»Licht dorthin lenken, wo es gebraucht wird«
Wann immer es um Beleuchtung im Außenbereich geht, ist die Diskussion um Lichtverschmutzung vorprogrammiert. Welchen Einfluss smarte Außenleuchten auf das Thema haben, erklärt Kai Bienkowski, Lichtplanungsexperte bei der TRILUX Akademie.

LICHT: Lichtverschmutzung ist ein emotional aufgeladenes, aber auch für die Öffentlichkeit wichtiges Thema. Ist seine Bedeutung seit der Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt?
Kai Bienkowski: Corona ist ein sehr präsentes, gesellschaftliches Thema, das aktuell andere Umweltthemen in der öffentlichen Diskussion zu überstrahlen scheint. Qualifizierten Fachleuten ist jedoch klar, dass ungewollte Lichtemissionen bei anstehenden Beleuchtungsprojekten minimiert werden müssen. Hierfür stellen wir die geeigneten Lösungen zur Verfügung.

LICHT: Im letzten Jahr berichteten Medien, dass in einer bayerischen Gemeinde laut Urteil zwei LED-Straßenlaternen ausgetauscht oder abgedunkelt werden mussten, weil sie Anwohner vom Schlafen abhalten. Solche Berichte häufen sich immer wieder. Woran liegt das?
Kai Bienkowski: Dieses Thema ist nicht LED-spezifisch. Auch zu Zeiten herkömmlicher Lichtquellen gab es solche Fälle. Generell gilt: Bei der Planung von Straßenbeleuchtung sind die Informationen über alle Randparameter rund um die Straße entscheidend. Nur wenn diese Informationen aktuell und korrekt vorliegen, lassen sich solche Planungsfehler zuverlässig vermeiden.

LICHT: Welche Empfehlungen haben Sie noch für Planer und Hersteller?
Kai Bienkowski: Häufig sind Planer nicht selbst vor Ort und verlassen sich auf übermittelte Informationen. Da kann es leicht passieren, dass etwa Gebäudeumrisse nicht im Plan eingezeichnet sind und schon entsteht ein Szenario, wie das beschriebene Beispiel aus Bayern. Mit den passenden Produkten, die das Licht dorthin lenken, wo es gebraucht wird, können Planer solche Beschwerden dann sicher ausschließen.
LICHT: Seit dem 1. August 2019 gilt in Bayern eine Verordnung zur Reduzierung der Lichtverschmutzung. Diese untersagt z. B. die Fassadenbeleuchtung öffentlicher Gebäude nach 23 Uhr bis zur Morgendämmerung. Außerdem müssen beim Aufstellen von Leuchten die Folgen für die Insektenfauna überprüft werden. Ein Modell für ganz Deutschland?
Kai Bienkowski: Grundsätzlich kann die Beleuchtung öffentlicher Gebäude maßgeblich zu einem attraktiven Stadtbild beitragen. Aber in der Tat sind Objektanstrahlungen zumeist nur in bestimmten Zeitfenstern sinnvoll. Je nach Bereich und Umfeld des Objekts sollte in den späten Abendstunden die Beleuchtung gedimmt und bei fehlendem Publikumsverkehr ganz ausgeschaltet werden. In Projektgesprächen beraten wir deshalb unsere Kunden, damit eine individuelle und umweltverträgliche Lichtlösung realisiert werden kann. Hier schaffen moderne LED-Leuchten die Basis für eine ideale Lichtlenkung und -steuerung.
LICHT: Was sollte die Straßenleuchte der Zukunft können?
Kai Bienkowski: Kurz gesagt: eine ganze Menge! Durch Vernetzung und Sensorik können sie die verschiedensten Aufgaben bewältigen. Dazu zählen etwa ein präzises Monitoring, vorausschauende Wartung, auch Predictive Maintenance genannt, oder mitlaufendes Licht für wenig befahrene Straßen. Aber auch den Verkehr können Straßenleuchten verbessern, indem sie beispielsweise bei der Parkplatzsuche helfen oder als Signalerweiterung für Ampeln dienen. Fahrer könnten dann am Armaturenbrett sehen, wie lange es dauert, bis eine Ampel umschaltet. Eine ebenso wichtige Rolle spielen moderne Leuchten für eine smarte Infrastruktur, indem sie Internetzugang bieten oder als »Tankstelle« für E-Fahrzeuge dienen. Selbst Lademöglichkeiten für Lieferdrohnen sind denkbar. Obwohl viele dieser Features wie Zukunftsmusik klingen, kann ein Großteil von ihnen bereits heute umgesetzt werden.
»Bei Anwohnern steigt die Akzeptanz für smarte Leuchten, da sie nachts gedimmt und so als weniger störend empfunden werden.«
LICHT: … und wie sinnvoll sind all diese Features?
Kai Bienkowski: Sie sind aus diversen Gründen äußerst sinnvoll. Mit ihnen können wir einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, indem wir den Energieverbrauch der Straßenbeleuchtung senken und nachtaktive Tiere durch die Vermeidung von Lichtemissionen schützen. Dazu kommt die ökonomische Komponente: Viele innovative Funktionen rechnen sich betriebswirtschaftlich, da sie die Energie- und Wartungskosten senken oder neue Geschäftsfelder für Städte und Gemeinden eröffnen. Und das Monitoring mit Funktionen wie vorausschauende Wartung vermeidet Leuchtenausfälle und erhöht so die Sicherheit.
LICHT: Welche Bedeutung ergibt sich daraus für die Smart City?
Kai Bienkowski: Darüber hinaus sind moderne Leuchten mit innovativen Funktionen ein wesentlicher Infrastrukturbaustein auf dem Weg zur Smart City. Bei Anwohnern steigt die Akzeptanz für smarte Leuchten, da sie nachts gedimmt und so als weniger störend empfunden werden.
LICHT: Wann und wo haben Sie das letzte Mal einen richtig schönen Sternenhimmel gesehen?
Kai Bienkowski: Das ist gar nicht lange her und zwar hier in Deutschland. Im Sauerland, wo ich wohne, ist die Natur meist nur ein paar 100 Meter entfernt, und schon ist der Sternenhimmel zu sehen. Das liegt natürlich vor allem daran, dass die Städte hier nicht so groß sind und die Zahl der Lichtpunkte entsprechend geringer ausfällt als in den Metropolen. Jeder der uns hier einmal besuchen kommt, profitiert davon also in mehrfacher Hinsicht!
LICHT: Herr Bienkowski, vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Informationen:
TRILUX Akademie, www.trilux-akademie.com/de
Das Interview führte Emre Onur, Chefredakteur LICHT