Wissenschaft & Forschung
Licht 6 | 2019

Mass Personalization & Lighting – eine neue Welt, die es zu besiedeln gilt!

Artikelserie über die Potenziale der Massenpersonalisierung für die Leuchtenbranche, Teil 3 – Personalisierung in der Planung

Die voherigen Beiträge der Serie haben die Welt der Massenpersonalisierung mit ihren vier Kontinenten Marketing & Sales, Forschung & Entwicklung, Produktion und Planung vorgestellt und die Potenziale der Personalisierung in der Produktnutzung beschrieben. Dieser Artikel fokussiert nun auf die Planung und berichtet über den vergangenen Workshop zum Thema.

Lesezeit: ca. 5 Minuten

Ausschöpfen der Möglichkeiten

Schon heute kann man in der Planung und Beratung mit neu verfügbaren Technologien den Kunden intensiv einbeziehen und langsam beginnen, in der einen oder anderen Form auch innovative Methoden zu etablieren. Nachdem die vergangenen industriellen Revolutionen den Kunden immer weiter von den Herstellern entfernt haben, bietet die Digitale Transformation das Potenzial, eine neue, und nicht mehr gekannte Nähe zum Kunden aufzubauen. Ähnlich verhält es sich mit der Nachhaltigkeit, welche unter aktuellen Einflüssen wie »Fridays for Future« eine Renaissance erlebt. Mithilfe der fortschreitenden Informationsverarbeitungssysteme können Hersteller immer zielführender entwickeln und produzieren, und damit Verschwendung reduzieren und Ressourcen schonen. Dazu werden die Customer Journeys vom Marketing und Business Development immer genauer beschrieben, eine permanente und synchronisierte Kommunikation auf allen Kanälen (Verschmelzung von On- und Offline) aufgebaut und vor allem individuelle und emotionale Wege zur Planung und Beratung eingesetzt.

Abb.: Die Welt der Massenpersonalisierung mit den vier zusammenhängenden »Kontinenten« Marketing & Sales, Forschung & Entwicklung, Produktion und Planung. Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart

Neue Werkzeuge wie Social Media, Apps oder Programme auf der Softwareseite, wie auch mobile Endgeräte, Tablets, Wearables bis zur VR-Brille oder Projektoren auf der Hardwareseite, ermöglichen es dem Nutzer, seinen Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen und Missverständnisse zu vermeiden. Schon ein falscher Farbcode in einer beschreibenden Artikelnummer führt zu horrendem Aufwand, Zeitverlust und Kosten und zeigt auf, wie bereits einfachste Aufgaben nutzerzentriert gedacht werden können. Aufwände zu reduzieren und Kunden zufriedenzustellen oder gar zu begeistern ist das Ziel von Massenpersonalisierung in der Planung und Beratung. Wenn die ERP-Landschaft es aber nicht ermöglicht, eine Bildpreisliste oder bebilderte Angebote zu erstellen, oder eben auch gar nicht alle Produkte in allen Farben darstellbar sind, weil man diese immer noch nicht im CAD visualisiert, dann wird man es in den nächsten Jahren immer schwerer haben. Die Kunden werden aus anderen Lebensbereichen genau diese Mehrwerte gewohnt sein. Die Nutzer konfigurieren sich heute bereits sehr komplexe technische Geräte auf Websites oder in Apps, die Hersteller können im Gegenzug auf die Daten zurückgreifen, welche Entscheidungen die Kunden in ihren Konfigurationen rückgängig gemacht oder erst gar nicht ausprobiert haben. Dies gibt Rückschlüsse für weitere Innovationen und führt so zu einem immer feineren Prozess. Das Resultat: eine höhere Zufriedenheit beim Kunden und effizientere Herstellungsmöglichkeiten und Dienstleistungen.

Genau das erklärte nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellungsrunde durch Jan de Boer auch Daniel Neves Pimenta am 25.06.2019 beim dritten Workshop zum Thema MASS PERSONALIZATION & LIGHTING unter dem Schwerpunkt Potenziale in der Planung, zu dem das Fraunhofer IBP Interessierte aus der Lichtbranche nach Stuttgart eingeladen hatte. Die Gruppe, die aus Designern, Konstrukteuren, Produktmanagern und Vertriebsexperten unterschiedlicher Hersteller bestand, harmonierte und war sich schnell einig, dass die digitale Transformation noch so manche Herausforderung für die Branche bereithält.

Automatisierte Stadtplanung

Einen Einblick in die Beleuchtungsplanung von Städten und die Potenziale der Nutzung von Stadtmodelldaten gewährte Philip Lentz, COO des Lichtplanungsbüros StudioDL. In einem Kooperationsprojekt mit der TU Berlin und der HAWK untersuchen sie unter dem Titel »der intelligente Lichtraum« die Veränderung des Lichtbildes der Städte durch die Digitalisierung. Gemeinsam entwickeln sie eine Plattform, welche eine digitale Kette von der Analyse des Stadtraumes (Verkehrsdaten, Normen, 3D-Modelle) über unterschiedliche Optiken und Lichtverteilungen bis zur automatisierten Leuchtenkonfiguration, Angebotserstellung, Produktion und Lieferung berücksichtigt. Die Ziele, die Lichtqualität in den Städten zu erhöhen und die Digitalisierung als Kernbotschaft in der Leuchtenindustrie zu implementieren, sind hochgesteckt. Sie werden aber bereits in Pilotstädten wie Den Haag und Dresden erprobt.

Digitalisierung ist Chefsache

Am Nachmittag erweiterte dann Frank Wicht, Geschäftsführer und Gründungsmitglied von Eastern Graphics, den Horizont der Lichtexperten. Den konzentrierten Vortrag zum Thema »Digital am POS« (Point of Sale) schloss er mit der Aufforderung und Feststellung »Digitalisierung ist Chefsache«. Leider sind sich noch viele KMUs nicht der Tragweite der laufenden Entwicklungen bewusst. »Die großen Player sind nicht mehr aufzuhalten«, und wenn die Firmen sich nicht zusammenschließen, um gemeinsame Plattformen zu kreieren, welche den Handel und den Planer stützen, werden diese schon bald ihre Marktmacht ausgebaut haben und die bisherigen Strukturen zerschlagen.

Die eindrückliche Präsentation der bereits verfügbaren Raumplanungssoftware »PCon« VR Projektionslösung oder Augmented Reality App zeigt auf, wie man mit zeitgenössischen Programmen, gut gemanagten Daten und einem gewissen Mut Kunden beraten und begeistern kann. Dass Preise, Verfügbarkeiten und selbstverständlich alle Produktvarianten im Handumdrehen, oder besser mit einem Swype, zur Verfügung stehen, bedarf sicher einer ordentlichen Aufbereitung der Daten. Doch wenn dies an der richtigen Stelle, mit der richtigen Qualität und den richtigen Methoden effizient und effektiv geschieht, lassen sich eben auch weitere, werthaltige Möglichkeiten ausschöpfen.

Planungsgespräch mit einer Künstlichen Intelligenz

Mit dem letzten Beitrag zum Workshop bot Jan de Boer noch einmal einige Themen für eine angeregte Diskussion. Was wäre, wenn wir in Zukunft über eine Sprachsteuerung und Hinweise wie zum Beispiel »Mach, dass die Skulptur dramatisch beleuchtet wird« planen würden? Bereits heute unterstützen Planungswerkzeuge bei einfachen Aufgaben, um Normen oder andere Anforderungen zu erfüllen. Laut der Branche werden 80 % der Projekte nicht nach aktuellem Stand der Technik geplant, andere nur, um die Sicherheit zu erlangen und Normen und Vorgaben zu entsprechen. Eine »nutzerzentrierte Planung«, wie sie in wenigen gehobenen Wohnungs- oder Hotellerie-Projekten stattfindet, ist eine Seltenheit. Könnte eine automatisierte Planung die Qualität der Beleuchtung in Innenräumen steigern? Sind dynamische Lichtsituationen ohne eine entsprechende Intelligenz noch beherrschbar? Ist es richtig, dass die unterschiedlichen Disziplinen in individuellen Werkzeugen geplant werden, wenn die bauphysikalischen Größen doch unmittelbar aufeinander einwirken? Darüber wurde intensiv und konstruktiv debattiert und diskutiert. Dass die Planung in zehn Jahren nicht mehr mit der heutigen vergleichbar sein wird, war der größte Konsens. Ob die heutigen Potenziale bis dahin überhaupt ausgeschöpft sein werden? Daran werden wir weiterarbeiten und in der Fachzeitschrift LICHT auch weiterhin berichten.

Abb.: »Planungsgespräche in der Virtuellen Realität«, Teilnehmer des Workshops vor einer interaktiven 3D-VR-Projektion. Daniel Neves Pimenta

Weitere Informationen:

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart forscht im Verbund mit weiteren Fraunhofer-Instituten, der Universität Stuttgart und der Industrie/KMU im Bereich der Massenpersonalisierung. Dazu finden in unregelmäßigen Abständen Workshops zum Thema, »MASS PERSONALIZATION & LIGHTING« statt, zu dem auch LICHT-Leser herzlich eingeladen sind. Melden Sie sich unter masspersonalization@ibp.fraunhofer.de, um weitere Information über das Vorhaben zu erhalten.

Autor/Foto: Daniel Neves Pimenta, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Stuttgart

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