Wissenschaft & Forschung
Licht 7 | 2021

Lichtsimulation mit digitalen Pflanzenzwillingen

Theorie und Studien zu Möglichkeiten einer optimierten Pflanzenbelichtung

Um den Hunger einer wachsenden Weltbevölkerung zu stillen, müssen Pflanzen immer effizienter gezüchtet werden. Trends wie Vertical Farming setzen dabei auf LED-Licht. Doch wie müssen die Leuchten gestaltet sein, um das Wachstum der Pflanzen bestmöglich zu unterstützen? Dieser Artikel erläutert grundlegende Fakten zur Pflanzenbelichtung und stellt Studien zur Lichtsimulation in Pflanzen sowie relevante Simulationswerkzeuge vor.

Lesezeit: ca. 16 Minuten

1 Einleitung

In den hiesigen Breiten ist ein ganzjähriger Anbau von Pflanzen, insbesondere in den Wintermonaten, nicht ohne künstliche Belichtung möglich. Im Anbau unter Glas erhöht die künstliche Belichtung zum einen die Intensität des Lichts, zum anderen dient sie jedoch auch der Verlängerung der Tageszeit. Damit ist ein ganzjähriger Anbau von Pflanzen wie Tomaten, Gurken oder Paprika möglich. Im geschlossenen Anbau, in sogenannten Plant Factorys oder vertikalen Farmen, erfolgt die Kultur unter ausschließlich künstlicher Belichtung. Anders als im Anbau unter Glas werden hier ausschließlich LED-Leuchten verwendet. Mit der zukünftigen Ablösung der Natriumdampfhochdrucklampe durch LEDs ergeben sich viele lichttechnische Gestaltungsmöglichkeiten in der Pflanzenbelichtung. LED-Leuchten erlauben eine gezielte Variation der spektralen Zusammensetzung des Lichts, der Intensität und aufgrund der kleinen Abmessungen der quasimonochromatischen Lichtquellen sind verschiedene, auch spektral abhängige Abstrahlcharakteristiken denkbar.

Von den gesamten Energiekosten in einer vertikalen Farm können 75 bis 80 % auf die Belichtung entfallen [1]. Zukünftig ist es daher erstrebenswert, den Anteil an Kosten für künstliche Belichtung zu reduzieren – aus ökologischer wie auch aus ökonomischer Perspektive. Dieser Artikel beschäftigt sich daher mit Möglichkeiten, Pflanzenleuchten in ihrer Wirkung auf Pflanzen zu beurteilen, um damit langfristig eine Energieeinsparung erzielen zu können.

Im ersten Teil dieses Artikels wird ein Überblick über die Zusammenhänge von Licht und Pflanzen gegeben, dieser soll das grundlegende Verständnis der Pflanzenbelichtung fördern. Anschließend werden in einer Literaturanalyse verschiedene Studien zur Lichtsimulation in Pflanzen zusammengefasst und die verwendeten Werkzeuge dargelegt.

2 Ausgewählte Grundlagen der Pflanzenbelichtung

2.1 Photosynthese als Ziel von Pflanzenbelichtung

Über den Prozess der Photosynthese gewinnen Pflanzen die erforderliche Energie für ihren Stoffwechsel. Die Energie des absorbierten Lichts dient der Synthese von Glukose, welche aus Wasser und Kohlenstoffdioxid gebildet wird. Hierbei entsteht Sauerstoff, welcher an die Umgebung abgegeben wird (s. Abb. 1)

Abb. 1: Schematische Darstellung des Wirkprinzips von Photosynthese TU Darmstadt

Licht der Wellenlängen, die den Prozess der Photosynthese auslösen, wird als photosynthetisch aktive Strahlung (engl. photosynthetically active radiation, PAR) bezeichnet. Aufgrund des Beitrags der Photonen zur Photosynthese werden in der Pflanzenbelichtung photonenbasierte Größen, Photonenstromdichte analog zur Beleuchtungsstärke, und Photonenstrom analog zum Lichtstrom verwendet. Diese umfassen im allgemeinen Strahlung im Bereich zwischen 400 und 700 nm. Eine weitere Gewichtung, beispielsweise mit einer Effizienzkurve der Photosynthese, findet nicht statt. Gemessen werden kann die Photonenstromdichte über Messgeräte, die ähnlich aufgebaut sind wie ein Beleuchtungsstärkemessgerät. Anstelle der V(λ) Anpassung werden die eintreffenden Photonen jedoch entsprechend ihrem Energiegehalt gewichtet.

Pflanzenseitig kann die Photosynthese über eine Messung der CO2-Aufnahme bzw. der O2-Abgabe erfolgen. Kommerzielle Messgeräte erfassen die Photosyntheserate durch das Umströmen eines Blatts mit Luft, die einen definierten CO2-Gehalt aufweist. Die CO2-Abnahme nach der Umströmung des Blatts wird gemessen und entspricht der Aufnahme über das Blatt. Solche Messungen erfolgen in Abhängigkeit der Lichtbedingung, um die Wirkung verschiedener Belichtungssituationen mit der Photosynthese in Verhältnis zu setzen. Besonders bekannt ist eine Studie von McCree [2] aus dem Jahre 1971. In dieser Studie wurden Blätter von verschiedenen Pflanzenarten mit quasimonochromatischem Licht bestrahlt und die CO2-Assimilationsraten, also die CO2-Aufnahme, in Abhängigkeit von verschiedenen Spektralbereichen bei gleicher Photonenstromdichte gemessen. Aus diesen Daten wurde die heutzutage teilweise für die Bewertung von Pflanzenleuchten herangezogene »McCree-Kurve« erstellt. Neben McCree führte auch beispielsweise Inada [3] solche Studien durch, die DIN-5031-10 [4] enthält ebenfalls eine Wirkungskurve der Photosynthese. Zu beachten bei diesen Kurven ist, dass aus diesen bestenfalls valide Aussagen zur Wirkung quasimonochromatischer Strahlung getroffen werden können.

Mit besonderem Bewusstsein sollen jedoch auch die Unterschiede der Ergebnisse der verschiedenen Studien wie in Abb. 2 beachtet werden. Ein direkter Vergleich von Leuchtenspektrum und Wirkungskurven erscheint wenig sinnvoll – da es sich bei den Kurven um Wirkungskurven und nicht um Spektren handelt. Die beiden in der Abb. 2 dargestellten Kurven zeigen in der ähnlichen Form auf, dass die relative Quantenwirksamkeit auf die Pflanzen besonders im violett-blauen Bereich um 430 bis 440 nm sowie im Wellenlängenbereich um 600 bis 670 nm ausgeprägt hoch ist.

und Inada [3].« context=«content«]

2.2 Auswirkung der Photonenstromdichte

Neben der spektralen Zusammensetzung des Lichts beeinflusst auch die Menge der auf ein Blatt auftreffenden Photonen, die Photonenstromdichte, die Photosynthese. Analog zu den im vorherigen Abschnitt beschriebenen Messmöglichkeiten erfolgt hierbei eine Messung der CO2-Aufnahme, oder der O2-Abgabe unter einer konstanten spektralen Zusammensetzung, jedoch variabler Photonenstromdichte. Wird die CO2-Aufnahme über der Photonenstromdichte aufgetragen, entsteht dabei qualitativ die in Abb. 3 dargestellte Kurve. Die absoluten Werte sind hierbei an Spinatpflanzen unter einer warmweißen LED-Belichtung ermittelt, jedoch keinesfalls repräsentativ oder übertragbar auf andere Arten. Aus den Kurven kann die minimal erforderliche Photonenstromdichte zum Erhalt einer positiven Assimilationsrate abgelesen werden – und damit ein Zugewinn an Energie für den Stoffwechsel (Lichtkompensationspunkt) –, sowie der Sättigungsbereich, ab welchem eine weitere Erhöhung der Photonenstromdichte nicht zu einer Erhöhung der Assimilation führt. Für die Pflanzenbelichtung von besonderem Interesse ist ein Betrieb im linearen Bereich. Hier führt ein erhöhter Energieeinsatz proportional zu einer Zunahme der Assimilation von CO2 und damit zu Biomassegewinn.

Abb. 3: Beispielhafter Zusammenhang zwischen CO2-Assimilationsrate und Photonenstromdichte, Daten von einer Spinatpflanze unter warmweißen LED-Licht TU Darmstadt

Üblicherweise werden die Effekte der Photosynthese an einzelnen Blättern untersucht. Problematisch wird jedoch die Übertragung von an einzelnen Blättern gemessenen Effekten auf eine gesamte Pflanze [5]. Bei Betrachtung der gesamten Pflanze sind weitere optische Effekte zu berücksichtigen. Im Pflanzenkörper finden Reflexionen, Transmissionen und Absorptionen statt, die Photonenstromdichte und deren spektrale Zusammensetzung variiert entsprechend ortsabhängig. Des Weiteren hat bspw. die Blattgröße einen wesentlichen Einfluss auf die absolute Assimilation der gesamten Pflanze. Für eine Bewertung der Lichtwirkung verschiedener Leuchten muss daher neben der Photosynthese auf Blattebene auch die geometrische Struktur der Pflanze und deren optische Eigenschaften mitberücksichtigt werden. Wie dies beispielsweise bewerkstelligt werden kann, ist ein Teilaspekt dieses Artikels.

Außerhalb der Photosynthese wirkt Licht auch über Photorezeptoren auf die Morphologie von Pflanzen. Der Habitus kann gezielt je nach spektraler Zusammensetzung beeinflusst werden. Beispielsweise können Effekte der Schattenvermeidung durch Anpassung des Rot (660 nm)- zu Fernrot (730 nm)-Verhältnisses ausgelöst werden. In diesem Artikel werden jedoch ausschließlich statische Belichtungsszenarien betrachtet und solche Einflüsse nicht miteinbezogen.

2.3 LEDs in der Pflanzenbelichtung

Neben den im vorherigen Abschnitt genannten Größen zur Beurteilung der Photosynthese existieren Größen zur Beschreibung der Effizienz auf der Leuchtenseite. Analog zur Lichtausbeute wird in der Pflanzenbelichtung die Größe der Photonenausbeute mit der Einheit µmol J-1 verwendet. Leuchten mit Natriumdampfhochdrucklampen besitzen eine Photonenausbeute von 1,72 µmol J-1 [6], im Vergleich dazu verfügt eine LED-Leuchte mit blau/rotem Spektrum über eine Photonenausbeute von 3,0 µmol J-1 [6] und eine mit weiß/rotem von 2,78 µmol J-1 [6]. Kusuma et al. prognostizieren in ihrem Artikel eine zukünftige Photonenausbeute von 4,1 µmol J-1 für blau/rote, und eine von 3,4 µmol J-1 für weiß/blaue LED-Leuchten [6]. Auch wenn die prognostizierten Werte deutlich über den heutigen liegen, sollte eine effizientere Lichtquelle nicht die alleinige Stellschraube für eine effizientere Pflanzenbelichtung sein. In Abb. 4 sind die Fotokammern im Lichtlabor der TU Darmstadt jeweils mit blau/rotem und weißem LED-Licht bildlich dargestellt.

Abb. 4: Fotokammer im Lichtlabor der TU Darmstadt jeweils mit blau/rotem und weißem LED-Licht. Quelle: Lichtlabor TU Darmstadt Lichtlabor TU Darmstadt

2.4 Lichtnutzungseffizienz und Lichtinterzeption

Zur Bewertung der langfristigen Lichtwirkung auf Pflanzenseite und damit der Produktion von Biomasse ist die Kenntnis der Lichtnutzungseffizienz (engl. Light Use Efficiency, LUE) und der Lichtinterzeption (engl. Light Interception) erforderlich. Aus diesen beiden Angaben kann die Produktion von Biomasse berechnet werden. Die Lichtnutzungseffizienz ist abhängig von verschiedenen Faktoren, unter anderem der Pflanzenart und des verwendeten Bestrahlungsspektrums. Sie wird bestimmt aus dem Verhältnis der über einen bestimmten Zeitraum akkumulierten Biomasse und der in diesem Zeitraum aufgetroffenen photosynthetisch aktiven Strahlung [7].

Die Lichtinterzeption beschreibt die Menge der auf der gesamten Blattfläche auftreffenden Photonen, abhängig ist sie demnach auch von der Blattfläche. Für eine energieeffiziente Kultur von Pflanzen erscheint daher die Erhöhung der Lichtinterzeption besonders interessant – schließlich erhöht diese tendenziell die erzeugte Biomasse. Die genaue Bestimmung der Lichtinterzeption in der Praxis ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Ein weiteres Maß, das insbesondere für die Bewertung einer Beleuchtungsinstallation interessant ist, ist das Verhältnis zwischen der Lichtinterzeption und den von der Leuchte emittierten Photonen. Im Optimalfall trifft jedes von der Leuchte emittierte Photon auf ein Blatt – und nicht bspw. auf den Boden oder eine Wand.

Für die Anwendung von Pflanzenleuchten bedeutet dies: Die Lichtnutzungseffizienz kann maßgeblich durch die Wahl des Spektrums und der Intensität beeinflusst werden. Effekte zeigen sich jedoch nur langfristig über die produzierte Biomasse. Eine Erhöhung der Lichtinterzeption führt im Allgemeinen zu einer erhöhten Biomasse. Für eine verbesserte Wirkung von Pflanzenleuchten kann daher eine Erhöhung der Lichtinterzeption angestrebt werden.

2.5 Aktuelle Fragestellungen

In den vorherigen Abschnitten wurde deutlich, dass zur Bewertung von Pflanzenleuchten durchaus aufwendige Betrachtungen – wenn nicht sogar umfangreiche Feldstudien – erforderlich sind. Die Photonenausbeuten einzelner Leuchten lassen sich ohne weiteres messtechnisch erfassen, ihre langfristige Wirkung auf Pflanzen jedoch nicht. Die Problemstellungen sind vielfältig und bedürfen einem systematischen Lösungsansatz. Im folgenden Teil des Artikels wird ein solcher Ansatz aus verschiedenen Studien zusammengefasst.

3 Virtuelle Pflanzenmodelle als Lösung

Eine Möglichkeit, die komplexen Zusammenhänge in der Belichtungsproblematik zu untersuchen und zu verstehen, ist es, auf Simulationsmodelle zurückzugreifen. Im Bereich der Pflanzensimulation werden hierzu verschiedene Modelle miteinander gekoppelt. Beispielsweise geometrische Modelle und deren optische Eigenschaften mit einem Raytracing-Verfahren (Strahlenverfolgung- und Fortpflanzung in einem optisch wirksamen Raum, z. B. Strahlungstransport von einem Blatt zum nächsten und von der Leuchte bis zu den Pflanzen) und verschiedenen biologischen Modellen. Die biologischen Modelle umfassen hierbei unter anderem Modelle zur Photosynthese, Wassertransport, Temperaturverteilung und Lichtrezeptoren. Bei den geometrischen Modellen ist zwischen statischen und dynamischen Pflanzenmodellen zu unterscheiden, die im Folgenden näher erklärt werden.

Statische Strukturmodelle beschreiben eine während der Simulation konstante 3D-Geometrie der Pflanzen. Diese kann beispielsweise aus einem 3D-Scan der Pflanze ermittelt werden. Die Digitalisierung der Pflanze gestaltet sich hierbei je nach Art unterschiedlich aufwendig. Kleine Pflanzen wie bswp. Kopfsalat, können ohne Umstände in vorhandenen 3D-Scannern digitalisiert werden, problematisch können hierbei jedoch Überlappungen von Blättern werden (Abb. 4 oben). Bei größeren Pflanzen wie Tomaten gestaltet sich dies häufig schwierig. Hier müssen manuell Punkte erfasst werden.

Eine Alternative zur Generierung der Pflanzenmodelle stellt ein sukzessiver Programmieransatz dar. Hierbei wird ein Pflanzenmodell aus einzelnen Komponenten nach definierten Produktionsregeln erstellt. Beispielsweise wird im ersten Schritt ein Stiel (Zylinder) mit aufgesetzter Knospe (Kugel) definiert. Im nächsten Schritt werden alle Kugeln durch zwei Zylinder ersetzt, die in einem bestimmten Winkel zueinanderstehen, usw. Diese Produktionsregeln führen dann nach mehreren Programmschritten zu Modellen, die sehr einfach in ihren Eigenschaften verändert werden können. Die geometrischen Möglichkeiten gehen selbstverständlich weit über das hier genannte Beispiel hinaus, so können Blätter aus einfachen Parallelogrammen bestehen, oder aber auch aus digitalisierten, realen Blättern. Mit so konstruierten Pflanzen lassen sich bswp. über die Änderung von nur einem Parameter sämtliche Blattwinkel in dem System ändern.

Eine frei verfügbare Software, die zur Simulation von Pflanzen verwendet werden kann, ist die »Growth Grammar-related Interactive Modeling Platform« (GroIMP) [8]. Die Software verfügt über einen integrierten spektralen Raytracing-Algorithmus [9]. In Abb. 5 ist eine in dieser Software konstruierte Pflanze dargestellt.

Abb. 5: Digitale Gurkenpflanze, die nach Produktionsregeln in der Software GroIMP generiert wurde. TU Darmstadt

Neben den statischen Strukturen werden auch dynamische Strukturen verwendet. Ausgangsgrößen der hinterlegten biologischen Modelle wie Photosyntheseraten können mittels Produktionsregeln rückgekoppelt und damit die virtuelle Pflanze in ihrer Entwicklung beeinflusst werden. Dieser Artikel beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit der Betrachtung von statischen Zuständen.

Die so erstellten Pflanzenstrukturen werden mit gemessenen optischen Eigenschaften hinterlegt. Eine Modellierung der Photosynthese, wie in Abschnitt 1 beschrieben, kann anhand von vorhandenen Modellen wie etwa dem von Farquhar et al. [10] erfolgen. Hierbei sei angemerkt, dass die bisher verwendeten Photosynthesemodelle keine spektralen Einflüsse abbilden. Abgebildet wird die CO2-Assimilationsrate über der Photonenstromdichte unter einem konstanten Spektrum. Zur Ermittlung der Parameter werden Feldmessungen an Blättern unter verschiedenen Photonenstromdichten durchgeführt. Die Parameter aus den Feldmessungen werden für die Simulation verwendet – je nach Blattposition kann hier noch unterschiedlich gewichtet werden.

Neben der bereits erwähnten Software GroIMP können weitere Programme zur Simulation verwendet werden. Im Falle von statischen Modellen kann dies prinzipiell jede Lichtsimulationssoftware sein, die eine Erstellung von freien Körpern erlaubt.

In Kombination mit der in Abschnitt 2.5 aufgestellten Problematik wird im Folgenden die Eignung dieser virtuellen Pflanzenmodelle für die Leuchtenoptimierung untersucht. Tabelle 1 dient hierbei als Vorabübersicht, für welche leuchtenspezifischen Zwecke diese Modelle bereits eingesetzt wurden.

Autoren

Jahr

Pflanze

Lichtquellen

variierte Größe

Simulierte/Berechnete Größe

de Visser et al.[11]

2014

Tomate

Sonnenlicht, Natriumdampfhochdruck, blau/rote LED-Zwischenbelichtung

Leuchtenausrichtung (Winkel), Blattwinkel

Photonenstromdichte, Photosynthese, Lichtinterzeption, Lichtnutzungseffizienz

Hitz et al. [12]

2018

Sojabohne

LED, blau, grün, rot, fernrot

spektrale Photonenstromdichte

Saito et al. [13]

2020

Raps

Blaue und rote LEDs

Leuchtenanzahl,-abstand, -höhe, Photonenstrom, Abstrahlcharakteristik

Photonenstromdichte, Variationskoeffizient der Lichtabsorption der einzelnen Pflanzen, Koeffizient der Lichtnutzung

Kim et al. [14]

2020

Salat

Blaue und rote LEDs

Leuchtenabstand, -anordnung, Photonenstrom, Bodenmaterial

Photonenstromdichte, Photosynthese, Lichtinterzeption, Lichtnutzungseffizienz

3.1 Simulation im Gewächshaus

Der große Teil der bisherigen Arbeiten auf dem Gebiet der virtuellen Pflanzen beschäftigt sich mit dem Freiland- oder dem geschützten Anbau unter Glas. Fragestellungen in diesen Arbeiten sind häufig pflanzenphysiologischer Natur. Die virtuellen Modelle unterstützen hierbei eine gezielte Untersuchung von Einflussparametern auf der Pflanzenseite. Es werden keine Leuchteneigenschaften variiert, sondern physiologische Wirkungen untersucht. Die nachfolgend vorgestellte Studie untersucht jedoch ein Hybrid-Belichtungssystem, das verschiedene Eigenschaften der LED-Leuchten variiert und daher in die Auswahl mit aufgenommen ist.

Im Jahr 2014 veröffentlichten de Visser et al. [11] eine Studie, die die Belichtung von Tomaten in einem Gewächshaus mittels 3D-Modellen untersuchte. Motiviert durch den enormen Aufwand, der mit der Untersuchung verschiedener Belichtungsstrategien einhergeht, umfassten die Lichtbedingungen hierbei Sonnenlicht, Natriumhochdruckdampflampen sowie eine zwischenreihige LED-Belichtung, die seitlich auf die Laubwand strahlt. In die Modelle wurde ein Photosynthesemodell integriert, dessen Parameter in realen Versuchen ermittelt wurden. Die virtuellen Tomatenpflanzen wurden statisch konstruiert, in den verschiedenen Szenarien erfolgte jedoch eine Variation der Blattwinkel, um deren Einfluss zu evaluieren. Neben den Tomaten wurde das komplette Gewächshaus mit seinen optischen Eigenschaften modelliert [11].

Ein in dem Modell nachweisbarer Effekt ist, dass die eingesetzten Natriumdampfhochdruckleuchten zu einer höheren Photosyntheserate pro Blattfläche in den oberen Blattschichten führen – begründet werden kann dies durch eine erhöhte Photosynthese-Kapazität der dortigen Blätter. Hingegen konnte durch die zwischenzeilige LED-Belichtung ein höherer Anteil an von den Blättern absorbierten Photonen erreicht werden. Dieser lag über dem Anteil der Natriumdampfhochdruckleuchte. Bezüglich der LED-Belichtung konnte ebenfalls gezeigt werden, dass der Abstrahlwinkel der Leuchte einen starken Effekt auf die Lichtabsorption und Lichtnutzungseffizienz hat. Auf der Pflanzenseite führten verschiedene Blattwinkel zu unterschiedlichen Lichtnutzungseffizienzen [11].

Insgesamt konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass virtuelle Modelle von Pflanzen ein hilfreiches Werkzeug zum Verständnis von Pflanzenbelichtung und deren Gestaltung sein können. Anzumerken ist, dass in dieser Studie keine spektral abhängigen Effekte untersucht wurden. Neben dieser Studie im Gewächshaus existieren weitere Studien zur Belichtung in geschlossenen Systemen wie bspw. Klimakammern oder vertikalen Farmen unter ausschließlich künstlicher Belichtung.

3.2 Simulation mit Sojabohnen in einer Klimakammer

Hitz et al. haben als Erste die Lichtbedingungen in einer Klimakammer mit der Software GroIMP untersucht [15]. Übergeordnetes Ziel der Forschungsarbeiten ist eine Modellierung der Blaulichtreaktion von Sojapflanzen. In den Studien wurde der Spektralbereich in blau, grün, rot und fernrot eingeteilt. Eine erste Evaluation der spektralen Photonenstromdichte in einer leeren Klimakammer zeigte eine gute Korrelation zwischen den real gemessenen und den simulierten Werten. Die Sensoren wurden hierbei sowohl im realen als auch im virtuellen Experiment verschieden ausgerichtet, um die Messung unterschiedlicher Blattorientierungen abzubilden. [15]

Aufbauend auf der ersten Studie erfolgte in der zweiten [12] ein Vergleich der Lichtbedingungen im Pflanzenkörper einer Sojabohne zwischen realer Messung und Simulation. Nach manueller Vermessung der realen Pflanze konnte diese im virtuellen Raum modelliert werden. In den Ergebnissen konnte ein mittlerer absoluter prozentualer Fehler zwischen realer Messung und virtueller von zwischen 5,85 und 35,14 % im ersten Pflanzensatz, bzw. von 6,12 und 9,35 % im zweiten Pflanzensatz erreicht werden. Im Vergleich der Simulationen aus zwei verschiedenen Entwicklungsstadien der Pflanzen zeigte sich, insbesondere im zweiten Entwicklungsstadium, ein gestiegener Fehler. Zurückzuführen ist dies wahrscheinlich auf eine komplexere Szene mit komplexeren Geometrien im zweiten Fall. In der spektralen Simulation traten die größten Abweichungen im Verhältnis zwischen roter zu fernroter Strahlung auf [12].

Insgesamt konnte gezeigt werden, dass eine Simulation der Photonenstromdichteverteilung besonders bei wenigen Pflanzen mit einfacher Geometrie sehr genau möglich ist. Im Gegensatz zur erstgenannten Studie von de Visser et al. wurde im PAR-Bereich auch spektral unterschieden. Da der Schwerpunkt auf der Genauigkeit der optischen Simulation innerhalb von Pflanzen liegt, stellt diese Studie eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen auf dem Gebiet dar. Eine Berechnung der Photosynthese war nicht Gegenstand der Studie.

3.3 Simulationen in vertikalen Farmen

Neben Verwendung der Software GroIMP wurden in den vergangenen Jahren weitere Programme zur Lichtsimulation verwendet. Kim et al. [14] verwendeten OptisWorks zur Simulation der Photonenstromdichte auf Salatpflanzen. Die Digitalisierung der Pflanzen erfolgte hierbei mittels 3D-Scan. Ziel der Arbeit war eine realitätsgetreue Abbildung der Lichtbedingungen in einer Wachstumskammer für Salatpflanzen im virtuellen Experiment. Damit sollte quantitativ die Lichtinterzeption sowie die Photosynthese ermittelt und bestimme Szenarien mit realen Messungen verglichen werden. Eine Untersuchung der Auswirkung der Lichtgestaltung auf Lichtinterzeption und Photosynthese ist damit möglich. Die Erfassung der Parameter zur Simulation der Photosynthese erfolgte mittels Photosynthesemessungen an realen Pflanzen. Das so aufgestellte Modell, bestehend aus 3D-Scan der Pflanze und den real ermittelten Photosynthese-Parametern diente der Simulation verschiedener Lichtbedingungen [14].

Im virtuellen Experiment erfolgte eine Belichtung mit linearen Leuchten, positioniert entweder über oder zwischen den Pflanzen. Die Höhe der Leuchten wurde in einem Bereich zwischen 20 und 40 cm in 5-cm-Schritten variiert. Die Auswirkungen verschiedener optischer Bodeneigenschaften (nicht reflektierend, hoch reflektierend) waren ebenfalls Untersuchungsgegenstand. Nachfolgend sind die Ergebnisse zur Wirkung auf die Lichtinterzeption aus [14] zusammengefasst:

  1. Bei geringer Leuchtenhöhe (weniger als 30 cm): Lichtinterzeption hauptsächlich an direkt unter der Lichtquelle befindlichen Blättern, kaum Lichtinterzeption an den anderen Blättern
  2. Bei Leuchtenhöhen zwischen 30 und 40 cm: Geringer Einfluss auf die Lichtinterzeption durch Leuchtenhöhen und -anordnung, im Allgemeinen ist diese gleichmäßiger verteilt
  3. Verwendung des hoch reflektierenden Bodenmaterials steigert die Lichtinterzeption im Durchschnitt um etwa 3,6 %
  4. Auf der Blattebene: Lichtinterzeption ist abhängig vom Lichteinfallswinkel und damit auch vom Blattwinkel

Die Studie zeigt, dass mit Hilfe optischer Simulationen und einem Pflanzenmodell verschiedene Fragestellungen der Pflanzenbelichtung wie bspw. Leuchtenhöhe adressiert werden können.

Neben der vorherigen Studie mit Salat untersuchte Saito et al. [13] digitalisierte Rapspflanzen im geschlossenen Anbau, um damit im virtuellen Modell Optimierungen der Belichtung vorzunehmen. Die optischen Simulationen erfolgten in der Software Radiance. Evaluiert wurde der Variationskoeffizient der Lichtabsorption der einzelnen Pflanzen, sowie der Koeffizient der Lichtnutzung.

Die Simulation startete mit der Berechnung der Lichtabsorption der einzelnen Pflanzen, anschließend erfolgte daraus die Berechnung des Variationskoeffizienten. Der Koeffizient der Lichtnutzung wurde aus dem Verhältnis von insgesamt durch die Pflanzen absorbierter Strahlung und der von den Leuchten emittierten Strahlung gebildet – er stellt damit ein Maß für den Anteil auf Blätter auftreffender Photonen dar. Folgende Eigenschaften der Belichtung wurden variiert und die beiden Größen berechnet:

  • Leuchtenanzahl
  • Leuchtenabstand
  • Leuchtenhöhe
  • Photonenstrom
  • Abstrahlcharakteristik

Bei der Simulation fiel auf, dass eine homogene Lichtverteilung im leeren Regal nicht zu einer gleichmäßigen Lichtverteilung auf den Pflanzenblättern führte. Die Photonenstromdichte auf Blättern, die sich direkt unter einer Leuchte befanden, war deutlich höher als bei den restlichen. Durch gezieltes Verändern der Abstrahlcharakteristik konnte mittels Leuchten mit gebündelter Abstrahlung ein niedrigerer Variationskoeffizient der Lichtnutzung erreicht werden [13]. Diese Studie zeigt, dass eine vorherige Simulation von Leuchtenkonfigurationen mittels optischer Simulationen durchgeführt werden kann.

Wie in den zuvor genannten Studien konnten auch hier mittels Simulationsansatzes gezielt Leuchtenparameter in ihrer Wirkung auf Pflanzen evaluiert werden. Eine Betrachtung der spektralen Zusammensetzung und der Photosynthese fand jedoch nicht statt.

3.4 Potenzial und Bedeutung für Leuchtenentwicklung

In den vorgestellten Studien konnten einige vielversprechende Werkzeuge zur Optimierung von Pflanzenleuchten aufgezeigt werden. Prinzipiell ist es möglich, mit Simulationswerkzeugen verschiedene für die Pflanze relevanten Lichtparameter vorab zu bestimmen. Bisher kaum einbezogen in die Leuchtensimulation sind spektrale Effekte, wie das sich im Pflanzenkörper verändernde Spektrum.

Die bisher verwendeten Photosynthesemodelle bilden keine spektral abhängigen Effekte ab. Wie im ersten Abschnitt erwähnt ist das Spektrum ebenfalls eine Stellschraube für die Photosynthese und sollte in zukünftige Modelle Einzug erhalten. In zukünftigen Arbeiten der Autoren dieses Artikels wird die Thematik weiter auf die Leuchtenebene fokussiert und mit Hilfe der hier zusammengestellten Simulationstechniken optimierte Eigenschaften abgeleitet.

Virtuelle Pflanzen werden auf absehbare Zeit zwar Feldtests der Leuchten nicht komplett ersetzen können – jedoch sicherlich ein wertvolles Werkzeug in der Vorentwicklung zur Ermittlung erfolgsversprechender Konfigurationen sein.

Literaturverzeichnis

[1] T. Kozai, Smart plant factory: the next generation indoor vertical farms. New York, NY: Springer Berlin Heidelberg, 2018.

[2] K. J. McCree, »The action spectrum, absorptance and quantum yield of photosynthesis in crop plants«, Agric. Meteorol., Bd. 9, S. 191–216, Jan. 1971, doi: 10.1016/0002-1571(71)90022-7.

[3] Inada, Katsumi, »Action spectra for photosynthesis in higher plants«, Plant Cell Physiol., Apr. 1976, doi: 10.1093/oxfordjournals.pcp.a075288.

[4] »DIN 5031-10:2018-03, Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik_- Teil_10: Photobiologisch wirksame Strahlung, Größen, Kurzzeichen und Wirkungsspektren«, Beuth Verlag GmbH. doi: 10.31030/2705004.

[5] B. Bugbee, »Toward an optimal spectral quality for plant growth and development: the importance of radiation capture«, Acta Hortic., Nr. 1134, S. 1–12, Mai 2016, doi: 10.17660/ActaHortic.2016.1134.1.

[6] P. Kusuma, P. M. Pattison, und B. Bugbee, »From physics to fixtures to food: current and potential LED efficacy«, Hortic. Res., Bd. 7, Nr. 1, S. 56, Dez. 2020, doi: 10.1038/s41438-020-0283-7.

[7] L. Li, L. Zhang, und F. Zhang, »Crop Mixtures and the Mechanisms of Overyielding«, in Encyclopedia of Biodiversity, Elsevier, 2013, S. 382–395. doi: 10.1016/B978-0-12-384719-5.00363-4.

[8] O. Kniemeyer, G. Buck-Sorlin, und W. Kurth, »Groimp as a Platform for Functional-Structural Modelling of Plants«, in Functional-Structural Plant Modelling in Crop Production, J. Vos, L. F. M. Marcelis, P. H. B. De Visser, P. C. Struik, und J. B. Evers, Hrsg. Dordrecht: Springer Netherlands, 2007, S. 43–52. doi: 10.1007/1-4020-6034-3_4.

[9] M. Henke und G. H. Buck-Sorlin, »Using a Full Spectral Raytracer for Calculating Light Microclimate in Functional-Structural Plant Modelling«, Comput. Inform., Bd. 36, Nr. 6, S. 1492–1522, 2017, doi: 10.4149/cai_2017_6_1492.

[10] G. D. Farquhar, S. von Caemmerer, und J. A. Berry, »A biochemical model of photosynthetic CO2 assimilation in leaves of C3 species«, Planta, Bd. 149, Nr. 1, S. 78–90, Juni 1980, doi: 10.1007/BF00386231.

[11] P. H. B. de Visser, G. Buck-Sorlin, und G. W. A. M. van der Heijden, »Optimizing illumination in the greenhouse using a 3D model of tomato and a ray tracer«, Front. Plant Sci., 2014, doi: 10.3389/fpls.2014.00048.

[12] T. Hitz, M. Henke, S. Graeff-Honninger, und S. Munz, »Simulating light spectrum within a soybean canopy in an LED growth chamber«, in 2018 6th International Symposium on Plant Growth Modeling, Simulation, Visualization and Applications (PMA), Hefei, Nov. 2018, S. 120–125. doi: 10.1109/PMA.2018.8611598.

[13] K. Saito, Y. Ishigami, Y. Ishigami, und E. Goto, »Evaluation of the Light Environment of a Plant Factory with Artificial Light by Using an Optical Simulation«, Agronomy, 2020, doi: 10.3390/agronomy10111663.

[14] J. Kim, W. H. Kang, und J. E. Son, »Interpretation and Evaluation of Electrical Lighting in Plant Factories with Ray-Tracing Simulation and 3D Plant Modeling«, Agronomy, 2020, doi: 10.3390/agronomy10101545.

[15] T. Hitz, M. Henke, S. Graeff-Hönninger, und S. Munz, »Three-dimensional simulation of light spectrum and intensity within an LED growth chamber«, Comput. Electron. Agric., Bd. 156, S. 540–548, Jan. 2019, doi: 10.1016/j.compag.2018.11.043.

Weitere Informationen:

Autoren: Jens Balasus, M.Sc.; Tim Hegemann, M.Sc.; Prof. Tran Quoc Khanh; alle Technische Universität Darmstadt

Grafiken und Fotos: TU Darmstadt

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