Planung
Licht 4 | 2021

Kreativität zwischen mittelalterlichen Mauern

Lichtkonzept für das Hotel Münchner Hof in Regensburg

Auch an einem so traditionsreichen Standort wie der historischen Altstadt Regensburgs kann ein Hotel nur erfolgreich sein, wenn die Betreiber die Bedürfnisse zukünftiger Gäste vorwegnehmen. Das gelingt im neu gestalteten Altstadtquartier Hotel Münchner Hof durch die Fusion aus Gastlichkeit und Kultur – und mit einem differenzierten Lichtkonzept auf dem neuesten technischen Stand.

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Abb.: Der ehemalige Wirtshaussaal im Hotel Münchner Hof war bereits zu seiner Entstehungszeit 1901 eine Sensation. Heute fügt die beleuch­tete goldene Voute dem Tageslicht der Glasdecke eine warme Komponente hinzu. Frieder Blickle für Flos

Dass die Hotelchefin Kathrin Fuchshuber ein Händchen für moderne Konzepte in mittelalterlichen Mauern hat, bewies sie bereits mit der Dependance »Blauer Turm« schräg gegenüber vom Stammhaus an der Tändlergasse: Kurz nachdem sie 2010 die Leitung des Münchner Hofs von ihrer Mutter Karin Helmberger übernommen hatte, schuf sie dort in einem keine zehn Meter breiten, aber dafür über 800 Jahre alten Gebäude sieben ebenso komfortable wie individuelle Gastzimmer.

Schauwerkstatt als Design-Impuls

Diese Konzeptstärke kommt nicht von ungefähr – bevor sie in den Familienbetrieb einstieg, arbeitete Kathrin Fuchshuber erfolgreich als Kommunikationsdesignerin. Im neu gestalteten Münchner Hof bilden modernes Design und traditionelle Elemente aus dem gastronomischen Erbe eine Fusion mit einer weiteren Familientradition, nämlich jener des Druckgewerbes und speziell der Lithografie: Kathrin Fuchshubers Bruder Johannes Helmberger leitet die im Jahr 1801 als Grafische Kunstanstalt gegründete und seit sechs Generationen im Familienbesitz befindliche Druckerei Fr. Ant. Niedermayr, aus deren historischem Fundus jetzt eine Schauwerkstatt im Erdgeschoss des Hotels bespielt wird.

Basis des Konzepts ist ein Dreiklang der Räume: Mit großen Fenstern öffnet sich die Schauwerkstatt zur Gasse, dahinter liegen die Lounge, die auch als zusätzlicher Frühstücksraum dient, sowie der große Frühstücksraum im ehemaligen Wirtshaussaal mit seinem spektakulären Glasoberlicht aus der Zeit des Jugendstils. Jeder dieser Räume bezieht aus seiner Einrichtung und Beleuchtung eine spezifische, dichte Atmosphäre, die auf die unterschiedlichen Nutzungen abgestimmt ist.

Wohnliche Atmosphäre in der Lounge

Mit der Schauwerkstatt entstand ein multifunktionaler Raum, der mit kleinen Ausstellungen und Kulturveranstaltungen nicht nur Hotelgäste, sondern auch die Bürger der Stadt einlädt. Eine funktionsfähige Lithografiepresse als Blickfang setzt das Leitmotiv, das von der Beleuchtung unterstrichen wird: Das von Vincent Van Duysen für Flos gestaltete Lichtsystem »Infra-Structure« bringt als schwarzes Linienraster ein industrielles Designelement in den hell getünchten Raum, sorgt mit indirekt abstrahlenden Leuchten in warmweißen 2700 Kelvin für weiche Grundhelligkeit und bietet mit LED-Strahlern und Pendelleuchten die Möglichkeit, Exponate, Raumzonen oder Arbeitstische flexibel durch Licht hervorzuheben.

Abb.: Mit der Schauwerkstatt entstand ein multifunktionaler Raum für Ausstellungen und Workshops. Die Lithografiepresse als Blickfang setzt das Leitmotiv, das von der Beleuchtung unterstrichen wird. Frieder Blickle für Flos

Abb.: Sowohl die Farbgestaltung als auch die Möblierung und das Licht erzeugen in der Lounge eine intime Stimmung. Frieder Blickle für Flos
Abb.: »Infra-Structure« bringt als schwarzes Linienraster ein industrielles Designelement in den hellen Raum. Mit Strahlern und Pendelleuchten bietet das System kreative Beleuchtungsoptionen. Frieder Blickle für Flos

Ein halbhoher Radiator dient als Raumteiler zur Lounge. Während der Fliesenboden im Kalkstein-Look durchläuft, herrscht hier dank Farbgestaltung, Möblierung und Licht eine völlig andere, intimere Stimmung. Komfortable Designerpolstermöbel und eine in Magenta angelegte Wand zur Präsentation von Fotos und Grafiken senden ebenso zeitgemäße Signale wie das Karree aus bündig in die Decke eingelassenen »Tracking-Magnet-Stromschienen­«. In der Schiene montierte Lichtstreifen spenden hier die gedämpfte Grundbeleuchtung, miniaturisierte zylindrische »Spot 90 Strahler« setzen brillante Akzente auf Tische und Exponate. Zwei unterschiedlich hohe Stehleuchten aus der Serie »IC Floor«, die der Designer Michael Anastassiades für Flos kreiert hat, tragen zusätzlich zum wohnlichen Charakter dieses Bereichs bei; ein erhaltenes altes Bleiglasfenster sorgt wiederum für die richtige Dosis Bodenständigkeit.

Ein Saal wie aus dem Bilderbuch

Umso überwältigender ist der Raumeindruck, wenn man aus der Lounge in den ehemaligen Wirtshaussaal tritt. Er war bereits zu seiner Entstehungszeit 1901 eine Sensation, als die damaligen Betreiber den Innenhof überbauten und über eine große Glasdecke mit Tageslicht versorgten. Mehrfach um- und rückgebaut, begeistert der Saal jetzt wieder mit den originalen Holzvertäfelungen, Stuckaturen und floralen Glasmalereien auf dem Oberlicht. Doch auch hier setzte Kathrin Fuchshuber kreative Akzente, etwa mit dem zarten Grünton der Vertäfelung, der mit echtem Blattgold am Bartresen und in der Deckenvoute korrespondiert. Geschreinerte Wirtshaustische und traditionelle Stühle aus dunkel gebeiztem Holz üben sich in vornehmer Zurückhaltung.

Abb.: Ergänzt wird die Raumbeleuchtung im Wirtshaussaal durch Tracking-Magnet-Schienen an den Längswänden. Frieder Blickle für Flos

Abb.: Das i-Tüpfelchen im Hotelsaal, der wie aus dem Bilderbuch wirkt, bilden die eleganten kabellosen Tischleuchten »Bon Jour Unplugged«. Frieder Blickle für Flos

Zum Tageslicht der Glasdecke fügt die indirekt beleuchtete goldene Voute eine angenehm warme Grundkomponente hinzu. Ergänzt wird die Raumbeleuchtung durch »Tracking-Magnet-Schienen­« an den Längswänden, die neben diffus abstrahlenden Lichtstreifen auch die Auslegerleuchten »Wallee« tragen, um Plakatkunst aus der Familiendruckerei in Szene zu setzen. Drei »String Light Sphere­«-Pendelleuchten, ebenfalls Entwürfe von Michael Anastassiades, markieren die Bartheke im Raum. Das i-Tüpfelchen bilden schließlich die eleganten kabellosen Tischleuchten »Bon Jour Unplugged«, mit denen Designer Philippe Starck eine zeitgemäße Alternative zum Kerzenleuchter geschaffen hat.

Drahtlose Dramaturgie

Um in der gesamten Raumabfolge das Licht situationsgerecht regeln zu können, wurden durchgängig dimmbare Versionen der Leuchten eingesetzt – teils, wie im Fall der »String Light Sphere«-Pendelleuchten, sogar mit drahtloser Bluetooth-Steuerung. In enger Zusammenarbeit schufen Bauherrin, Planer und Handwerker für das Altstadtquartier Münchner Hof eine schlüssige Dramaturgie von Raum und Licht: Attraktiv für die Gäste von heute und morgen, in seiner Gestaltungsqualität dem Standort angemessen – wird doch Regensburg seines besonderen Flairs wegen gerne die »nördlichste Stadt Italiens« genannt.

Weitere Informationen:

Projekt: Hotel Münchner Hof, Regensburg, www.muenchner-hof.de

Leuchten: Flos, Regensburg, www.flos.com

Fotos: Frieder Blickle für Flos

Dieser Artikel ist erschienen in