Die umfangreichste Transition seit Einführung der LED
Dr. Oliver Vogler hat seine Laufbahn 2008 als Strategieberater für High-Tech-Industrien bei McKinsey & Company Inc. begonnen. 2011 wechselte er zur Osram GmbH, wo er u. a. den Börsengang von Osram betreute und als Head of General Lighting Strategy and Marketing in globaler Funktion leitend tätig war. Seit 2019 bekleidet er verschiedene Senior Management Funktionen bei LEDVANCE, angefangen als Vice President Strategy and Marketing, später dann als Vice President Corporate Development. Heute leitet er als Managing Director Europe-West mit 14 Landesgesellschaften und über 900 Mitarbeitern die umsatz- und ertragsstärkste Region von LEDVANCE.

LICHT: Lieber Oliver, du bist seit 2019 bei LEDVANCE als Managing Director Europe-West verantwortlich. Beschreibe bitte kurz den Geschäftsbereich und den Fokus eures Unternehmens.
Oliver Vogler: Unser Unternehmen wird in die Regionen Nordamerika, Europe-West und Emerging Markets unterteilt. Wir haben also keine globalen Business Units, sondern organisieren die Geschäftsverantwortungen regional. Darunter fallen nicht nur klassischerweise Vertrieb & Marketing, sondern z. B. auch die Produktsegmente, die Operations-Funktionen oder R&D. In Europe-West betreuen wir das komplette CE-Portfolio für Europa und treffen in diesen Bereichen alle Geschäftsentscheidungen. LEDVANCE steht für Advancing Lighting. Wir meinen damit »Lighting for health and well-being« und legen größten Wert auf Licht- und Luftqualität. Unser Ziel ist es, die Nutzer zu sensibilisieren, damit diese verstehen, welche Vorteile eine gute, dynamische und moderne Beleuchtung für sie hat.
LICHT: Das EU-Leuchtstofflampenverbot 2023 stellt für die Branche eine »Zeitenwende« dar. Wie gut seid ihr darauf vorbereitet?
OV: Für den europäischen Markt sind wir auf die Transition gut vorbereitet. Diese kam für uns nicht überraschend, wie vielleicht für andere Hersteller oder gar für die meisten Nutzer und Anwender. Wir waren auch auf das RoHS-Szenario vorbereitet. Wir reden hier über den größten Transitionsschritt in der Lichtindustrie nach Einführung der LED. Die Leuchtstofflampe ist ubiquitär. Allein für Deutschland schätzen wir um die 100 Mio. Brennstellen – z. B. in nahezu jedem Bahnhof, jedem Zug oder jeder Fabrikhalle finden sich Leuchtstofflampen. Doch nun müssen die Nutzer folgendes verstehen: Bisher galt die Aussage, die Glühlampe sei ineffizient, die Leuchtstofflampe jedoch nicht. Nun erfüllt auch die Leuchtstofflampe die Effizienzerwartungen ab 2023 nicht mehr. Will man energiesparende Produkte haben, gibt es nur noch LED-basierte Lösungen.



LICHT: Ist dieses Verbot jetzt notwendig? Es müssen ja Unmengen an funktionierenden T8-/T5-Leuchten ausgetauscht werden, die im Sondermüll landen.
OV: Die Single Light Regulation, welche die EU 2019 veröffentlicht hat, regelt dies ganz eindeutig. Hier sind die Banning-Schritte vorgegeben. Für die T8-Lampen galt die Ausphasung schon lange für den Sommer 2023. Ein Verbot der T5-Lampe war zwar darin nicht vorgesehen, diese taucht aber im Markt nicht so umfangreich auf. Parallel kam nun mit der RoHS-Richtlinie hinzu, dass alle Leuchtstofflampen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, aufgrund ihres giftigen Quecksilberanteils aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Doch das eigentliche Momentum war und ist die Energieeffizienz. In der aktuellen Energiekrise macht solch ein Schritt noch viel mehr Sinn.
»Wir planen langfristig und sind vorbereitet auf Engpässe.«
LICHT: Wie wird der Umstieg in der Realität aussehen? Erwarten wir nächstes Jahr einen Run auf die Baumärkte oder geht das gemächlich zu?
OV: In das Thema wird Dynamik reinkommen. Der Handel verkauft natürlich noch eine gewisse Zeit die konventionellen Lampen weiter ab. Von Vorteil ist, dass sich die Marktteilnehmer damit auseinandersetzen müssen und sich mittelfristig überlegen, welchen Bedarf sie haben. Ja, es gibt die Fälle, bei denen Unternehmen sich für die nächsten fünf Jahre mit Leuchtstofflampen eindecken. Es ist aber keine energieeffiziente Lösung und auch von der Lagerhaltung her suboptimal. Wie stark der Sprung in das Thema LED-Tube sein wird oder ob gleich komplette Neuanlagen eingebaut werden, können wir nicht 100%-ig vorhersagen, sind dafür aber bestens aufgestellt. Letztendlich muss man mit den Großanwendern, wie z. B. der Deutschen Bahn, auch diskutieren, was deren Strategieplan ist. Auch von der Anwendung ist die Umrüstung abhängig, denn ein Büro verlangt eher nach einer modernen vernetzten Lösung mit mehr Komfort und Intelligenz als ein Lagerraum.



LICHT: Das hört sich nach einem großen Schwung für die Branche an und sorgt gerade in diesen Zeiten für Optimismus. Doch könnten Lieferengpässe und Materialverteuerung diesem einen Strich durch die Rechnung machen?
OV: Wir planen langfristig und sind auf Nachfragesprünge gut vorbereitet. Das exakte Verhaltensmuster können wir natürlich nicht vorhersagen, haben aber für die größten europäischen Märkte eine detaillierte Marktforschung gemacht, um die Präferenzen von Händlern, Installateuren, Facility Managern und Planern herauszuarbeiten. Ja, ich sehe einen deutlichen Push im Markt, da sich die Nutzer damit beschäftigen werden – von einem Problem hin zu einer Lösung. Und hier gibt es mehrere Optionen und Potenziale, nicht nur der 1:1-Austausch, sondern das Upgrade in eine neues, sensor-basiertes System.
LICHT: Installateure, Planer und Verbraucher scheinen vom geplanten Ausstieg noch nicht viel mitbekommen zu haben. Wie informiert man richtig?
OV: Wir sprechen mit Multiplikatoren, auf allen Kanälen, insbesondere auch auf Messen. Es geht uns darum, nach dem Motto »Walk the Talk« aufzuklären. Mit dem Konfigurator »Light Efficiency Consulting (LEC)« bieten wir ein einfaches Tool, mit dem man den Austausch planen kann. Hier sieht man schnell, welche Option – ein 1:1-Retrofitting oder ein neues System – sinnvoll ist, was diese kostet und wann sie sich amortisiert hat.
LICHT: Wie interessant wird ein 1:1-Retrofitting sein, gerade im Hinblick auf Reparierbarkeit und Circular Lighting?
OV: Das hängt klar von der Anwendung und dem Kunden ab. Kürzlich haben wir dies auf der Sonepar-Veranstaltung in München mit unseren Kunden diskutiert. Als LEDVANCE bieten wir das gesamte Portfolio und drängen niemanden in die eine oder andere Richtung. Denn andere Hersteller argumentieren, gleich in eine neue Lichtanlage zu investieren, weil sie keine Retrofits im Portfolio haben. Facility Manager wiederum brauchen einfachen und schnellen Ersatz. Sie sind dankbar für pragmatische Lösungen und da sie große Liegenschaften betreuen, haben sie auch nicht das entsprechende Budget für Neuanlagen zu Verfügung. Wir müssen uns die Anwendung anschauen, kalkulieren und den Anspruch an die Lichtqualität festlegen. Dann wird entschieden, ob ein 1:1-Austausch mehr Sinn macht oder man nicht besser in eine moderne Lichtlösung, insb. mit Sensorik, investieren sollte, wie z. B. im Parkhaus, wo es bei der Menge an Brennstellen mit neuen vernetzten Lampen oder Leuchten ein enormes Einsparpotenzial gibt. Schauen wir uns die Kurve zum Global Warming Potential (GWP) von Leuchten an, so erkennt man schnell, dass ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr Lumen pro Watt allein zählt, sondern ein intelligentes Sensorsystem, dass sich dann ein- und ausschaltet oder herunterdimmt, wenn bspw. niemand anwesend ist. Die Kurve besagt, dass man nur noch durch Lichtmanagementsysteme echte Effizienzsprünge erreichen kann.
»Ein HCL-System ist eine absolute Aufwertung und erhöht die Motivation ins Office zu gehen.«
LICHT: Von HCL hat sich die Lichtindustrie viel versprochen. Für Betreiber und Endverbraucher ist der Einsatz aber immer noch zu teuer und aufwendig. Planer sind nicht immer von den Vorteilen überzeugt. Welchen Mehrwert bietet HCL?
OV: Der große Vorteil ist, dass der Nutzer das richtige Licht zur richtigen Zeit bekommt, und das idealerweise auf die Anwendung angepasst. Im Büro bin ich tagsüber bei kaltweißem Licht produktiver, das Licht unterstützt mich. In Richtung Feierabend benötige ich aber ein wärmeres Licht zum Ausklang. Aber auch zuhause ist eine tageslichtdynamische Beleuchtung sinnvoll, denken Sie bspw. an die vielen Menschen, die im Homeoffice arbeiten. Und oft ist es so, dass bspw. die Kinder am gleichen Esstisch die Hausaufgaben machen sollen, wo ich aber abends gemütlich essen möchte. Das sind mindestens zwei unterschiedliche Farbtemperaturen am gleichen Ort. Das Badezimmer eignet sich hervorragend für HCL – morgens ein aktivierendes, kaltweißes Licht, abends ein entspannendes. Das Licht soll mir nicht nur Wohlgefallen geben, sondern meinen Biorhythmus unterstützen, um besser einschlafen zu können und gesünder zu leben. Beim Thema Gesundheit schaut doch jeder genau auf ausreichend Bewegung, gute Ernährung und viel Schlaf. Wieso ist das bei Licht nicht so präsent? Technisch gesehen, ist es einfach umzusetzen. Die Diskussionen um die Budgets kennen wir natürlich, wir hatten das ja auch bei unserem Vortrag auf der LICHTWOCHE München mit den Teilnehmern. Aber die Planer und Kunden, die das einmal erfolgreich umgesetzt haben bzw. nutzen, sind hinterher nicht nur zufrieden und überzeugt, sondern auch Multiplikatoren für uns alle.




LICHT: Es ist ja auch eine Investition in die Mitarbeiterzufriedenheit und eine Wertsteigerung für die Immobilie.
OV: Ein HCL-System ist eine absolute Aufwertung und erhöht die Motivation, ins Büro zu gehen. Für das Recruiting von Fachkräften oder die Mitarbeiterbindung ist es ein guter Baustein. Denn der Arbeitgeber bietet nicht nur ergonomische Stühle und höhenverstellbare Tische, die es mittlerweile in vielen Büros gibt, sondern auch ein gesundheitsorientiertes Licht, was dich unterstützt. Auch im »ESG«-Kontext (Anm. d. Red.: Environmental, Social, Governance) ist HCL entsprechend zu beurteilen: Licht hat natürlich einen starken Umweltaspekt, aber auch die »S-Komponente Social« ist relevant. Ich kümmere mich um meine Mitarbeiter, will Krankenstände reduzieren und habe dafür eine spezielle Lichtlösung.
LICHT: Mit dem »Volkslicht« habt ihr vergangenes Jahr eine preisgünstige, smarte LED-Retrofit für Endverbraucher auf den Markt gebracht. Wie wichtig ist der Smart Home-Bereich?
OV: In Europa liegt der Portfolioanteil unserer Professional-Produkte bei 2/3 und der für Residential bei 1/3. Und hier ist Smart Home ein Riesenthema für uns, das wir weiter ausbauen möchten. Denn aus der Historie heraus betrachtet sind wir ja Experten in Sachen Zigbee. Mit Bluetooth – insbesondere über Speaker von Google und Amazon – ermöglichen wir den einfachen Einstieg für den Smart Home-Markt. Beim »Volkslicht« wollten wir mit radikaler Preispolitik und Massendistribution eine smarte, App-gesteuerte Lampe auf den Markt bringen, die aber auch konventionell im Ein-/Aus-Modus genutzt werden kann. Die GfK-Zahlen zeigen uns, dass wir massive Marktanteile gewonnen haben. Darüberhinaus sind wir bei Zigbee dabei, mit Partnern wie Bosch oder Legrand. Bei WiFi geht es um Leuchtenlösungen wie Sun@home. Dieses Produkt haben wir nun in unser neues Smart Living-Konzept integriert – von Smart Lighting zu Smart Living. Hier bringen wir ab 2023 erstmals das Thema Renewable Energy mit rein. Wenn jemand also eine Photovoltaikanlage auf seinem Hausdach oder seinen Balkon als kleines Kraftwerk nutzen möchte, bieten wir hierfür die passende Peripherie an, von PV-Modulen, Umwandlern bis hin zu Ladestationen. Hier erkennt nun der Nutzer, wieviel Energie er zur Verfügung hat, um seine Verbraucher im Haus anzusteuern, ggf. Energie ins Netz einzuspeisen oder z. B. sein E-Bike aufzuladen. In dieser WiFi-Welt gehen wir davon aus, dass mit unserer App bis Ende des Jahres 2022 schon eine Million Endgeräte in Europa gesteuert werden!
LICHT: LEDVANCE hat sich klar zur Light + Building 2022 positioniert. Welche Innovationen werden wir bei euch am Stand erleben?
OV: Wir werden uns auf den Professional-Bereich fokussieren und möchten Aufklärungsarbeit in Sachen Leuchtstofflampen-Verbot leisten, primär beim Elektroplaner und Installateur. Die zweite Botschaft wird sein, dass wir auch künftig im Außenbereich mit Street Lighting und Sportstättenbeleuchtung vertreten sind. Hier haben wir bspw. als Nachhaltigkeitspartner mit Bayer 04 Leverkusen einen wichtigen Schritt vollzogen. Als dritten Punkt sehen wir das vernetzte Licht, bspw. möchten wir demonstrieren, wie einfach es über Zigbee ist, unser Lichtmanagementsystem VIVARES einzusetzen. Von der technischen Seite her werden wir das Thema der austauschbaren Lichtquelle in der »IndiviLED Gen 2« Familie präsentieren. Am wichtigsten ist uns aber der Dialog mit unseren Kunden, um zu sehen, wie sich die Nachfragetrends entwickeln. Daher freuen wir uns auf
das Gespräch mit allen Besuchern sowie Partnern und deren anschließendes Feedback.
LICHT: Lieber Oliver, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führt Emre Onur, Chefredakteur LICHT.
Weitere Informationen:
LEDVANCE GmbH, Garching, www.ledvance.de
Mehr zum GWP-Whitepaper: www.ledvance.de/gwp