Kirchenlicht im Hintergrund
Der 900 Jahre alte Dom von Volterra, der auch als Kathedrale Mariä Himmelfahrt bekannt ist, gilt als eines der imposantesten Beispiele der pisanischen Romanik. Im Zuge einer Restaurierung wurde die Beleuchtung modernisiert. Anstatt alles zu überstrahlen, tritt sie jedoch andächtig in den Hintergrund.

Die Stadt Volterra zieht vor allem anspruchsvolle Touristen an, die auf der Suche nach wenig bekannten Schätzen von großem historischen und künstlerischen Wert sind. Der Dom von Volterra ist einer dieser Schätze. Das Symbol des mittelalterlichen Volterra und eines der schönsten Beispiele der pisanischen Romanik wurde 1120 geweiht und beherbergt sowohl antike als auch moderne Kunstwerke. Anlässlich des 900. Jahrestags ihrer Weihe beschloss die Diözese Volterra im Jahr 2016, die gesamte Kirche architektonisch und strukturell zu restaurieren. Die Modernisierung der Beleuchtung wurde dem Architekten und Lichtdesigner Massimo Iarussi übertragen, der sich insbesondere im historisch-künstlerischen Bereich einen Namen gemacht hat.
Licht als organische Präsenz
Nach mehr als zwei Jahren Restaurierung ist die Kathedrale wieder für das Publikum geöffnet, die Arbeiten zur Konsolidierung sowie zur Modernisierung des Beleuchtungssystems sind im Gange. Das Beleuchtungsprojekt von Massimo Iarussi basiert auf dem Konzept des »Lichts, das im Hintergrund bleibt« – als organische Präsenz im umliegenden Raum, die es Besuchern erlaubt, die architektonischen und künstlerischen Details der Kathedrale zu bewundern und nicht nur ihr Licht.
»Das beste Lichtprojekt ist eins, das im Hintergrund bleibt«, so fasst der Lichtdesigner Iarussi seine Entwurfsphilosophie zusammen. Auch bei dem Projekt der neuen Beleuchtung für die Kathedrale von Volterra will das Licht nicht im Mittelpunkt stehen und Selbstzweck sein, sondern eher organisch zum Raum wirken, von dem es umgeben ist. So kann der Besucher den Raum als Ganzes genießen. Um sein Konzept umzusetzen, entwarf der Architekt besondere Hängevorrichtungen aus Alabaster. Die leuchtenden Laternen sind unter den Bögen positioniert, die die Kirchenschiffe unterteilen. Sie sorgen für ein weiches und diffuses Licht und eine perfekt ausgewogene Beleuchtung in den verschiedenen Bereichen der Kathedrale. Zudem verdecken sie die Projektoren, die zur Beleuchtung der Kassettendecke vorgesehen sind.

Hommage an die Stadt Volterra
Die Kathedrale ist das Ergebnis einer Überlagerung von Elementen und Stilen aus verschiedenen Epochen, die sie zu einem Ort von unschätzbarem künstlerischen und kulturellen Wert machen. Der Raum hat zwar die Form einer dreischiffigen Basilika mit lateinischem Kreuz, ihr Aussehen erinnert jedoch auch an die Spätrenaissance. Die Kassettendecke stammt aus dem 16. Jahrhundert, während die Stuckverkleidung der Säulen, der Boden und die mit weißen und grauen Bändern bemalten Wände auf Restaurierungsarbeiten aus dem 19. Jahrhundert zurückgehen.
Die Aufhängungen aus Alabaster ergänzen die Kathedrale um ein neues Element, das Ausdruck der künstlerischen und handwerklichen Tradition des dritten Jahrtausends ist. Die Laternen sind eine Hommage, die der Beleuchtungsdesigner der Stadt Volterra erweisen wollte; die Stadt gilt als europäische Hauptstadt für die Verarbeitung des kostbaren Materials. Alle Elemente der Leuchte repräsentieren die meisterhafte Arbeit verschiedener Handwerker: der Handwerker, der den Alabaster bearbeitet hat, der Schmied, der die Metallstruktur geschmiedet hat, und Targetti als Schöpfer des technologischen Herzstücks der Leuchte.
Die Laternen tragen zur allgemeinen Beleuchtung der Kathedrale bei, während die Leuchten im Inneren die Decke erhellen und auf dem Boden spektakuläre Akzente setzen. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Targetti schuf eine Art Metalltablett, in dem die Leuchten für verschiedene Lichtszenen untergebracht sind. Ein Ring aus LED-Streifen umgibt das Metalltablett und dient als Hintergrundbeleuchtung für die Alabaster-Leuchte. Zwei maßgefertigte Projektoren, die von der »Zeno«-Reihe inspiriert sind, verfügen über eine spezielle verstellbare Halterung, um die Kassettendecke zu beleuchten, während im unteren Teil ein kleiner Einbaustrahler – abgeleitet von der »Label-48-V-Reihe« – den Boden beleuchtet.

Seitenschiffe und Altar im rechten Licht
Die Seitenschiffe sind indirekt beleuchtet. Die Gewölbe werden durch lineare Projektoren aufgewertet, die an den vorhandenen Ketten positioniert sind. Der vom Lichtplaner angestrebte Effekt, den er erzielte, indem er beispielsweise die richtigen Abstände der Leuchten zu den Wänden bestimmte, ist extrem weich, ohne besondere Akzente oder Flecken. An den Ketten sind zudem schwarze 48-V-Stromschienen zur Versorgung von eingesetzten »Label«-Miniprojektoren angebracht – drei auf jeder Seite. Die Projektoren beleuchten die mit feinen Fresken geschmückten Seitenkapellen.
Im nüchternen Altarbereich liegt der Fokus auf Skulpturen und religiösen Elementen. Die Beleuchtung erfolgt durch maßgefertigte Projektoren. Sie sind ebenfalls von der Serie »Zeno« inspiriert und mit einem Wandbefestigungsbügel ausgestattet und beleuchten verschiedene vertikale Ebenen: das Gesicht des Zelebranten und den Altar, der die heiligen Reliquien beherbergt.
Die Orgel hinter dem Altar wird durch reflektiertes Licht aus dem Apsisgewölbe beleuchtet, so dass sie fast in gedämpftem Licht bleibt und die Blicke auf die religiösen Elemente gelenkt werden. Besondere Aufmerksamkeit galt den Vorderkapellen des Querschiffs, die die wichtigsten Kunstwerke der Kathedrale beherbergen. Dazu gehört beispielsweise die Kreuzabnahme aus Holz. Sie haben ihren mittelalterlichen Charakter bewahrt, da sie späteren Veränderungen entgingen, und werden mit geringer Leuchtdichte und wärmeren Tönen beleuchtet.
Licht und Schatten für verschiedene Anlässe
Das neue Beleuchtungssystem der Kathedrale von Volterra wird vollständig mit dem DALI BUS-Protokoll verwaltet, das es ermöglicht, verschiedene Szenen für unterschiedliche Anlässe zu schaffen. Die Kirche ist nicht nur ein beliebtes Ziel für Touristen, sondern gleichzeitig ein wichtiger Bischofssitz und dient zur Durchführung verschiedenster Gottesdienste. Der Architekt Iarussi hat acht Lichtszenen geschaffen, durch die die Skulpturen und die architektonischen und religiösen Elemente auf stets andere Weise hervorgehoben werden.

Eines der Lichtszenarien für die Liturgie lässt den historischen Hochaltar im Schatten, damit dieser nicht mit dem modernen Altar konkurriert, welcher der Mittelpunkt dieses Szenarios sein soll. Die Beleuchtungsszenarien für die Besichtigung durch Touristen oder Konzerte setzen den Fokus hingegen auf die gestalterischen Elemente des historischen Altars, während der moderne Altar stattdessen im Schatten bleibt. Ein ähnliches Kriterium lag der Beleuchtung der Gemälde und der historischen Details zu Grunde: Während der Besichtigung durch Touristen, wenn also keine Messen gefeiert werden, werden die liturgischen Elemente nur schwach beleuchtet; und andersherum bleiben die Werke mit vorrangig künstlerischem Wert während der Gottesdienste im Halbschatten.
Die feierlichen Anlässe haben dann wie ein trait d‘union eine verbindende Wirkung, in der alle Werke und architektonischen Elemente maximal hervorgehoben werden. Alle Szenografien können direkt über ein Tastenfeld in der Sakristei der Kirche abgerufen werden, sodass sie für alle Beteiligten der Kathedralenverwaltung leicht zugänglich sind.
Weitere Informationen:
Projekt: Dom von Volterra
Fertigstellung: 2019
Architekt: Giorgio Bascià
Lichtdesigner: Massimo Iarussi, Florenz (I), www.massimoiarussi.it/en
Leuchten: Targetti, Florenz (I), www.targetti.com/de
Quelle: Targetti
Fotos: Targetti