Hohe Sicherheit und Energieeffizienz
Große Städte bedeuten viel Verkehr und folglich erhöhte Anforderungen an die Sicherheit der Fahrer und Passanten. (Umgehungs-)Tunnel bringen eine Entlastung der hochfrequentierten Straßen. Doch auch hier muss die Sicherheit im Fokus stehen. Deshalb wird im australischen North-Connex-Tunnel auf eine Beleuchtungslösung gesetzt.

Abb. 1: Der neun Kilometer lange North-Connex-Doppeltunnel verbindet im Norden Sydneys die Autobahnen M1 und M2 miteinander und entlastet die Pennant Hills Road um bis zu 5.000 LKW und Busse pro Tag. Foto: Transurban/NorthConnex
Sydney bildet nicht nur das Industrie-, Handels- und Finanzzentrum Australiens, sondern gilt als eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Damit das so bleibt, wurde der North-Connex-Tunnel gebaut und am 31. Oktober 2020 eingeweiht. Bei dem Projekt mit einem Volumen von drei Milliarden australischen Dollar handelt es sich um den tiefsten Straßentunnel Australiens, der bis zu 90 Meter unter der Erde verläuft. Der neun Kilometer lange North-Connex-Doppeltunnel verbindet im Norden Sydneys die Autobahnen M1 und M2 miteinander. Er entlastet die Pennant Hills Road – eine der am stärksten von Staus betroffenen Straßen im Bundesstaat New South Wales mit einem täglichen Verkehrsaufkommen von etwa 100.000 Autos – um bis zu 5.000 LKW und Busse pro Tag. Dies, weil Gefährte von mehr als 12,5 Meter Länge und einer Höhe von über 2,80 Meter den gebührenpflichtigen Tunnel nutzen müssen. Bislang fahren pro Tag circa 37.000 Fahrzeuge durch das Bauwerk, das über zwei Röhren mit jeweils zwei Spuren und einer Nothaltespur verfügt (Abb. 1).

110 Tonnen vorkonfektionierte Leistungs- und Buskabel
Aus Sicherheitsgründen müssen sich die Augen der Verkehrsteilnehmer bei der Ein- und Ausfahrt von Tunneln auf unterschiedliche Lichtverhältnisse einstellen (Abb. 2). Intelligente Beleuchtungslösungen sind erforderlich, um die Nutzer sanft an die Helligkeitsunterschiede heranzuführen. Im North-Connex-Tunnel werden zudem fünf verschiedene Installationen an den Wänden eingesetzt, sodass die Aufmerksamkeit der Fahrer aufrechterhalten wird: drei weiß oder blau hinterleuchtete Waldsilhouetten in Richtung Norden sowie einen Sternenhimmel und Geschwindigkeitslinien in Richtung Süden. Dafür wurde North-Connex am 25. Juni 2021 mit einem Preis der International Association of Lighting Designers Awards (IALD) ausgezeichnet (Abb. 3).

Aber wie sieht die Lösung aus, die die Unternehmen Schréder, Betacom für die Systemintegration und Phoenix Contact umgesetzt haben? In dem von Betacom entwickelten, gelieferten und in Betrieb genommenen Konzept werden mehr als 6.000 LED-Leuchten der Produktfamilien »Omnistar« und »GL2 Compact« über insgesamt 592 Treiberboxen von Phoenix Contact als Teil des Advanced Tunnel Control Systems (ATS) angesteuert. In den Boxen befinden sich die LED-Treiber, die der Regelung der Leuchten dienen. Die exakte Position der Leuchten und der Treiberboxen ist auf Basis einer photometrischen Analyse der späteren Tunnel-Beleuchtung durch Schréder definiert worden. Parallel zu den vorbereitenden Arbeiten wurden 110 Tonnen Leistungs- und Buskabel vorkonfektioniert auf die Baustelle gesendet. Jedes Kabel ist vorab zugeschnitten, mit den notwendigen Steckern versehen und beschriftet worden. Darüber hinaus wurde Betacom schon vor der Herstellung der Leitungen ein typisches Problem abgenommen. Da das QPD-Installationssystem mit einer automatischen Phasendrehung ausgestattet ist, werden die drei Phasen des Leistungsanschlusses gleichmäßig belastet. Die Planung der Elektroinstallation wird dadurch erheblich vereinfacht. Auch das zeitaufwändige »Durchklingeln« der Leitungen und das anschließende Umverdrahten kann entfallen (Abb. 4).

Selbst in Betrieb nehmende Treiberboxen
Aufgrund der konsequenten Verwendung des QPD-Installationssystems mit der bewährten Quickon-Schnellanschlusstechnik lassen sich alle genutzten Komponenten zeitsparend montieren. Die Treiberboxen beinhalten sowohl die LED-Treiber ebenso wie die Anschalt-Elektronik »Lumgate«. Die »Lumgate«-Technologie erlaubt eine freie Auswahl der am Markt erhältlichen LED-Treiber, weshalb sie universell einsetzbar ist. Neben den Leistungsleitungen werden die Treiberboxen über ein Bussystem an die Beleuchtungssteuerung angekoppelt (Abb. 5).

Die Anschaltung trägt ebenfalls zur einfachen Inbetriebnahme bei. Durch den Commissioning Mode wird ein während der Installation auftretendes Problem sofort erkannt. Sobald die Treiberbox die Kommunikation mit der Steuerung gestartet hat, nimmt sie sich selbst in Betrieb. In diesem Kontext durchläuft sie eine Sequenz, in der die LED-Leuchten mehrfach von dunkel auf hell gedimmt werden. Indem der Prozess reibungslos abgearbeitet wird, ist sichergestellt, dass die LED-Leuchten und die Treiberboxen korrekt angeschlossen sind.
65 vordefinierte Beleuchtungsszenarien
Ein Novum bei der Installation solch komplexer Systeme ist, dass die Adressierung automatisch anhand der Position der Leuchte im Tunnel durchgeführt wird. So lässt sich die im Vorfeld erstellte Beleuchtungskonfiguration durch die photometrische Analyse direkt an die Leuchte ausgeben, ohne dass eine manuelle Zuordnung erforderlich ist. Bei einer maximalen Ausdehnung von 96 Kilometer können pro Advanced Tunnel Solution (ATS) insgesamt bis zu 4.320 LED-Leuchten automatisiert in Dienst gestellt werden. Das ATS wird stets mit einem entsprechenden Applikationsprogramm ausgeliefert, sodass bei der Installation keine Zusatzarbeiten anfallen. Es erfasst die Umgebungsbedingungen des Tunnels mit bis zu vier Luminanz-Sensoren (L20 Meter). Die Messwerte der Sensoren werden in der Anwendung ausgewertet, um ein ideales Beleuchtungsniveau für den kompletten Tunnel zu erhalten.
Die eigentliche Ansteuerung der Anschalt-Elektronik »Lumgate« und der LED-Treiber ist in 50 unterschiedlichen Szenarien vordefiniert. Darüber hinaus sind 15 Sonderszenarien hinterlegt, die bei speziellen Situationen – beispielsweise in einem Notfall oder bei einem gefährlichen Ereignis – höher priorisiert zur Anwendung kommen. Die Vorgabe der innerhalb des Tunnels aktuell geltenden Höchstgeschwindigkeit hat ebenfalls einen Einfluss auf die notwendige Lichtstärke und ist daher in der Steuerung berücksichtigt. Die jeweilige Konfigurationsdatei, die der Controller selbständig einliest, bildet mit den anderen Rahmenparametern die Grundlage für die Beleuchtungssteuerung. Die eigentliche Ansteuerung des »Lumgates« erfolgt auf Basis der 50 Beleuchtungsszenen, welche direkt aus der photometrischen Analyse importiert werden. Auf diese Weise ist dafür gesorgt, dass die Vorgaben des Tunnelbetreibers respektive die gesetzlichen Richtlinien genau erfüllt werden. Außerdem wird nur so viel Licht erzeugt, wie gerade erforderlich ist, was sich positiv auf die Energiekosten auswirkt.
Konstante Lichtstärke über die gesamte Einsatzzeit
Der Energiebedarf der Beleuchtung ist tatsächlich der größte Verbraucher innerhalb des Tunnels, weshalb sich in diesem Bereich das stärkste Einsparpotenzial ergibt. Die LED-Leuchten unterliegen einer technisch bedingten Ausgangsleistung. Phoenix Contact hat hier gemeinsam mit Schréder eine Lösung entwickelt, die über die gesamte Lebenszeit der Installation eine konstante Lichtstärke zur Verfügung stellt. Dabei werden die Reinigungsintervalle der Tunnelleuchten ebenso einbezogen wie die altersbedingten Verluste der LEDs. Aus den oben genannten Einflussfaktoren resultieren mehrere tausend Parameter, die in die Steuerung des ATS einfließen und dem Systemintegrator in vordefinierter Form zur Verfügung gestellt werden. Als letzter Schritt findet dann die Anbindung der Advanced Tunnel Solution an das Leitsystem des North-Connex-Tunnels statt. Zu diesem Zweck lassen sich standardisierte Protokolle nutzen.
In Summe hat sich die Integration von ATS in das Hauptnetzwerk des Tunnels als einfach erwiesen. Die Inbetriebnahme wurde neben Mitarbeitern der lokalen Tochtergesellschaft auch durch die technischen Experten von Schréder und Phoenix Contact aus Belgien und Deutschland unterstützt. Dies war trotz der Corona-Reisebeschränkungen möglich, da das ATS-Steuerungssystem einen Fernzugriff per Modem erlaubt. Abgesehen von den niedrigen Installationskosten durch die QPD-Anschlusstechnik zeichnet sich die Lösung durch hohe Energieeffizienz und damit eine Senkung der Betriebskosten über die Laufzeit aus – nicht zu vergessen die hohe Sicherheit durch eine situationsbezogene, zuverlässige Beleuchtung der Tunnelröhren (Abb. 6).

Weitere Informationen:
Autor: Jens Völse, Infrastructure Applications & Projects, Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont
Phoenix Contact Deutschland GmbH, Blomberg, www.phoenixcontact.com