Licht als kostbares Gut
Der folgende Beitrag von David M. Kretzer untersucht, welche Auswirkungen die Außenbeleuchtung in informellen Siedlungen hat. Die Arbeit entstand im Rahmen eines Doktorats an der ETH Zürich (2017-2021) und behandelt die Hintergründe, Methodiken und Ergebnisse einer Fallstudie aus Caracolí bei Bogotá (Kolumbien), wo Kretzer selbst einige Tage lebte und Erfahrungen sammeln durfte.

1. Einleitung
Heutzutage leben über eine Milliarde Menschen in informellen Siedlungen (United Nations, 2019), für deren Bezeichnung je nach Sprachregion und Konnotationsabsicht auch Begriffe wie Slum, Squatter Settlement oder Favela verwendet werden (siehe dazu UN-Habitat, 2003, S. 9-10). Informelle Häuser wachsen inkrementell in Abhängigkeit von den verfügbaren finanziellen Mitteln ihrer Bewohner (Kamalipour & Dovey, 2019). Daher ist der informelle »öffentliche« Raum, welcher primär von Straßen und Plätzen gebildet wird, einer konstanten physischen Transformation unterworfen (Hernández-García, 2013). Die Straßen werden von den Siedlern oft als Erweiterung ihres Wohnraums genutzt, was zur Entstehung semi-privater Bereiche im öffentlichen Raum führt (Ibid.). In erster Linie bewegen sich die Bewohner zu Fuß in ihren Siedlungen fort (Pendakur, 2011).
Die Literatur nimmt wenig Bezug auf die Beleuchtung des öffentlichen Raums in informellen Siedlungen. Das scheint daran zu liegen, dass schon das übergeordnete Thema, also der informelle öffentliche Raum, nur bedingt erforscht worden ist (siehe Hernández-García, 2013). Daher betrachtet die hier vorliegende Studie1 zwei Aspekte des nächtlichen öffentlichen Raumes einer informellen Siedlung, nämlich das nächtliche Leben, was sich in ihm abspielt, sowie dessen Beleuchtungssysteme. Den örtlichen Rahmen für diese Untersuchung bildet eine Siedlung in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá.