HEINRICH EHRING (1929 – 2018 ), INDUSTRIEDESIGNER UND BILDHAUER
Heinrich Ehrings gestalterisches Motto lautete zeitlebens bescheiden: »Mich hat immer nur das Werden interessiert.« Beim Entwerfen von Produkten war für ihn »zwangsläufig die Funktion die überzeugende Sprache« – hier steht er ganz in der Tradition des Bauhauses. Die industrielle Fertigung wird nicht verleugnet, sondern im Gegenteil betont. Ehrings Entwürfe sind jedoch mehr als eine bloße Verkörperung der technischen Konstruktion. Sie sind meist Ausdruck des Skulpturalen als gestalterische Übersetzung der ihnen eigenen Herstellungsprozesse und verwendeten Materialien im Sinne einer exakt konstruierten, materialgerechten zeitlosen Ästhetik. Darüber hinaus hat Ehring im Produktdesign und hier insbesondere im Leuchtendesign immer wieder über vier Jahrzehnte Trends gesetzt.
Aus seiner Biografie
Seine kognitiven Fähigkeiten sind schon in früher Kindheit auffallend und sein erfolgreicher Werdegang wird geprägt sein durch Korrelation von Intuition und Kreativität. Nach seinem Schulabschluss 1943 bewirbt Ehring sich mit Erfolg um einen der rarsten und begehrtesten Ausbildungsplätze als Metallflugzeugbauer bei der renommierten Firma Ernst Heinkel in Rostock. Hier erarbeitet er sich seine umfassenden technologischen Kenntnisse im Umgang mit Metallbau und dessen vielfältigen Be- und Verarbeitungsmethoden. Präzision und rationeller Materialeinsatz, die im Flugzeugbau unabdingbar sind, faszinieren ihn und bestimmen fortan seinen Gestaltungsansatz. Das durch das Alliiertengesetzgebung bedingte Ende des Flugzeugbaus in Deutschland veranlasst Ehring zu einer beruflichen Umorientierung und einem Volontariat bei einem Goldschmied und Metallbildhauer. Hier entstehen Arbeiten im sakralen und profanen Bereich. Parallel absolviert er in Abendkursen eine Qualifikation in der Edelmetallverarbeitung.
Studium
In logischer Konsequenz schließt sich ein Studium an der Folkwangschule in Essen an. Bereits in den 1920er Jahren als Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen gegründet, wird 1948 der Fachbereich für Gestaltung integriert und ermöglicht damit eine interdisziplinäre und spartenübergreifende Ausbildung. Heinrich Ehring gehört gemeinsam mit fünf Kommilitonen zur ersten Studentengeneration unter den Professoren Hermann Schardt, Max Burckhards, dessen Buch »Die Schule des Schauens« (Prestel, München, 1962) bis heute als Standardwerk gilt und Werner Glasenapp, der »die gestalterische Einflussnahme auf die Industrieprodukte als Gesamtkunstwerk« versteht »in das gleichermaßen technische wie fabrikatorische, aber auch gebrauchsästhetische und lebenspraktische Aspekte eingingen und in dem die Umsetzbarkeit auf den ‚Märkten‘ und damit die Marketingkomponente eine wichtige, wenn auch nicht ausschlaggebende Rolle spielte.« (Zitiert nach Denkschrift der Folkwangschule für Gestaltung, Essen, Januar 1975). Während seines Studiums ist Heinrich Ehring Werkstudent und erhält wegen besonderer Leistungen mehrere Stipendien. Seine konzeptionellen Entwicklungen führen zu gebrauchsmusterfähigen Arbeiten.
Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss 1954 beginnt er bei der Lichttechnischen Spezialfabrik NOVALUX in Köln als Gestalter und Produktentwickler. Er entwirft technische Leuchten für den Innen- und Außenbereich, Metall-Lichtdeckensysteme und elektrische Haushaltsgeräte. Gemäß seines Studiums an der Folkwangschule, reicht Ehrings Designprozess von der Skizze, der Konstruktionszeichnung bis zum Modellbau. Ganz im Sinne Glasenapps Produktphilosophie entwickelt er neben der Produktästhetik auch das zugehörige Kommunikationsdesign. Die Fülle seiner fortschrittlichen Entwürfe wird größtenteils über Geschmacks- und Gebrauchsmuster abgesichert und führt u. a. zu wegweisenden neuen Leuchtenentwürfen. In mehreren Produktausstellungen werden seine Leuchten und Geräte in der Sonderschau »Gute Industrieform« auf der internationalen Hannover Messe, beim Landesgewerbeamt Stuttgart und »International Plastics Exhibition at Olympia«, London vorgestellt.
1964-1980 ist Ehring erneut Chefdesigner bei der Fa. NOVALUX und entwirft u. a. die Leuchten »Slimlight«, »Flatlight« und »Framelight«. Die »Slimlight« zeichnet sich durch eine extrem schmale Bauweise und graziles Erscheinungsbild aus. Die Leuchte wird mit ergänzenden Bauteilen, wie Eckverbindern, Leerprofilen, Abhängungen usw. zu einem harmonischen Lichtsystem. Als erster Designer in Deutschland gestaltet Heinrich Ehring für eine Langfeldleuchte bei seiner »Flatlight« ein stark abgerundetes Leuchtenchassis im Softline Design – leicht von der Deckenfläche distanziert in Verbindung mit dem entstehenden Schattenwurf löst sich die Leuchtenform sanft auf.
Ab 1981 übt Ehring freiberufliche Tätigkeiten für die Firmen THORN-EMI Beleuchtungsges. mbH/Arnsberg, NORKA Lichttechnische Spezialfabrik/Hamburg, PAN-Leuchten, W. Goebel-KG, Meudt und Merkelbach, BJB GmbH & Co. KG, Arnsberg, und Stölzle-Oberglas AG, Bärnbach, Wien, Österreich (seit 2002 GmbH, seit 1978 Teil der CAG-Grupp/Dr. Cornelius Grupp) aus. Für die Leuchtenfirma Milan Illuminación des Grafen von Bergamo entwarf er Lampenschirme aus Opalglas. Bei seinen Arbeiten für die PAN-Leuchten Sonderkollektion »Die Kunst am Licht« entstehen skulpturale Leuchten wie z. B. das Modell »Orbis«. »Die Spannung zwischen konkaven und konvexen Bewegungsabläufen ist Thema dieser skulpturalen Leuchte. Orbis – eine sich öffnende Kugel, aus deren Mitte die Formen nach Alexander Grupp außen fließen, gehalten von rhythmisch geschwungenen Schalen. Das glatte, im Halbdunkel liegende Äußere gibt ein helles Inneres frei, aus dem das Licht sanft den Umraum erhellt. Die Weißtöne des Porzellans bekommen im Spiel des Lichtes mit den Formen unterschiedliche Nuancen.« (Zitat: Katalog PAN, Pan-Leuchten W. Goebel KG, Meudt und Merkelbach).
Parallel wendet sich Ehring der plastischen Kunst zu. »Die Klarheit der Formen, die er bei den Industrieprodukten anstrebt, findet sich auch in seinen Skulpturen wieder, die vorwiegend in polierter Bronze ausgeführt wurden.« (Zitat: Katalog Merkelbach Manufaktur, Merkelbach, ohne Jahresangabe, ca. 1985).
1991 erleidet er einen schweren gesundheitlichen Einbruch verbunden mit der Einschränkung seiner taktilen skulpturalen Fertigkeiten. Er wendet sich der Fotografie und Computergrafik zu und hinterlässt neben unzähligen Produktentwicklungen eine umfangreiche Sammlung an Grafiken, Skizzen und Skulpturen.
Heinrich Ehring stirbt 2018 im Alter von 88 Jahren in Berlin. Eine Ausstellung seiner Skulpturen ist in Planung.
Heinrich Ehring: »Eine Form ist erst dann gut, wenn ich nichts mehr weglassen kann.«
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Autorin: Sabine Röck, Berlin