Planung
Licht 8 | 2022

Licht für die »Alte Mälzerei«

Kultur und Bildung in einem Berliner Industriedenkmal

Die sanierte »Alte Mälzerei« im Berliner Stadtteil Lichtenrade bietet 3100 Quadratmeter Fläche, die vielfältig genutzt wird. Das umfasst Räume für eine Musik- und die Volkshochschule, eine Stadtbibliothek mit Café sowie ein Kindermuseum. Das Lichtkonzept musste an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzer und an die vorhandene Architektur angepasst werden. Das Büro Konzeptlicht aus Berlin erstellte dafür die Lichtplanung.

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Abb.: Die neue Treppe geht über zwei Etagen, sie bietet mit ihren Emporen Lese- und Sitzbereiche. Lineare Pendelleuchten, Strahler an Stromschienen und runde Flächenleuchten markieren die unterschiedlichen Zonen. Andreas Meichsner

Das Sanierungsprojekt des Industriedenkmals »Alte Mälzerei« aus dem Jahr 1898 wurde von UTB Projektmanagement GmbH aus Berlin entwickelt, das Berliner Büro ff-Architekten war für die Mietflächen Tempelhof-Schöneberg zuständig. Das imposante Gebäude bildet das Zentrum und kulturellen Anlaufpunkt des Lichtenrader Reviers, das sich mit seinem vielseitigen Angebot als neuer, bunter Wohn- und Lebensraum im Berliner Süden etablieren soll. Das Bezirksamt Berlin Tempelhof-Schöneberg ist Mieter und Auftraggeber des Objekts.

Abb.: Die linearen Pendelleuchten sind auch farblich auf die Nutzung abgestimmt, unterhalb der Zwischenempore in Gelb, weiter hinten kontrastreich in Schwarz. Der hohe Raum erfährt dadurch eine deutlichere Unterteilung. Andreas Meichsner
Abb.: Der Lesebereich im ersten Stock entstand entlang der gelben Treppe. Die linearen Leuchten fügen sich in die vorhandene Deckenkonstruktion, sie schließen einheitlich mit der Unterkante der Stahlträger ab. Andreas Meichsner
Abb.: Der Empfang der Volkshochschule liegt im zweiten Obergeschoss. Das Beleuchtungskonzept basierend auf Linearleuchten wird dort fortgeführt. Für mehr Helligkeit wurden die Wände zum Teil mit Glaselementen geöffnet. Andreas Meichsner
Abb.: Tagsüber gelangt Sonnenlicht nach innen durch die Glaswände. Sobald es dunkel wird, liefern die vertikalen Einbauleuchten neben den Türen diesen diffusen Anteil. Jede Tür wird jeweils von einer Leuchte flankiert. Andreas Meichsner

Gelber Solitär: die Treppe

Konzeptlicht lighting solutions GmbH übernahm die Lichtplanung; die Beleuchtung sollte sich vor allem im Gesamteindruck als einheitlich darstellen, um die verschiedenen Bereiche optisch miteinander zu verknüpfen und gleichzeitig den individuellen Anforderungen aller Nutzer zu entsprechen.

»Die Konstruktion aus Stahlstützen zieht sich durch alle Gebäudeteile, sie gibt das Hauptraster vor, an dem wir uns mit dem Licht orientiert haben«, erklärt Gregor Sgonina, Gründer des Lichtplanungsbüros Konzeptlicht. »Die Stahlträger bilden das Skelett des Bauwerks.« Der industrielle Charakter sollte erhalten bleiben, so wurden die bestehenden Oberflächen größtenteils nur gereinigt. Auch sämtliche Gebäudetechnik wurde sichtbar an den Bestandsdecken montiert. Als verbindendes Element zwischen dem Erd- und ersten Obergeschoss entwarfen ff-Architekten eine Treppe mit Empore und Podesten. Dieses in leuchtendem Gelb abgesetzte, raumgreifende Element liefert der Edith-Stein-Bibliothek neue Nutzungsmöglichkeiten: Plätze zum Lesen und Verweilen, für Lesungen und andere Veranstaltungen. »Die als gelber Solitär neu eingebrachte Struktur sollte innerhalb des historischen Ambientes erstrahlen. Das hervorzuheben, war von Anfang an unsere Intention«, so Gregor Sgonina.

Abb.: Tages- oder Kunstlicht fallen durch die Glaswände nach innen. Die Strahler an der Holzdecke ließen nicht ganz mittig setzen, daher mussten sie nur leicht gekippt werden, um das Licht ideal auszurichten. Andreas Meichsner
Abb.: Die Empore direkt unter der Decke ist auch eine weitere Sitz- und Lesezone für die Bibliothek. Aufgrund der niedrigen Höhe wurde die Deckenfläche indirekt beleuchtet, sie liefert hier die Grundbeleuchtung. Andreas Meichsner
Abb.: Die Treppenkonstruktion wurde als einziges, neues Bauwerk in das historische Industriegebäude eingebracht. Gut zu erkennen sind die alten Strukturen und Stahlträger, deren Oberflächen lediglich gereinigt wurden. Andreas Meichsner

Lineare Leuchten als Formensprache

Konzeptlicht hat lineare Pendelleuchten über dem Luftraum angeordnet, um die Gliederung des Raumes zu verdeutlichen. Sie folgen dem Rhythmus der Stahlträger und somit der Struktur, die die »Alte Mälzerei« vorgibt. Die linearen Leuchten sind teils abgependelt, teils zwischen den Stahlträgern montiert. Die Unterkante der Träger definiert dabei immer die Installationshöhe der Linearleuchten. Diese besitzen ein relativ breites Profil mit einer mikroprismatischen Abdeckung. Das Lichtplanungsbüro hat sie ausgewählt, um mit der breiteren Lichtaustrittsfläche eine mögliche Blendung zu verringern und den Sehkomfort zu erhöhen. Sie sorgen für eine optimale Ausleuchtung der Regale und Lesebereiche und werden je nach Einsatzort auch farblich angepasst, in Schwarz oder Gelb. Zur leichteren Orientierung markieren abgependelte, runde Flächenleuchten das Café und den Kinderbereich, ergänzt durch zylindrische, schwarze Strahler, die an Stromschienen verlaufen.

Sonderlösungen für hellere Flure

Das erste und zweite Obergeschoss nutzt hauptsächlich die Albert-Einstein-Volkshochschule. Der Empfangsbereich ist dort in Orange farblich hervorgehoben. Nach oben hin werden die Räume niedriger, die massiven Stahlträger prägen auch hier die Seminarräume. Dort wird das Konzept der linearen Leuchten fortgeführt, sie sind an den Fensterachsen ausgerichtet. Die Abhanghöhe gibt wieder die Unterkante der Stahlträger vor. Um für die Lauffläche mehr Helligkeit zu gewinnen, wurden die Wände zu den Fluren durch Profilglaselemente geöffnet. So gelangt zum einen Tageslicht nach innen, zum anderen auch Kunstlicht aus den Schulungszimmern in die Flure. Ein besonderes Detail bilden die vertikalen Profilleuchten, von denen jeweils eine neben den Türen eingebaut wurde. Sie zeichnen sich durch eine extrem geringe Einbautiefe aus und verfügen über eine opale Abdeckung für eine homogene Lichtverteilung. »Von außen fällt durch die Verglasung das Tageslicht in den Innenraum, doch in den Abendstunden fällt das weg. Diesen fehlenden, diffusen Anteil ergänzen wir durch die vertikalen Einbauleuchten«, so Gregor Sgonina.

Innerhalb der Flure verlaufen Holzbalkendecken. »Wir wussten: wir brauchen hier ein direktes, flexibel einsetzbares Licht«, beschreibt der Lichtplaner. »Die Balken haben zwar ein strenges Raster, doch sie sind nicht ganz einheitlich. Daraus ist die Idee entstanden, einen Strahler einzusetzen, der sich überall verlässlich montieren lässt, auch wenn Lüftungskanäle oder Sprinkleranlagen den Rhythmus unterbrechen. Dafür haben wir eine Sonderleuchte entworfen, die seitlich an den Balken montiert wird und über einen dreh- und schwenkbaren Strahlerkopf verfügt. Oft gab es Kollisionen mit den Installationen anderer Gewerke, das war eine große Herausforderung in diesem Projekt. Doch mit diesen Strahlern konnten wir flexibel reagieren, das hat uns sehr geholfen.«

Abb.: Die Verkehrsflächen der zweiten Etage leuchten Strahler aus, die als Sonderleuchte entwickelt wurden. Sie lassen sich äußerst flexibel an die Holzbalkendecke mit allen gebäudetechnischen Details anpassen. Andreas Meichsner
Abb.: In den Schulungs- und Seminarräumen der Volkshochschule bleibt die Einstellung konstant im Tagesbetrieb, allerdings können die Leuchten gedimmt werden, wenn an der Tafel Bilder oder Filme gezeigt werden. Andreas Meichsner

Anwenderfreundlich gesteuert

Alle Leuchten im Projekt sind DALI-dimmbar und auf die jeweilige Nutzung abgestimmt. »Gemeinsam mit den Betreibern haben wir drei Grundszenen definiert: eine für den Tagesbetrieb und zwei für Veranstaltungen, z. B. Lesungen. Wir haben die Leuchten in funktionale Gruppen eingeteilt, etwa Empore, Wege, Regale oder Lesebeleuchtung. Sie sind alle einzeln ansteuerbar«, sagt Gregor Sgonina. In Abstimmung mit den Nutzern wurden die Beleuchtungsstärken einzeln und situativ auf die Begebenheiten angepasst.

Am Eingang jedes Raumes befindet sich ein Wandtaster, mit dem das Putzlicht aktiviert werden kann. Ansonsten ist die Steuerung über Tableaus abrufbar. Ist diese aktiviert, sind die Wandtaster gesperrt. Das Licht ist dimmbar, wenn z. B. während der Kurse Bilder oder Folien gezeigt werden.

Bei der Farbtemperatur baut Gregor Sgonina auf eine bestimmte Kombination: für direkt strahlende Leuchten verwendet er 3.000 K, in der »Alten Mälzerei« sind das die Sonderleuchten und Strahler an den Stromschienen. Das diffuse Licht der linearen Pendelleuchten an der Decke und der vertikalen Einbauleuchten neben den Türen liegen bei 4.000 K. So wird ein lebendigerer Gesamteindruck erreicht.

In diesem Projekt waren mehrere Planer und Architekten involviert, das erforderte eine intensive Absprache. Auch um einen Partner für die Elektroplanung musste sich Konzeptlicht selber kümmern. Das alles erforderte häufige Präsenz auf der Baustelle. Doch das Engagement hat sich gelohnt: die »Alte Mälzerei« gewann den diesjährigen Deutschen Lichtdesign-Preis in der Kategorie Bildung.

Weitere Informationen:

Bauherr: Bezirksamt Berlin Schöneberg-Tempelhof

Architekt: ff-Architekten PartG mbB, Berlin, www.ff-architekten.de

Lichtplanung: Konzeptlicht lighting solutions GmbH, Berlin, www.konzeptlicht.de

Elektroplanung: Ingenieurbüro Trockel, Berlin, www.ib-trockel.de

Deutscher Lichtdesign-Preis: www.lichtdesign-preis.de

Fotos: Andreas Meichsner

Autorin: Andrea Mende, freie Redakteurin, www.glowmymind.com

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