Planung
Licht 2 I 2020

Frankfurts neue Mitte

Ansprechende Stadtbeleuchtung für den Dom Römer

Auf insgesamt 7.000 Quadratmetern entstand bis Herbst 2018 Frankfurts neue Mitte. Das Quartier stellt einen gelungenen Mix aus Neubauten und rekonstruierten Gebäuden dar, der typische Gestaltungselemente der historischen Frankfurter Altstadt aufgreift. Als Verbindung zwischen Dom und Römer weist das Quartier einen altstadttypischen Charakter auf und bringt historische Strukturen wieder zum Vorschein, die es auch bei Nacht ansprechend zu beleuchten gilt.

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Abb.: Das Lichtkonzept sollte die Altstadt-Atmosphäre wiederspürbar werden zu lassen und Leben in den geschichtsträchtigen Stadtkern von Frankfurt bringen. Norbert Miguletz

Als in Frankfurt die Sanierung des aus den 1970er Jahren stammenden technischen Rathauses zur Debatte stand, sahen viele Menschen die einmalige Chance das ungeliebte Verwaltungsgebäude aus der Stadtmitte verschwinden zu lassen. Auf der insgesamt 7000 m² großen Fläche konnten somit die alten Gassen und Plätze der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Altstadt wiederhergestellt werden. Der berühmte Königsweg der deutschen Könige und Kaiser, der die Verbindung zwischen Dom und Römer darstellt, sollte wieder begehbar sein. Die Idee fand eine überwältigende Resonanz, die in einem Architekturwettbewerb ausgeschrieben wurde. Das ausgelobte Architekturbüro (siehe Infokasten) hat unter Anleitung der DomRömer GmbH das alte Stadtviertel entstehen lassen. Die enge Bebauung mittelalterlicher Städte weckt häufig sentimentale Gefühle. Die kleinen Häuser entsprechen unseren Vorstellungen vom menschlichen Maß als die oft überdimensionierten Großbauten der Metropolen. Eine Altstadt im Herzen der modernen City hat die alten Strukturen der Kaiserplätze und Höfe zwischen Dom und Römer neu belebt, entweder als Nachbau nach dem historischen Vorbild oder als Neubau mit den Stilmitteln moderner Architektur, auf jeden Fall aber in den Original-Gebäudemaßen und mit Schiefer gedeckten Giebeldächern. Hühnermarkt, Hinter dem Lämmchen, Rebstock Hof – das sind Namen, die 70 Jahre lang nur noch in alten Plänen oder Berichten zu lesen waren. Nun feiern die romantischen Plätze, malerischen Gassen und versteckten Höfe ihr Comeback auf dem historischen Altstadtgrundriss.

Abb.: Die Lichtkonzeption sah vor, die Unterschiedlichkeit der Fassaden durch die Position der Leuchten zu unterstreichen. Norbert Miguletz
Abb.: Da bei fassadennahen Leuchten immer ein stärkerer »Lichtfleck« in Leuchtennähe auf den Fassaden zu erkennen ist, wurden die Leuchten zusätzlich mit einem zur Fassade gerichteten opalen Element abgemildert. Norbert Miguletz

Individuelle geplante Lichtpunkte

Eine der wichtigsten Aufgaben für das Lichtkonzept des renommierten Stadtviertels war es, die Altstadt-Atmosphäre spürbar werden zu lassen und ein frisches Leben in den geschichtsträchtigen Stadtkern von Frankfurt zu bringen. Die spannende Mischung aus Alt und Neu sollte keine isolierte Erlebniswelt darstellen, sondern als typisch Frankfurt, typisch Altstadt, typisch Dom und Römer wirken. »Stadt-Licht« ist immer auch »Raum-Licht«, deswegen hat die DomRömer GmbH zuerst eine umfangreiche Studie der Raum-Licht-Situation in den benachbarten Gebieten in Auftrag gegeben. Die Licht-Raum-Analyse betrachtete die Umgebungshelligkeiten des Stadtquartiers, die Lichtfarben, Formsprachen der Leuchten, sowie die Helligkeiten und Lichtpunkthöhen. Auf Grundlage dieser Analyse wurde in Zusammenarbeit mit dem Gestaltungsbeirat ein Masterplan des Lichtkonzepts erarbeitet. Wichtige Elemente des Plans waren die Lichtführung, die sorgfältige Wahl der Leuchtenpositionen und deren Integration in die historischen und modernen Fassaden sowie die gesamte Raumwirkung. Sowohl die Licht-Raum-Analyse als auch das Konzept wurden in zahlreichen politischen und gestalterischen Gremien vorgestellt und diskutiert. Die Form der Leuchte, die Intensität der Raumaufhellung und des Raumerlebnisses am Abend standen im Vordergrund der Diskussionen. Dabei wurde auch betont, dass der DomRömer nicht nur eine kommerzielle Nutzung hat, sondern auch die Funktion eines Wohnquartiers erfüllen muss.

Abb.: Bei einer Lichtpunkthöhe von 3,80 m bis 6,00 m bespielen 23 Mastleuchten, 32 Wandleuchten, 7 Deckenaufbauleuchten und eine Pendelleuchte das Areal. Norbert Miguletz

Die Bedeutung und die Sorgfalt der Gestaltung der Fassaden des DomRömer-Areals hat Prof. Mäckler in seinem Festvortrag am Tag der Eröffnung in der Frankfurter Paulskirche hervorgehoben< »Die Außenwände der Innenräume sind die Innenwände der Außenräume«, und weit wichtiger als die Grundrisse, denn Wände geben dem Stadtraum das Gesicht. Das Gesicht am Tag, dem »Urban Code«, folgt das Abend- und Nachtgesicht – der »Light Code«. Die für das Areal entwickelte Leuchte musste nicht nur den Vorgaben der SRM (Straßenbeleuchtung Rhein-Main) und Normen entsprechen. Die zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen der Architekten und Landschaftsarchitekten hatten eine sehr hohe Informationsdichte, es vergingen mehrere Wochen bis sich nach und nach eine klare Struktur des Areals und der notwendigen Lichtstruktur entwickelt hat. Durch die heterogene Bebauungsstruktur sowie die Eigenheiten der einzelnen Fassaden ist jeder Lichtpunkt in Positionierung sowie Befestigung individuell geplant worden und vereint sowohl architektonische als auch stadtgestalterische Belange. Die Leuchten wurden aus den Bestandsdokumentationen auf Basis eines quadratischen Leuchtengehäuses nach langer Auseinandersetzung und unterschiedlichen Vorschlägen gewählt. Zwei unabhängig voneinander steuerbare Lichtkomponenten auf LED-Basis im Inneren der Leuchte sorgen zum einen für die normgerechte Ausleuchtung der Wege und zum anderen für den raumbildenden Lichtschleier auf den Fassaden. Einzelne ausgewählte Akzente im Quartier wurden lichttechnisch dezent in Szene gesetzt und sorgen für eine zusätzliche Rhythmisierung des Stadtraums.

Abb.: Die Leuchten wurden auf Basis eines quadratischen Leuchtengehäuses gewählt. Jeweils sechs dimmbare »LED-Glühstrümpfe« sorgen für die benötigte Helligkeit auf den öffentlichen Wegen und Plätzen. Norbert Miguletz

Lichtkonzept unterstreicht Fassaden

Die Lichtkonzeption sah vor, die Unterschiedlichkeit der Fassaden auch durch die Position der Leuchten zu unterstreichen. Bei einer Lichtpunkthöhe von 3,80 m bis 6,00 m bespielen 23 Mastleuchten, 32 Wandleuchten, 7 Deckenaufbauleuchten und eine Pendelleuchte das Areal. Diese Leuchten sind aus den Bestandsdokumentationen auf Basis eines quadratischen Leuchtengehäuses nach langer Auseinandersetzung und unterschiedlichen Vorschlägen gewählt. Im Innern der Leuchten bringen jeweils sechs gedimmte »LED-Gassubstitut-Glühstrümpfe« die benötigte Helligkeit auf den öffentlichen Wegen und Plätzen, ein weiterer »LED-Glühstrumpf«, der separat gedimmt ist, sorgt im oberen Halbraum des Quartiers für einen milden Lichtschleier auf diesen bedeutenden Fassaden. Da bei fassadennahen Leuchten immer ein stärkerer »Lichtfleck« in Leuchtennähe auf den Fassaden zu erkennen ist, wurde dieser zusätzlich mit einem zur Fassade gerichteten opalen Element abgemildert. Wenige Akzente sind im Areal zusätzlich inszeniert, da die Fülle an herausragenden Details überwältigend ist und eine Hervorhebung auf ein Minimum reduziert wurde. Bei der berühmten goldenen Waage, die von Prof. Jourdan, Jourdan & Müller Steinhauser Architekten, aufwändig rekonstruiert wurde, ist lediglich das Hauszeichen – der Arm mit den zwei goldenen Waagschalen – leicht von der gegenüberliegenden Leuchte aufgehellt. Weitere sechs Brunnenleuchten inszenieren den Stoltzebrunnen, welcher inmitten des Hühnermarktes eine Berechtigung für »etwas mehr Licht« hat. Die dritte und letzte zusätzliche Inszenierung ist die rekonstruierte Replik der Lämmchen Madonna von Claus Giel, Daniel Machholz und Stephan Kummer. Sie ziert die Südwestecke des »goldenen Lämmchens« und verdient ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit.

Die Bauphase hat sich als nicht weniger aufregend als die Konzeptentwicklungsphase erwiesen. Seitens der Stadt Frankfurt bestand der Wunsch, dass sowohl Kabel wie auch Unterkonstruktion und Leuchten jederzeit revisionierbar sind. Aufgrund der Hochwertigkeit jener Fassaden wäre ein »Öffnen« im Reparaturfall sehr schwierig und kostenintensiv. Bis zu zehn verschiedene Gewerke mussten teilweise für die Installation einer der »Leuchtstellen« koordiniert werden, was in der zweijährigen Montagezeit der Beleuchtungsanlage zu einer zeitintensiven Baubegleitung führte.

Inzwischen ist das Areal ein fester Bestandteil des Stadtgefühls Frankfurts. Den Planern und Handwerken ist es gelungen, tatsächlich keine isolierte Erlebniswelt, sondern einen lebendigen Stadtteil mit einer spürbaren Altstadt-Atmosphäre zu schaffen. Diese Bemühungen der Stadtverwaltung, der Architekten und Handwerker wurde Ende 2019 mit der höchsten MIPIM-Auszeichnung gewürdigt. In den 5-6 Jahren der Planung und Bauzeit war für alle Beteiligten das Mitwirken an diesem Projekt eine Herzensangeleigenheit. Und wie der Bürgermeister der Stadt Frankfurt, Peter Feldmann, bei der feierlichen Eröffnung betonte: »Hier, im Herzen von Frankfurt an diesem Projekt mitzuwirken, war und ist eine besondere Auszeichnung, der alle Beteiligten gerecht wurden.«

Abb.: Sechs Brunnenleuchten inszenieren den Stoltzebrunnen, welcher inmitten des Hühnermarktes eine Berechtigung für »etwas mehr Licht« hat. Norbert Miguletz
Abb.: Die rekonstruierte Replik der Lämmchen Madonna ziert die Südwestecke des »goldenen Lämmchens« und erhält über die Beleuchtung eine besondere Aufmerksamkeit. Norbert Miguletz
Abb.: Visualisierung des Spaziergangs »öffentlich Verweilen«. Norbert Miguletz
Abb.: Visualisierung Durchgang »halböffentlich« beeilen. Norbert Miguletz

Auszeichnungen

Die DomRömer GmbH mit ihrem Projekt des Wiederaufbaus des alten Frankfurter Stadtzentrums hat den MIPIM Award 2019 gewonnen. Initiiert wurde die Award-Bewerbung durch die Wirtschaftsförderung unter Stadtrat Markus Frank, die diese mit der DomRömer GmbH umgesetzt hat. Insgesamt haben sich 205 Projekte aus 58 Ländern in 11 Kategorien um die MIPIM Awards beworben. Die international besetzte Jury hat 45 Projekte daraus für das Finale ausgewählt. Prämiert wurden die Preisträger von einer internationalen Jury sowie dem Messepublikum.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde das Projekt DomRömer GmbH mit dem Iconic Award in der Kategorie »Communication«. Mit ihrer transparenten Projektkommunikation zum Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt hat sie die Expertenjury des Rats für Formgebung überzeugt. Die gemeinsam von der DomRömer GmbH und den Agenturen Standard Rad und FuP Marketing und Kommunikation entwickelte Vermarktungsstrategie »Die Stadt lebt. Willkommen in der neuen Mitte Frankfurts« konnte sich dabei gegen viele andere kreative Einreichungen behaupten.

Weitere Informationen:

Auftraggeber und Bauherr: DomRömer GmbH, www.domroemer.de

Architekten: Bernd Albers, Dreibund Architekten, Jourdan, Müller und Steinhauser, Denkmalkonzept, dreysse architekten, Landes & Partner, Jordi & Keller Architekten, Morger Partner Architekten AG, Knerer und Lang, Eingartner Khorrami Architekten, Francesco Collotti, Hans Kollhoff, Schneider und Schumacher, von Ey Architekten, Johannes Götz, Riemann Architekten, Claus Giel, Meurer Architekten, Macholz Kummer Architekten, ENS Architekten

Bauleitung: schneider+schumacher, Jourdan & Müller Steinhauser Architekten, Macholz Kummer

Landschaftsarchitektin: BWP Corinna Endres Lichtplanung: Studio DL

Elektroplanung Hochbau: Ingenieurbüro Freudl & Ruth GmbH & Co. KG

Elektroplanung Tiefbau und Installation der Stadtbeleuchtung: SRM Straßenbeleuchtung Rhein-Main GmbH

Elektroausführung: BAUER Elektroanlagen Holding GmbH

Fotos: Norbert Miguletz

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