Eine Brücke in die Praxis
1 Einführung
Die Lichtmesstechnik ist ein wichtiger Bestandteil sowohl der Lichtforschung als auch der praktischen Lichttechnik. Generell dient sie, wie alle anderen Messtechniken auch, zur Erfassung von physikalischen und prozesstechnischen Kenngrößen, um einen physikalischen Zustand oder den Zusammenhang zwischen Eingangsgrößen und Ausgangsparametern eines Systems zu beschreiben, zu steuern oder zu regeln.
Die Lichtmesstechnik basierte bis heute auf der spektralen Hellempfindlichkeitsfunktion V(λ) für das Tagessehen mit einem 2°-Gesichtsfeld, die im Jahr 1924 definiert worden ist [1]. Die daraus abgeleiteten photometrischen Kenngrößen wie Leuchtdichte, Lichtstrom oder Beleuchtungsstärke werden zur Charakterisierung der lichttechnischen Eigenschaften von Lichtquellen (Lampen, Leuchten) und zur Beschreibung einer Beleuchtungssituation wie der Leuchtdichteverteilung im Raum oder auf einer Fahrbahn, der Kontrastwahrnehmung beim Lesen eines Dokuments oder zur Erfassung der Reaktionszeit oder der Sehschärfe verwendet. Diese photometrischen Kenngrößen sind in den derzeitigen internationalen und nationalen Normen verankert [2].
Im Jahr 1931 wurden die Normspektralwertfunktionen x(λ), y(λ) und z(λ) durch die CIE definiert. Diese mathematischen Funktionen wurden zunächst verwendet, um die Normfarbwertanteile x, y, und z zu berechnen, später wurden sie zur Beschreibung weiterer Farbwahrnehmungsattribute wie der psychometrischen Relativhelligkeit L*, dem Buntton h und der Buntheit C* herangezogen [3], woraus die Farbabstände, der Farbwiedergabeindex CRI [4] oder Kenngrößen der Farbpräferenz [5] abgeleitet werden können.
Seit 1924 bis heute gilt die spektrale Hellempfindlichkeitsfunktion V(λ) als Fundament der Lichttechnik. Generationen von Studenten, Lichtplanern und Lichtwissenschaftlern arbeiteten mit ihr und den auf dieser Funktion basierenden Kenngrößen und Messgeräten. Trotz großer Defizite, die zu stetigen Korrekturen in den lichttechnischen und farbmetrischen Modellen geführt haben, fanden die V(λ)-basierten Kenngrößen und Messgeräte ihren festen Platz in den Laboren und in der lichttechnischen Praxis.
Seit der Jahrhundertwende ist die Lichttechnik wesentlich komplexer und dynamischer geworden. Eine Ursache dafür ist die schnelle und zielstrebige Entwicklung der LED-Technologie mit vielen technologischen und steuerungstechnischen Vorteilen (u.a. Dimmung, Vielfalt der Spektren, schnelle Reaktion auf Steuersignale, flexible Bauweise). Zweite Ursache ist die Entdeckung der ipRGC-Rezeptoren (sog. lichtempfindliche Ganglienzellen), mit denen das Licht als Taktgeber der inneren Uhr und seine Rolle bei der Steuerung und Stabilisierung des zirkadianen Rhythmus und somit seine Wirkungen auf Wachheit, Schlafqualität und Konzentrationsfähigkeit [6, 7] in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind. Die Einführung dieser »nichtvisuellen« Effekte stellt Lichtforschung, Lichttechnik, Lichtplanung und Lichtindustrie vor ganz neue Herausforderungen, unter anderem auch auf dem Gebiet der Lichtmesstechnik. Denn die Lichtmesstechnik beschränkt sich nun nicht mehr auf nur die bisherige photometrische Erfassung von Lichtstrom und Leuchtdichte oder auf die Bestimmung der farbmetrischen Kenngrößen wie der Normfarbwertanteile oder der ähnlichsten Farbtemperatur. Angesichts der »nichtvisuellen« Lichtwirkung müssen sich Lichttechnik, Schlafforschung und Neurowissenschaft zusätzlich mit der Erfassung von biologischen Signalen wie EEG, EKG, Hertzfrequenz sowie mit den melanopischen Wirkungskenngrößen befassen, auf die die Autoren in diesem Beitrag ausführlich eingehen werden.

Abb. 1 zeigt die Struktur der Kenngrößen am Eingang und am Ausgang des menschlichen Lichtverarbeitungsapparats im Kontext der Analyse der visuellen und nichtvisuellen Effekte des Lichts auf den Menschen. Vor diesem Hintergrund sollen die folgenden systemtechnischen Fragen gestellt und beantwortet werden:
- Welche Ausgangskenngrößen repräsentieren die visuellen Leistungen, die emotionellen und farbmetrischen Effekte sowie die nichtvisuellen Effekte? Wie kann man diese Ausgangskenngrößen bilden, modellieren und messen? Unter welchen Bedingungen und bei welchen Anwendungen sind diese relevant? [8, 9]
- Welche Eingangsgrößen der optischen Strahlung sind zur Bildung der Signale des Sehsystems als »Effektursachen« relevant? Wie wirken sie zusammen, um eine generelle Ursache zu bilden? Bei welcher Zeitdauer, zu welchem Zeitpunkt sind sie in welcher Form positiv bzw. negativ wirksam? [9, 10]
- Kennen wir aus der bisherigen Forschung die Beziehungen zwischen den Ursachen und den Wirkungen? Haben wir dabei die richtigen Ursachen und die richtigen Wirkungen verwendet? Welche Größe des Ursachensignals stellt einen Schwellenwert (50 % Auftrittswahrscheinlichkeit) oder eine sichere Wirkung (z. B. 90 % oder 99 % Auftrittswahrscheinlichkeit) dar? Sind diese Wirkungen langfristig nachweisbar oder handelt es sich eher um akute Wirkungen? [11]
Die Lichttechnik des 21. Jahrhunderts bildet somit eine Brücke zwischen Neurowissenschaft, Schlafforschung, Humanmedizin und Psychologie auf der einen Seite und der Lichtpraxis (Lichtplanung, Installation, Abnahme, Protokollierung), der technischen Leuchtenentwicklung und der Gebäudetechnik auf der anderen Seite. In all diesen Disziplinen, sowohl in der Forschung als auch in der Praxis ist es unabdingbar, die Kenngrößen zur Beschreibung der visuellen Erscheinungen sowie die Kenngrößen der nichtvisuellen Effekte korrekt zu beschreiben und zu erfassen. Das Ziel des vorliegenden Beitrages besteht deshalb darin, eine praxisrelevante Messtechnik für die nichtvisuellen Effekte vorzuschlagen und mit einigen Feldmessungen zu dokumentieren. Bevor die neue Messtechnik beschrieben wird, nehmen die Autoren zunächst eine Begriffsbestimmung vor und gehen auf den aktuellen Stand der Forschung ein.
2 Grundlagen der Kenngrößen der melanopischen Wirkungen
Neurowissenschaft und Schlafforschung gehen oft von den fünf Rezeptor-Typen auf der Netzhaut aus, die jeweils ein Aktionsspektrum (oder eine normierte spektrale Empfindlichkeit) aufweisen. Das sind die drei Typen der Zapfen (L-, M-, und S-Zapfen für das Farbsehen und das Sehen im mesopischen und photopischen Bereich), der Stäbchen-Typ (für das skotopische und mesopische Sehen) sowie die melanopsinhaltigen Ganglienzellen (ipRGC). Diese fünf Signale des Gehirnapparats werden zusammengeführt und kombiniert, um eine Zustandsantwort auf die Lichtursache zu generieren. Die Idee der Kombination der Rezeptorsignale wurde von international bekannten Neurowissenschaftlern und Schlafforschern initiiert. In Abb. 2 wird sie von den Autoren des vorliegenden Beitrages verwendet, um exemplarisch die Bildung des Signals für die Helligkeitswahrnehmung zu interpretieren.

Durch eine ähnliche Signalkombination können auch andere Kenngrößen z. B. zur Beschreibung der Sehklarheit oder des Niveaus der nächtlichen Melatoninunterdrückung definiert werden. Die fundamentalen Ausführungen von Lucas et. al. [12] im Jahr 2014 wurden in der CIE-Publikation [13] zusammengefasst, indem die fünf Signale der fünf Rezeptor-Kanäle und deren Aktionsspektren eingeführt wurden. Jedes Aktionsspektrum der fünf Kanäle ist dabei eine sogenannte »α-opic spectral weighting function« Sα(λ) für ein 10°-Gesichtsfeld. Diese Aktionsspektren sind in der Abb. 3 dargestellt.
für die Melatonin-Unterdrückung« context=«content«]
Im Normungsbereich des DIN wurde in 2015 die Norm DIN SPEC 5031-100:2015-08 [15] veröffentlicht, die die melanopisch bewerteten Strahlungsgrößen sowie die melanopische Lichtwirkung beschreibt. In Gleichung (1) ist eine allgemeine, melanopisch bewertete Strahlungsgröße definiert.

Die Symbole der Gleichung (1) haben die folgende Bedeutung:
Xmel: die melanopisch bewertete Strahlungsgröße;
Xe(λ): die spektrale strahlungsphysikalische Größe;
smel(λ): das Wirkungsspektrum für die betrachtete melanopische Wirkung (s. Abb. 3)
In DIN SPEC-5031-100 [15] ist der melanopische Wirkungsfaktor amel,v definiert und wird heute oft verwendet. Der Faktor
Die Symbole der Gleichung (1) haben die folgende Bedeutung:
Xmel: die melanopisch bewertete Strahlungsgröße;
Xe(λ): die spektrale strahlungsphysikalische Größe;
smel(λ): das Wirkungsspektrum für die betrachtete melanopische Wirkung (s. Abb. 3)
In DIN SPEC-5031-100 [15] ist der melanopische Wirkungsfaktor amel,v definiert und wird heute oft verwendet. Der Faktor amel,v ist die Eingangsgröße des melanopsin-wirksamen Lichtverarbeitungssystems und wird – in diesem Kontext – lt. Gl. (2) definiert.

Die in Gl. (2) zu realisierenden Integrationen erstrecken sich von 380 nm bis 780 nm. Der melanopische Wirkungsfaktor Faktor ist also ein Verhältnis zwiwchen der melanopisch wirksamen Strahlungsgröße und der mit der spektralen Empfindlichkeit für das Tagessehen (2°-Gesichtsfeld) bewerteten photometrisch wirksamen Strahlungsgröße. Er gibt demnach an, wie hoch die Melanopsin-Wirksamkeit des Wertes einer photometrischen Kenngröße (wie Lichtstrom oder Leuchtdichte) ist. Unterschiedliche Lichtquellen mit unterschiedlichen spektralen Verteilungen verursachen auf der gleichen weißen Wand oder Decke bei der gleichen Leuchtdichte (Lv in cd/m2) unterschiedliche melanopische Wirkungen (s. Tabelle 1).
Lichtquelle |
amel,v |
LED, weiß, CCT = 3.075 K |
0,387 |
LED, weiß, CCT = 4.250 K |
0,669 |
LED, weiß, CCT= 6.535 K |
0,725 |
Normlichtart D65 |
0,906 |
Lichtart D50 |
0,768 |
Lichtart F12 nach CIE, Leuchtstofflampe, CCT = 3.000 K |
0,366 |
Aus Sicht der Autoren weisen die o.g. Publikationen für die Praxis folgende Nachteile auf:
- Aus theoretischer oder auch neurowissenschaftlicher Sicht ist es richtig, die fünf Rezeptorsignale zu berechnen (CIE-Publikation [13]) oder die melanopische Wirkung allein mit dem Wirkungsspektrum von Lucas et al. bzw. nach DIN SPEC 5031-100 zu ermitteln. Die gesamte Wirkung aller fünf Kanäle miteinander für eine melanopische Beurteilung von Beleuchtungen für eine konkrete Beleuchtungssituation ist damit aber nicht berechenbar. Selbst dann, wenn alle einzelnen Kanalsignale nummerisch korrekt berechnet werden, ist es (noch) nicht möglich, die gesamte melanopische Wirkung zu quantifizieren. Die Berechnungen dazu (von den Autoren der vorliegenden Arbeit) werden in Abschnitt 3 dargestellt.
- Die Wirkungsspektren in der CIE-Publikation [13] sind für ein Gesichtsfeld von 10° gedacht. Alle marktüblichen integralen Messgeräte wie Beleuchtungsstärke-Messgeräte oder Leuchtdichte-Messgeräte sowie Handfarbmessgeräte wurden bisher allerdings für die spektralen Empfindlichkeitsfunktionen für ein 2°-Gesichtsfeld hergestellt. Dieses Problem muss gelöst werden. Ein Ansatz dazu wird in Abschnitt 3 und 4 dieser Publikation beschrieben.
Parallel zu den Publikationen von Lucas et al. [12], der CIE [13] und der DIN SPEC 5031-100 [15] gibt es eine andere Art und Weise der Modellierung von M. Rea et al. Sie wurde zum ersten Mal im Jahr 2010 veröffentlicht [16] und im Jahr 2016 verbessert [17] (publiziert in 2018). Ausgehend von der spektralen Verteilung der betrachteten Lichtquelle und mit Hilfe der spektralen Empfindlichkeit der melanopischen Wirkung smel(λ), der S-Zapfen, der V(λ)-Funktion für das Tagessehen und der V'(λ)-Funktion für das skotopische Sehen wird zunächst das circadian wirksame Licht CLA, normiert auf die Normlichtart A (CCT= 2.856 K), berechnet. Das finale Produkt, der sog. »Circadiane Stimulus CS«, wird aus CLA berechnet und so skaliert, dass der CS-Wert proportional zu der Melatonin-Unterdrückung durch Licht in der Nacht (in %) ist. Der CS-Wert ist somit eine gewichtete Kombination aus den Signalen der ipRGC-, Stäbchen-, L-, M- und S-Zapfen-Kanäle und stellt daher eine umfassende Betrachtungsweise dar. Die Autoren der vorhandenen Arbeit bevorzugen diesen CS-Wert und nicht die oben erwähnte CIE-Publikation bzw. die DIN-Norm.
Die Urheber des CS-Modells untersuchten vor allem die Melatonin-Unterdrückung am Abend und in der Nacht. Für die Betrachtungen der nichtvisuellen Effekte am Tag fehlt bisher eine Metrik, die den Effekt des Lichts auf die Wachheit, Lebhaftigkeit bzw. die Leistungsfähigkeit beschreibt. Obwohl der CS-Wert theoretisch und experimentell (für die nächtlichen Stunden) eine interessante Größe zu sein scheint, ist seine messtechnische Bestimmung nur mit einem absolut messenden (eher preisintensiven) Spektroradiometer möglich, denn nur so können die gemessenen absoluten spektralen Bestrahlungsstärken am Auge mit den Wirkungsspektren der ipRGC-Zellen und der blauen Zapfen sowie mit den V(λ)- und V'(λ)-Funktionen gewichtet werden, um letztendlich den CS-Wert zu berechnen. Es wäre allerdings, im Interesse der allgemeinen praktischen Beleuchtungstechnik, viel besser, die CS-Werte in einer konkreten Beleuchtungssituation mit preiswerteren Messgeräten, die in der Praxis bereits massenhaft eigesetzt werden, zu bestimmen.
2 Praktische Annäherung der Werte des Circadian Stimulus (CS)
Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Autoren der vorliegenden Arbeit mit folgenden Fragen:
- Können die oben erwähnten fünf Rezeptorsignale mathematisch miteinander verknüpft und das Produkt dieser Verknüpfung für die melanopischen und die visuellen Wirkungen mathematisch beschrieben werden? Die Frage ist zum guten Teil in den Referenzen [8, 9] und [19] beantwortet.
- Korreliert das Produkt dieser Verknüpfung mit dem CS-Wert für eine hohe Anzahl an bekannten Lampenspektren?
- Kann das Ergebnis dieser Verknüpfung bzw. der CS-Wert durch eine mathematische Kombination aus praktischen photometrischen und farbmetrischen Kenngrößen (wie z. B. den Wert der Beleuchtungsstärke in lx oder die Normfarbwertanteile x, y) ersetzt werden, um mit heute vorhandenen und bezahlbaren Lichtmessgeräten mit guter Genauigkeit die melanopische Wirkung zu messen?
Um die Fragen 1. und 2. zu beantworten, wurden für 292 Spektren von heute oft verwendeten technischen Lichtquellen (weiße LED, Leuchtstofflampen, thermische Strahler) bei verschiedenen Beleuchtungsstärken die beiden Kenngrößen CS [17] und log10(amel · EV) errechnet. Abb. 4 zeigt diesen quadratischen Zusammenhang mit einem hohen Korrelationskoeffizienten r2 = 0,96. Somit kann man den CS-Wert durch die Ermittlung des amel-Wertes und der vertikalen Beleuchtungsstärke Ev (in lx) am Auge annähern. Analysiert man die Kurvenverläufe und die Datenpunktansammlungen in Abb. 4, stellt man aber fest, dass der Unterschied zwischen den Datenpunkten und der angepassten quadratischen (roten) Kurve bereichsweise erheblich ist. Dies erklärt sich dadurch, dass im CS-Wert eine Kombination der Signale der ipRGC-Zellen, der Stäbchen und der L-M-S-Zapfen enthalten ist, in der Kenngröße log10(amel · Ev) gemäß Gl. (2) aber nur das (absolute) Signal des melanopsinhaltigen Kanals der ipRGC-Zellen berücksichtigt wird.
und der Kenngröße log10(Ev·amel).« context=«content«]
Selbst für den idealen Fall, dass sowohl die Korrelation zwischen den CS-Werten und der Kenngröße log10(amel · Ev) hoch und der Unterschied zwischen der mittleren roten Kurve und den einzelnen Datenpunkten klein wäre, ist das gefundene Ergebnis praktisch nicht sehr nützlich, da der amel-Wert mit den heutigen integralen und für die Allgemeinpraxis bezahlbaren Lichtmessgeräten für 2°-Gesichtsfelder nicht gemessen werden kann. Ein heute allgemein verwendetes, integrierendes Farbmessgerät zeigt in der Regel die Beleuchtungsstärke Ev (in lx), die Normfarbwertanteile x, y (und z) sowie die ähnlichste Farbtemperatur CCT (in K) an. Die praktische Umsetzung der Idee mit dem amel-Wert im Sinne der DIN SPEC 5031-100:2015-08 ist somit relativ schwierig. Aus diesem Grund erarbeiteten die Autoren anhand von 292 Lichtspektren (s. oben) bei verschiedenen Beleuchtungsstärken (zwischen 100 lx und 10.000 lx) eine mathematische Annäherung des Circadian Stimulus CS [17] mit Hilfe der sog. F = F(z, Ev)-Funktion, die in den Gl. (3), (4a) und (4b) definiert wird. Hier bedeutet z den Normfarbwertanteil z (für ein 2°-Gesichtsfeld) und Ev ist die vertikale Beleuchtungsstärke Ev. Abb. 5. Zeigt den Zusammenhang zwischen CS und F = F(z, Ev).

Aus Abb. 5 geht hervor, dass die CS-Werte einen guten linearen Zusammenhang zur Funktion F = F(z, Ev) aufweisen und die Unterschiede zwischen der Anpassung (rote Gerade) und den Datenpunkten gering sind (s. Tabelle 2).
Mittlere Abweichung DCS |
0,009 |
Max. Abweichung DCS |
0,060 |
Standardabweichung DCS |
0,009 |
Die Kenngröße F = F (z, Ev) wird wie folgt definiert:
Erster Schritt: aus dem gemessenen Normfarbwertanteil z (2°) soll zuerst die Größe (D) als »Entscheidungskriterium« berechnet werden:
D = 3,5585 · z2 + 0,9482 · z – 0,3334 Gl. (3)
Zweiter Schritt: Wenn D > 0, dann ist F(z, Ev) = a + b · log10(z · Ev) Gl. (4a)
ansonsten ist F(z, Ev) = c + d · log10(z · Ev) Gl. (4b)
Die Parameter a, b, c, d sind vier verschiedene Polynomfunktionen sechsten Grades der Variable log10(Ev) mit den Polynomkoeffizienten der Tabelle 3.
a0 |
a1 |
a2 |
a3 |
a4 |
a5 |
a6 |
|
a |
27,501 |
-84,373 |
101,064 |
-60,154 |
18,667 |
-2,882 |
0,175 |
b |
-13,034 |
41,095 |
-50,827 |
31,475 |
-10,208 |
1,654 |
-0,106 |
c |
4,484 |
-14,214 |
17,759 |
-11,133 |
3,688 |
-0,612 |
0,040 |
d |
-2,493 |
7,996 |
-10,081 |
6,376 |
-2,115 |
0,351 |
-0,023 |
Mit Hilfe von Tabelle 3 ist es möglich, die etablierte Kenngröße der melanopischen Wirkung (den CS-Wert) über die Messung der vertikalen Beleuchtungsstärke Ev (in lx) und des Normfarbwertanteils z (2°) zu erfassen.
3 Relevanznachweise und Feldmessungen der melanopischen Wirkung
An der TU Darmstadt wurden im Zeitraum 2017 bis 2018 zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten sowie an unterschiedlichen Orten (im Gebäude, im Park, auf den Straßen im Verkehrsfluss, im Hörsaal, im Büro, in den Wohnungen bis zur Mitternacht) mobile Langzeit-Feldmessungen durchgeführt. Die Testpersonen trugen dabei einen umgebauten Fahrradhelm mit einem integralen Farbmessgerät. In einem Rucksack auf ihrem Rücken befand sich ein Laptop zum Auslesen und Abspeichern der Messwerte. Die Messungen wurden durch ein Computerprogramm getriggert, gesteuert und überwacht. Der Farbmesskopf mit den XYZ-Farbkanälen mit der Vollfilterungsmethode wurde vertikal auf dem Helm befestigt (s. Abb. 6). Die Himmelzustände sowie die Orte wurden mit einer Digitalkamera aufgenommen und mit der Uhrzeit in Sekundengenauigkeit dokumentiert.

Die Abbildungen 7 bis 10 zeigen exemplarisch die Ergebnisse einer 41-minütigen Messperiode an einem teilweise bewölkten Tag (10. Januar 2018), wobei sich die Testperson erst im Außenraum, dann zwischen der 29. und 36. Minute in einem Hörsaal und ab der 39. Minute im Gebäude des Fachgebiets Lichttechnik der TU Darmstadt befand. Je nach Phasen wurden im Außenbereich vertikale Beleuchtungsstärken von 20.000 lx bis 50.000 lx und im Gebäude zwichen 100 und 1.000 lx registriert. Die Farbtemperaturen im Außenbereich häuften sich im Bereich 5.000 K bis 8.000 K mit einem Kern um 6.500 K. Im Gebäude wurden – je nach Möblierungszustand – ähnlichste Farbtemperaturen um 4.000 K aufgenommen.



Aus den Daten der Normfarbwertanteile z in Abb. 9 sowie aus den Daten der Beleuchtungsstärken Ev in Abb. 7 wurden mittels der Gleichungen (3) und (4a), (4b) die CS-Werte für die melanopische Wirkung errechnet. Die ermittelten CS-Werte sind in Abb. 10 dargestellt.
einer 41-minütigen Messperiode an einem teilweise bewölkten Tag« context=«content«]
In [18] haben Figueiro et al. die CS-Signalstärken in drei Bereiche eingeteilt: CS < 0,1 für Melatonin-Generation, CS > 0,3 für einen sichtbaren zirkadianen Effekt und CS > 0,6 für einen ausgeprägten zirkadianen Effekt. Legt man diese Klassifizierung zugrunde, liefert Abb. 10 die folgenden Erkenntnisse:
- Im Außenbereich an einem teilweise bewölkten Tag (bis zur 29. Minute) hat der CS-Wert den maximalen Betrag von 0,7, das entspricht nach [18] einem ausgeprägten zirkadianen Effekt. Ist dieser gewünscht, empfiehlt sich offenbar der Aufenthalt im Freien.
- Im Hörsaal zwischen der 29. und 36. Minute liegen CS-Beträge zwischen etwa 0,1 und 0,4 vor. Der zirkadiane Effekt ist teilweise vorhanden aber nicht ausgeprägt. Wird tagsüber in Innneräumen bzw. an Arbeitsplätzen (z.B. in einem Büro oder in den Industriehallen) ein zirkadianen Effekt gewünscht, ist die Anhebung von CS-Beträgen kleiner 0,6 auf Werte um 0,6 und höher Aufgabe zukünftiger intelligenter LED-Lichtsysteme im Gebäude.
Der komplette Datensatz der Langzeit-Feldmessungen wird derzeit verarbeitet und in der nächsten Publikation veröffentlicht.
4 Literatur
[1] CIE (Commission Internationale de l‘Éclairage): The basis of physical photometry, 2nd Ed., CIE Publ. 018.2-1983, 1983
[2] DIN EN 12464, Beleuchtung von Arbeitsstätten – Arbeitsstätten in Innenräumen, August 2011
[3] CIE (Commission Internationale de l‘Éclairage): Colorimetry, 4th Edition, CIE Publ. 015:2018, 2018
[4] CIE (Commission Internationale de l‘Éclairage): Method of Measuring and Specifying Color Rendering Properties of Light Sources, CIE Publication 13.3-1995
[5] Khanh, T.Q.; Bodrogi, P.; Guo, X.; Vinh, T.Q.; Babilon, S.: Colour preference, naturalness, vividness and colour quality metrics, Part 5: A colour preference experiment at 2.000 lx in a real room. Lighting Research & Technology, 51(2), 262–279, 2019
[6] Brainard, G.C.; Hanifin, J.P.; Greeson, J.M.; Byrne, B.; Glickman, G.; Gerner, E.; Rollag, M.D.: Action spectrum for melatonin regulation in humans: evidence for a novel circadian photoreceptor, Journal of Neuroscience 21, pp. 6405–6412, 2001
[7] Thapan, K.; Arendt, J.; Skene, D.J.: An action spectrum for melatonin suppression: evidence for a novel non-rod, non-cone photoreceptor system in humans, Journal of Physiology 535, pp. 261–267, 2001
[8] Vinh, T.Q.; Khanh, T.Q.: Lichtsystem-basierte Lichtqualitätsparameter – Farbwiedergabe, Helligkeit, melanopische Wirkung, Lichtausbeute, Zeitschrift LICHT, 2018
[9] Bodrogi, P.; Vinh, Q. T.; Khanh, T.Q.: Correlations among lighting quality metrics for interior lighting, Lighting Research and Technology, First Published December 18, 2018, DOI: 10.1177/1477153518818856
- [10] Vinh, T.Q.; Bodrogi, P.; Khanh, T.Q.: Preliminary measure for the characterization of the usefulness of light sources,”Optics Express 26, 14538-14551, 2018
[11] Rea, M.; Figuiero, M.G.: Light as a circadian stimulus for architectural lighting, Lighting Research and Technology 50/4, pp. 497–510, 2016
[12] Lucas, R.J.; Peirson, S.N.; Berson, D.M.; Brown, T.M.; Cooper, H.M.; Czeisler, C.A.; Figueiro, M.G.; Gamlin, P.D.; Lockley, S.W.; O‘Hagan, J.B.; Price, L.L.; Provencio, I.; Skene, D.J.; Brainard, G.C.: Measuring and using light in the melanopsin age, Trends in Neurosciences 37, pp. 1–9, 2014
[13] CIE (Commission Internationale de l‘Éclairage): CIE S 026/E:2018: CIE System for Metrology of Optical Radiation for ipRGC-Influenced Responses to Light, 2018
[14] Gall, D.: Die Messung Circadianer Strahlungsgrößen. Ilmenau: Technische Universität Ilmenau, 2004
[15] DIN SPEC 5031-100:2015-08, Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik – Teil 100: Über das Auge vermittelte, melanopische Wirkung des Lichts auf den Menschen – Größen, Formelzeichen und Wirkungsspektren, Beuth Verlag, 2015
[16] Rea, M.; Figueiro, M.G.; Bierman, A.; Bullough, J.D.: Circadian light. Journal of Circadian Rhythms 2010:8, DOI: 10.1186/1740-3391-8-2
[17] Rea, M.; Figuiero, M.G.: Light as a circadian stimulus for architectural lighting, Lighting Research and Technology 50/4, pp. 497–510, 2018
[18] Figuiero, M.G. et al.: Non-visual effects of light: How to use light to promote circadian entrainment and elicit alertness, Lighting Res. Technol., Vol. 50: 38–62, 2018
[19] Bodrogi, P.; Guo, X.; Khanh, T.Q.: Helligkeit und Sehklarheit statt Leuchtdichte in der Bewertung der Beleuchtung von Innenräumen, Licht 2018, Davos, Schweiz, 2018