Gesünderes Licht für die Schichtarbeit
Für gesündere Lichtverhältnisse bei der Schichtarbeit entwarfen die Wissenschaftler der Hochschule München, Johannes Zauner und Prof. Dr. Herbert Plischke von der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik, gemeinsam mit dem Lichtplanungsbüro 3lpi ein neues Lichtsystem.

Natürliches Tageslicht synchronisiert als Zeitgeber täglich die innere Uhr und beeinflusst unter anderem über das Hormon Melatonin die Schlafqualität. Durch den Einsatz künstlichen Lichts nimmt die Notwendigkeit ab, den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus einzuhalten. Eine mögliche Folge: Die innere Uhr kommt »aus dem Takt«, was man auch als Chronodisruption bezeichnet. Insbesondere Langzeit-Nachtschichtarbeiter sind vermehrt künstlichen Lichtquellen zu ungünstigen Tageszeiten ausgesetzt und tragen dadurch ein erhöhtes Risiko für Chronodisruption. Die Folgen können unter anderem Störungen der Leistungsfähigkeit, des Stoffwechsels und des Herz-Kreislauf-Systems sein. Für gesündere Lichtverhältnisse entwarfen die Wissenschaftler Johannes Zauner und Prof. Dr. Herbert Plischke von der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik der Hochschule München gemeinsam mit dem Lichtplanungsbüro 3lpi ein Lichtsystem für Schichtarbeiter in der industriellen Produktion.

Berücksichtigung der Effekte nicht-visuellen Lichts am Schichtarbeitsplatz
Neben den Wirkungen des visuell wahrnehmbaren Lichts, hat auch nicht-visuelle Strahlung gesundheitliche Effekte, wie etwa die Steuerung des zirkadianen, d. h. des tageszeitabhängigen Rhythmus und des Schlaf-Wach-Rhythmus. Jene beeinflusst auch die kognitive Leistungsfähigkeit. Verantwortlich für die Aufnahme nicht-visueller Strahlung sind lichtsensible Ganglienzellen in der Retina des Auges, die für blaues Licht empfindliches Melanopsin enthalten. Bei der Entwicklung eines neuen Beleuchtungssystems für Schichtarbeitende integrierte das Team der Hochschule München den aktuellen Wissensstand über diese nicht-visuellen Strahlungseffekte: Zunächst erfassten die Forscher die Beleuchtung einer Produktionsstätte in einer etwa 130 m2 großen Industriehalle auf nicht-visuelle sowie grundlegende, visuelle Aspekte. Dazu gehören die nicht-visuellen Reizstärke in Augenhöhe der Arbeitnehmer (MEDI) sowie die horizontale Beleuchtungsstärke in ihrem Arbeitsbereich, ein Maß für die Arbeitsplatzhelligkeit.

Leuchte »Drosa« mit dosierbarem Licht
Auf Basis ihrer Untersuchungen entwickelten die Projektpartner 3lpi und das Team der Hochschule München die Zwei-Komponenten-Leuchte »Drosa«, eine Kombination von zwei blendfreien LED-Leuchten mit in ihrem Winkel verstellbaren Flügeln. Ein individuell programmiertes Automatisierungssystem steuert bei »Drosa« die Lichtdosierung und den zeitlichen Ablauf des Strahlungsspektrums während des Tages und der Nacht. Durch die Automation wird das Lichtspektrum, die Bestrahlungsstärke und der Raum- und Einfallswinkel durch die Relation der Komponenten zueinander aufeinander abgestimmt – diese sind alle Einflussfaktoren für die nicht-visuelle Reizstärke. Die Leuchtenflügel können frei in jedem Winkel zwischen Null und 90 Grad verstellt werden.
Weniger Anstrengung beim Arbeiten
»Drosa« verringert die kognitive Anstrengung beim Arbeiten. Ist der nicht-visuelle Reiz am Morgen hoch, wird die innere Uhr auf den normalen Tagesablauf synchronisiert und Mitarbeiter werden schneller wach und aufmerksam. Das erfolgt durch einen hohen Blauanteil im kaltweißen Licht der LED-Strahler. Am Abend wird der nicht-visuelle Reiz auf den Mitarbeiter hingegen minimiert, während das Werkstück dagegen heller beleuchtet wird als es bei der Bestandsbeleuchtung der Fall war. Im Ergebnis wird die innere Uhr des Menschen und damit auch seine hormonellen Rhythmen durch Langzeitnachtschicht nur noch minimal verschoben. Das trägt zu einem guten Schlaf nach der Arbeit und einer erhöhten Langzeitgesundheit bei.
In vielfältigen Branchen anwendbar
»Das wichtige Ziel ist es, den zirkadianen Rhythmus von Arbeitnehmern in den Schichten zu stärken und zu stabilisieren und somit der Chronodisruption entgegenzuwirken«, so Zauner und Plischke. Das Prinzip der Leuchte »Drosa« und des nicht-visuellen Simulationsverfahren könnten aber nicht nur für die Schichtarbeit in der Industrie zur Anwendung kommen, sondern auch bei nächtlicher Büroarbeit, in Pflegeheimen und anderen Arbeitsbereichen, in denen die negativen Folgen von Schichtarbeit für die Nutzer gemildert werden sollen.
Realisiert wurde das Forschungsprojekt der Hochschule München im Zeitraum 2018 bis 2021, initiiert von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), in Kooperation mit dem Unternehmen RHI Magnesita und dem Lichtplanungs- und Ingenieurbüro 3lpi lichtplaner + beratende ingenieure.

Weitere Informationen:
Quelle: Hochschule München
Projektpartner: Johannes Zauner, Prof. Dr. Herbert Plischke, 3lpi lichtplaner + beratende ingenieure, www.3lpi.de
Publikationen:Zauner, J.; Plischke, H. Designing Light for Night Shift Workers: Application of Nonvisual Lighting Design Principles in an Industrial Production Line. Appl. Sci. 2021, 11, 10896. https://url.rpv.media/4og
Fotos: Johannes Zauner, 3lpi, Grafik: Zauner und Plischke, 2021, MDPI