Ein unterirdisches Gewölbe strebt zum Licht
300 Jahre alt ist die Basilika St. Clemens und damit auch die unterhalb der Oberkirche liegende Krypta, die jetzt umfassend saniert und neu beleuchtet wurde. Aus dem ehemals düsteren unterirdischen Gewölbe ist ein attraktives Lichtgewölbe geworden, das die Besucher mit hoher Aufenthaltsqualität erfreut.

Abb. 1: Mit ganz neuen Raumqualität präsentiert sich die Kryta nach der Sanierung. Das Lichtkonzept lässt vergessen, dass man sich unterhalb der Kirche befindet.
Wechselhafte Geschichte
In der niedersächsischen Landeshauptstadt war die Basilika St. Clemens die erste katholische Kirche nach der Reformation. Auf den Plänen und der Bauleitung des venezianischen Architekten, Hof- und Bühnendekorationsmalers Tommaso Giusti beruhend, ist sie in Europa die nördlichste Kirche im venezianischen Barockstil. 225 Jahre nach ihrer Fertigstellung wurde die Basilika 1943 Opfer eines heftigen Bombenangriffs, der nur die Außenmauern des Sakralbaus stehen ließ. Der in den Nachkriegsjahren erfolgte Wiederaufbau konnte 1957 abgeschlossen werden. In diesem Zuge erhielt die Basilika ihre bereits von Giusti geplante Kuppel, auf die der originäre Bau zu Anfang des 18. Jahrhunderts aufgrund von Geldmangel hatte verzichten müssen.
Die Krypta, die ursprünglich als Begräbnisstätte genutzt wurde und auch ihrem Architekten als letzte Ruhestätte dient, hatte ebenfalls eine Umgestaltung erfahren. Nach einer kompletten Überflutung während einer Hochwasserkatastrophe 1946 war das Gewölbe, das sich unterhalb der Oberkirche über den gesamten Kirchenraum erstreckt, dreischiffig ausgebildet und mittels einer Treppe mit der Oberkirche verbunden worden. Anlässlich des 300-jährigen Kirchweih-Jubiläums der Basilika St. Clemens erfolgte im vergangenen Jahr eine zweite tiefgreifende Neugestaltung, um das aufgrund von Feuchtigkeit und Bauschäden sanierungsüberfällige, einst als Weinhandlung vermietete, im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzraum und 1943 als Notkirche umfunktionierte Kellergewölbe, zu einem attraktiven sakralen Ort »der Trauer und der Hoffnung« werden zu lassen.
Neues Raumkonzept
Mit der Verlegung der Zugangssituation in die Mittelachse ließ das hannoveranische Architekturbüro Hübotter, Stürken und Dimitrova eine gerade Sichtachse in Richtung Altar entstehen. Sodann verorteten die Architekten und der Regionaldechant Propst Martin Tenge die Themen Trauer und Hoffnung sowohl gestalterisch als auch mit ihren aus den Betrachtungswinkeln ersichtlichen Exponaten, wie der Marienstatue oder dem Kruzifix-Torso, jeweils an den Längs- und Querachsen. Mit ihrer Ruhe ausstrahlenden Gestaltung bietet die Krypta den Kunstwerken einen adäquaten Raum. Ein gestalterisches und spirituelles Highlight setzt ein Acrylglasstab, der kurz vor dem Altar durch die einen Meter dicke Decke zur Oberkirche geführt wurde. Von Tageslicht erhellt, stellt er symbolisch die Verbindung zum Himmel her.
Zum Gelingen des architektonischen Entwurfsziels – einem Einklang aus robuster Bauweise und Ästhetik sowie einer Aufhellung des unterirdischen Raums – trägt neben hellen Bodenfliesen, strahlend weißem Mauerputz und schlichtem Mobiliar aus heller Eiche vor allem das subtile Beleuchtungskonzept von Studio DL bei, das den Raum scheinbar aus sich selbst heraus leuchten lässt.
Kaum sichtbare Leuchtenkörper und Lichtquellen
Aus der Aufhellung des Gewölbes und – in den Querschiffen und am Eingang – durch die Hinterleuchtung der Buntglasfenster wird ein beeindruckender Lichtraum geschaffen. Behutsam aber effektvoll Unterstützt wird seine Ausprägung durch den Einsatz besonders kleiner und damit kaum sichtbarer Leuchtenkörper. Zudem sind die Lichtquellen der Downlights, die für die Grundbeleuchtung in die Scheitelpunkte der Gewölbe eingebaut sind, aufgrund ihrer Darklight-Technologie unsichtbar. Zugunsten der Aufenthaltsqualität wurden der Lichtstrom der Leuchten und die Homogenität ihrer Lichtverteilung zusätzlich erhöht.


Spezialabdeckung führt das Licht weit in das Gewölbe
Zur Aufhellung der Decke und zur Unterstützung der Gewölbe-Rhythmik im Hauptschiff und in den Nebenschiffen wurden an allen vier Seiten der Stützen nach oben strahlende Anbauleuchten montiert. Mittels einer von Studio DL unterhalb der mikroprismatischen Abdeckungen aufgebrachten Folie erfolgt der Lichtaustritt bei ihnen zur Hälfte diffus und zur Hälfte direkt. Damit wird eine intensivere Ausleuchtung weit in das Gewölbe hinein erzielt. Die Optimierung der Optik sorgt zudem für eine ausgezeichnete Entblendung, so dass die Besucher der Krypta die unter Augenhöhe montierten Leuchten komfortabel passieren können.


Da sich die kleinen Downlights für die Grundbeleuchtung dezent in die Architektur integrieren sollten, wurden sie inklusive der Vorschaltgeräte in Unterputzdosen in die Gewölbe eingebaut. Bei einer 300 Jahre alten Bausubstanz stellte diese Intervention eine bauliche sowie statische Herausforderung dar, denn das Mauerwerk musste zuvor großformatig aufgestemmt werden. Zur Reduzierung der Blendung sind die Downlights mit Darklight-Blendringen versehen, welche die Lichtpunkte unsichtbar machen. Aufgrund dieses Effekts einer Raumaufhellung ohne offensichtliche Lichtquellen treten die Leuchten nicht in Konkurrenz mit den anderen Beleuchtungskomponenten. Die Aufhellung im oberen Raumbereich, die für eine Weitung und Öffnung sorgt, bleibt somit ungestört erhalten.
Dramatische Inszenierung der Exponate
Gegenüber der neutralen und flächigen Raumbeleuchtung sollte die Akzentbeleuchtung die Exponate dramatisch inszenieren, um deren liturgische Bedeutsamkeit und Schönheit zu betonen. Die Kunstwerke werden von beiden Seiten durch Miniaturstrahler in Einbauschienen beleuchtet, die die Plastizität der Exponate fein herausarbeiten. Durch die Ausrichtung der flexiblen Strahler werfen der Torso eines Kruzifixes und die Marienfigur spannende Schatten. Der als Unikat geschaffene, mit einer feinen Rostschicht überzogene Altar aus Stahl wird in der gleichen Weise von Miniaturstrahlern inszeniert. Die Wahl einer im Vergleich zur Grund- und Gewölbebeleuchtung wärmeren Lichtfarbe hebt die Exponate als wichtige Protagonisten im Raum hervor.
Eine ganz besondere Wirkung entsteht durch die zusätzliche Aufhellung der Nischenrückwände hinter den drei wichtigsten Ausstellungsstücken durch eine Effektleuchte. Die Marienstatue beispielsweise, die die Effektleuchte selbst beim Blick aus frontaler Perspektive vollkommen verdeckt, erweckt dadurch den Anschein, Licht aus ihrem Inneren heraus zu emittieren.
Mit ihrer attraktiven Lichtsprache wirkt die neu gestaltete Krypta klar strukturiert und öffnet sich lichtdurchflutet nach oben. Aufgrund dieses Effekts vergisst der Besucher völlig, dass er sich in einem unterirdischen Gewölbe befindet. Auf die Anforderungen unterschiedlicher Veranstaltungsformate kann der Raum heute flexibel reagieren. In Abstimmung mit dem Nutzer lassen sich vorprogrammierte Lichtszenarien abrufen. Da sich die stationären Bedienelemente sowohl in Eingangsnähe als auch in unmittelbarer Nähe des Altars befinden, steht auch dem Abruf einer neuen Lichtszene während einer Feierlichkeit nichts im Wege.

Fazit
Die Sanierung, Umgestaltung und Beleuchtung der Krypta der Basilika St. Clemens zeigt, wie man einen unwirtlichen Raum zu einem erhabenen, lichterfüllten Ort mit hoher Aufenthaltsqualität transformieren kann. Der Veranstaltungskalender der Krypta spricht für sich. Nie zuvor hat es dort derart viele und unterschiedliche Events gegeben.
Weitere Informationen:
Bauherr: Propstei St. Clemens mit Bistum Hildesheim, www.st-clemens-hannover.de
Architektur: Tommaso Giusti
Sanierung/Umgestaltung: Hübotter, Stürken, Dimitrova, Hannover, www.hsd-hannover.de
Lichtplanung: Studio DL, Hildesheim, www.studiodl.com
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Text: Petra Lasar