kann, mitzuteilen, das sind Unternehmensnamen, Ansprechpartner, Telefonnummer und E-Mailadresse. Diese Angaben sind vergleichbar mit der Erklärung beim Inverkehrbringen von Fahrzeug- und Industriebatterien im BattG. Das Rücknahmekonzept im Rahmen des ElektroG3 wird nicht veröffentlicht.
LICHT: Welche Pflichten kommen auf elektronische Marktplätze zu?
AG: Bei der Überprüfung der Compliance ihrer Kunden müssen Online-Plattformen zwingend unterscheiden, ob ihre Kunden Geräte von bereits in Deutschland dafür registrierten Herstellern weiterverkaufen oder ob ihre Kunden Geräte erstmals in Deutschland in Verkehr bringen, weil dafür noch kein Hersteller in Deutschland registriert ist. Diese Unterscheidung ist nicht schwierig, aber essentiell, um unnötige doppelte Registrierungen und damit auch doppelte Mengenmeldungen zu vermeiden und die Erfüllung der Sammelquote nicht weiter zu erschweren.
Die Prüfpflicht für Online-Plattformen hinsichtlich der Compliance ihrer Kunden wird den Wettbewerb in Deutschland wieder fairer ausgestalten. Wir stellen bereits heute eine gewisse Vorwirkung der erst ab 01.01.2023 geltenden Vorschriften fest, was sich in den aktuellen Bevollmächtigtenbenennungen und -registrierungen widerspiegelt, aber auch in den Registrierungen von Online-Plattformen selbst.
LICHT: Welche Vorteile versprechen Sie sich durch die Novelle in Bezug auf das fachgerechte Recycling?
SR: Mit dem ElektroG 3 trat auch eine neu geschaffene Behandlungsverordnung in Kraft. Diese definiert Anforderungen für das Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten. Unseres Erachtens liegen die Herausforderungen im Kunststoffrecycling, das vielfach nicht möglich ist, da es sich um Mischkunststoffe handelt, sowie in der Steigerung der Rückgabemenge und deren optimierte Erfassung.
LICHT: Werden Unternehmen bürokratisch entlastet?
AG: Der Gesetzgeber hat an vielen Stellen bürokratische Erleichterungen geschaffen, um die Sammelmengen zu steigern und den Aufwand für die Stakeholder zu reduzieren. Hierzu zählen insbesondere die vereinfachte Anrechnung von sogenannten mittelbaren Exporten durch die Einführung einer Fiktion beim Re-Import von Elektrogeräten oder das Entfallen einer Mengen-Mitteilungspflicht für Vertreiber, wenn diese ihre gesammelten Elektro-Altgeräte an örE (Anm. d. Red.: öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger), Hersteller/Bevollmächtigte oder Eigenrücknahmesysteme übergeben. Auch der Wegfall der Anzeigepflicht von Rücknahmestellen für Hersteller/Bevollmächtigte, Eigenrücknahmesysteme und Vertreiber verringert deren Aufwand deutlich. Eine weitere Vereinfachung ist die einheitliche Kennzeichnungspflicht mit der durchgestrichenen Mülltonne für B2C- und nun auch für B2B-Geräte.
LICHT: Wie sehen Sie die Entwicklung der Rücknahmemenge in den nächsten Jahren?
SR: Das neue ElektroG bietet einige Ansätze, die in die richtige Richtung gehen, aber nicht ausreichen. Deshalb rechne ich mit einer Steigerung der Rücknahmemenge, die aber bei weitem nicht ausreicht, die EU-Ziele zu erreichen.
LICHT: Sehen Sie noch Nachbesserungsbedarf in der Novelle?
SR: Mit mehr Konsequenz und mehr Fokus auf Rücknahme steigernde Maßnahmen könnten wir weiter sein. Bei Lightcycle erreichen wir für Altlampen die EU-Ziele, insbesondere durch unsere flächendeckenden verbrauchernahen Rückgabemöglichkeiten ergänzend zu den kommunalen Sammelstellen und aktiver Aufklärung über die richtige Entsorgung.
LICHT: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Emre Onur, LICHT.


Weitere Informationen:
Stiftung ear, www.stiftung-ear.de
E-Schrott einfach & richtig entsorgen: www.e-schrott-entsorgen.org
Lightcycle Retourlogistik und Service GmbH, www.lightcycle.de