Die desinfizierende Wirkung von weißem Licht
Die Desinfektion von Räumen oder Oberflächen mit Licht erfolgt in der Regel mit UV-C-Strahlung. Doch auch sichtbares violettes und blaues Licht wirkt antimikrobiell. Diese Wirkung des weißen LED-Lichts ist eher schwach, kann aber durch Kombination mit violettem Licht verstärkt werden. Zwar erfordert das eine lange Bestrahlungsdauer, ist aber eine interessante und vor allem risikoarme Alternative. Über den aktuellen Forschungsstand berichten unsere Autoren der Technischen Hochschule Ulm.
Nicht nur ultraviolette Strahlung wirkt antimikrobiell. Auch sichtbares violettes und blaues Licht kann Bakterien, Pilze und Viren reduzieren. Aufgrund ihres Blauanteils gilt das auch für das Licht weißer LEDs. Diese Wirkung weißen LED-Lichts, die eher schwach ist, kann durch Kombination mit violettem Licht verstärkt werden, erfordert aber auch dann noch lange Bestrahlungsdauern. Eine Raumbeleuchtung mit weißen oder weiß-violetten LEDs wird daher nicht für schnelle Keimfreiheit in der Luft oder auf Oberflächen sorgen. Der Einsatz sichtbaren Lichts zur Keimreduktion ist daher nur in Anwendungen vorstellbar, in denen keine schnelle, vollständige Keimreduktion erforderlich ist bzw. UV-C-Strahlung wegen seiner Wirkung auf Menschen und Material nicht eingesetzt werden kann.
Coronavirus- und andere Infektionen
Seit mittlerweile über zwei Jahren hat die Coronavirus-Pandemie die Welt in ihrem Griff [1]. Das Ende scheint in Nähe, aber noch befinden sich die Zahlen der täglichen Neuinfektionen auf Rekordniveau und auch wenn diese Pandemie zu Ende ist, bedeutet das nicht das Ende der Infektionskrankheiten. Selbst in Jahren ohne Pandemie sterben jährlich weltweit ca. 10 Millionen Menschen durch Infektionen. Die meisten davon an AIDS, Tuberkulose, Lungenentzündungen oder Malaria.
In den westlichen Industrienationen spielen diese Erkrankungen eine geringere Rolle, aber auch hier gibt es eine große Anzahl von tödlich verlaufenden Infektionen. Schätzungen gehen von jährlich 1 Million Infektionen alleine in deutschen Krankenhäusern aus, von denen 30.000 bis 40.000 mit dem Tod des Patienten enden, mit steigender Tendenz [2]. Verantwortlich dafür sind oft besonders Antibiotika-resistente Krankenhauskeime, von denen MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) der bekannteste ist.
UV-C-Desinfektion
Chemische und physikalische Desinfektionsmaßnahmen liefern einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Krankheitserregern und der Eindämmung von Infektionen. Besonders geeignet für die Desinfektion von Luft und Oberflächen ist die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht im UV-C-Spektralbereich von 200 bis 280 nm. Schon kleine Bestrahlungsdosen in der Größenordnung von 10 mJ/cm2 sind oft ausreichend, um viele Infektionserreger in kürzester Zeit um mehrere Zehnerpotenzen zu reduzieren [3]. Der Wirkungsmechanismus beruht hauptsächlich darauf, dass die DNA und RNA der Mikroorganismen und Viren, und damit ihre Erbinformationen, zerstört werden.
Leider ist UV-C-Strahlung, wie sie von Quecksilberdampflampen oder UV-C-LEDs emittiert wird, auch schädlich für menschliche Zellen und kann z. B. Hautkrebs auslösen. Das schränkt die Einsatzmöglichkeiten von UV-C-Strahlung zu Desinfektionszwecken deutlich ein, da eine Bestrahlung von Menschen in der Regel vermieden werden muss. Bei Kryptonchlorid-Excimer-Lampen mit einer Peakwellenlänge bei 222 nm, die ebenfalls stark antimikrobiell wirkt, existiert dieses Problem vermutlich nicht, da die Eindringtiefe dieser sogenannten »Far-UVC-Strahlung« in die Haut sehr gering ist [4]. Umfangreiche Studien liegen dazu allerdings bisher nicht vor.
Desinfektion mit sichtbarem Licht
Im Gegensatz zur UV-C-Strahlung gilt sichtbares Licht als harmlos, wenn man von Ausnahmen wie der Netzhautgefährdung durch blaues Licht absieht. Tatsächlich hat man jedoch bereits vor ca. 150 Jahren beobachtet, dass sichtbares violettes und blaues Licht Bakterien abtöten kann (Abb. 1). Da aber deutlich höhere Bestrahlungsdosen als bei UV-C-Anwendungen für eine Keimreduktion benötigt werden und bis zur Entwicklung der LEDs keine effizienten kurzwelligen Lichtquellen zur Verfügung standen, ist diese Erkenntnis für über 100 Jahre in Vergessenheit geraten.

– in den violetten, blauen und grünen Bereichen sind die Bakterien ganz oder teilweise abgestorben; Rechts: Wiederholung des Versuchs mit Staphylokokken und spektral zerlegtem Halogenlicht – auch hier wirkt das sichtbare Licht erkennbar antimikrobiell.« context=«content«]
Die Verfügbarkeit leistungsstarker violetter und blauer LEDs hat die Desinfektion mit sichtbarem Licht aus ihrem Dornröschenschlaf geholt. Insbesondere zahlreiche erfolgreiche Laboruntersuchungen mit Bakterien haben den Wirkmechanismus aufklären können. In den Bakterien befinden sich natürliche Photosensitizer (PS) wie Porphyrine und Flavine (Abb. 2). Diese absorbieren das kurzwellige sichtbare Licht und generieren dabei sogenannte reaktive Sauerstoffspezies (ROS: reactive oxygen species). Solche Radikale können dann Strukturen in der Zelle wie Membranen, DNA oder Proteine angreifen [6, 7]. Sind die erzeugten Schäden groß genug, stirbt die Zelle ab.

Violettes Licht wirkt stärker als blaues
Die in Abb. 3 dargestellten Versuchsergebnisse wurden aus Sicherheitsgründen nicht mit MRSA und SARS-CoV-2 durchgeführt, sondern mit anderen Staphylokokken (Staphylococcus carnosus) und Coronaviren (Rindercoronavirus BCoV) in Lösungen. Hier – und in vielen anderen Versuchen – zeigt sich, dass das sichtbare violette und blaue Licht antimikrobiell wirkt, wobei die benötigten Bestrahlungsdosen etwa um den Faktor 10.000 höher liegen als bei der Verwendung von UV-C-Strahlung. Das violette Licht (um 405 nm) ist dabei wirkungsvoller als das blaue (um 450 nm), da die oben genannten Porphyrine (Photosensitizer) ein Absorptionsmaximum im Bereich um 400 nm aufweisen [8].
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Wirkung weißer LEDs
Weiße LEDs haben je nach Typ einen signifikanten Blauanteil und daher stellt sich die Frage, ob auch dieses Licht antimikrobiell wirkt? In Laborversuchen mit sehr hohen Bestrahlungsstärken hat sich diese Vermutung bestätigt und es konnte auch nachgewiesen werden, dass alleine der Blauanteil des emittierten Lichts für den antimikrobiellen Effekt verantwortlich ist [11]. Es ist jedoch offen, ob der Effekt unter realistischeren Beleuchtungsbedingungen auch eine erkennbare und sinnvolle Wirkung zeigt.
Für diese realistischeren Versuche wurde eine Leuchte mit weißen LEDs aufgebaut, die eine Fläche von ca. 60 x 40 cm2 mit 2.400 Lux beleuchtet (Abb. 4). Die Farbtemperatur beträgt 5.600 K und der Farbwiedergabeindex (CRI) ist 74. Eine mögliche Anwendung wäre eine Art Unterbauleuchte für Arbeitsbereiche in Küchen, an denen potentiell keimbelastete Lebensmittel wie Fleisch verarbeitet werden, aber auch für Bereiche in Laboren oder in Operationssälen, in denen UV-C-Strahlung wegen möglicher Gefährdung von Menschen nicht eingesetzt werden kann.

Für eine mögliche Erhöhung der antimikrobiellen Wirkung werden auch violette LEDs (405 nm) verbaut, die die Arbeitsfläche zusätzlich zum weißen Licht mit max. 2,5 mW/cm2 violett bestrahlen. Aufgrund des spektralen Verlaufs der Hellempfindlichkeit des Auges, ändern sie nicht viel an der wahrgenommenen Helligkeit der Beleuchtung. Die weiße Beleuchtung wirkt leicht bläulich-violett (Abb. 4) und es ist keine Farbtemperatur mehr bestimmbar. Die LED-Spektren und die Farbkoordinaten finden sich in Abb. 5.

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Um die Wirkung dieser Bestrahlung zu testen, werden Staphylokokken gleichmäßig auf einer zuvor gereinigten und desinfizierten Arbeitsfläche unter der Leuchte verteilt. In getrennten Experimenten werden die Bakterien der rein weißen als auch der weiß-violetten Beleuchtung über viele Stunden ausgesetzt. Die Beprobung erfolgt mit Hilfe von Abklatschplatten, d.h. gelartige Nährböden, auf denen einzelne Bakterien zu sichtbaren und damit zählbaren Kolonien wachsen. Die beobachtete Änderung der Staphylokokken-Konzentration auf der Arbeitsfläche wird über die Zeit dargestellt und ist in Abb. 6 zu finden.

Es zeigt sich, dass die (rein) weiße Beleuchtung tatsächlich einen erkennbaren Einfluss hat. Die Staphylokokken sterben signifikant schneller ab als im Dunkeln. Allerdings ist der Effekt im Hinblick auf die relativ helle Beleuchtung von 2.400 Lux eher gering. Eine 90%-Reduktion wird erst nach knapp 35 Stunden beobachtet.
In Kombination mit dem violetten Licht ist die antimikrobielle Wirkung ca. 10x stärker. Nach etwas über 3,5 Stunden ist eine 90%-ige Staphylokokken-Reduktion erreicht. Dies ist immer noch sehr lang gegenüber typischen UV-C-Bestrahlungsdauern. Für weniger zeitkritische Anwendungen, wie z. B. Übernachtdesinfektionen von Arbeitsbereichen oder Räumen, ist eine solche Bestrahlung mit weiß-violettem Licht jedoch denkbar – und im Gegensatz zu UV-C-Strahlern ohne eine relevante Gefährdung von Menschen. Starkes violettes Licht kann prinzipiell zu einer Blaulichtnetzhautgefährdung führen. Bei 405 nm ist das Gefährdungspotential jedoch weit geringer als jenes für blaues bzw. weißes LED-Licht mit einem Emissionspeak bei 450 nm.
Die hier gewählte Kombination von weißen und violetten LEDs erzeugt ein sehr bläulich-violettes Weiß. Durch Änderung des Intensitätsverhältnisses der weißen und violetten LEDs oder durch die Verwendung »wärmerer« weißer LEDs, kann der Farbeindruck verbessert werden. Dies wird jedoch die antimikrobielle Wirkung eher reduzieren.
Zusammenfassung
Das Licht weißer LEDs wirkt aufgrund seines Blauanteils schwach antimikrobiell. Daher sind kaltweiße LEDs aufgrund ihres höheren Blauanteils bei gleicher Helligkeit effektiver in der Keimreduktion als warmweiße LEDs. Die Kombination mit sichtbarem violettem Licht kann den antimikrobiellen Effekt deutlich verstärken, aber dies geht zu Lasten der Farbtemperatur und des Farbwiedergabeindexes.
Schnelle Desinfektionszeiten wie mit UV-C-Strahlern werden nicht erreicht! Zur Raumluftdesinfektion, z. B. als Corona-Desinfektionsmaßnahme, ist sichtbares Licht daher nicht geeignet. Auf der anderen Seite stellt das sichtbare Licht auch keine relevante Gefährdung für den Menschen dar. Anwendungsmöglichkeiten existieren dort, wo Zeit keine kritische Rolle spielt und UV-C-Strahlung zu gefährlich wäre.
Danksagung
Wir bedanken uns bei Johannes Trassl, Florian Maiss, Benedikt Zillner und Andre Peter Wenzl für den Aufbau der weiß-violetten Beleuchtung und bei Jule Bühler und Florian Sommerfeld für die Durchführung von vorbereitenden Versuchen. Außerdem danken wir dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die erhaltene finanzielle Förderung (FZ 13N15140).
Quellenangaben
[1] Coronavirus Resource Center. COVID-19 Dashboard: (Global Map). 2022. https://coronavirus.jhu.edu/map.html. Accessed 2.3.2022.
[2] Walger, P., Popp, W., & Exner, M. Stellungnahme der DGKH zu Prävalenz, Letalität und Präventionspotenzial nosokomialer Infektionen in Deutschland 2013. Hygiene & Medizin. 2013;38:329–38.
[3] Masjoudi M, Mohseni M, Bolton JR. Sensitivity of Bacteria, Protozoa, Viruses, and Other Microorganisms to Ultraviolet Radiation. J. RES. NATL. INST. STAN. 2021. doi:10.6028/jres.126.021.
[4] Hessling M, Haag R, Fehler N, Sicks B, Gierke A-M, Vatter P. Far-UVC – Die UV-Strahlung der Zukunft? LABO. 2021;2021:42–7.
[5] Ward HM. The Action of Light on Bacteria. III. Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences. 1894;185:961–86. doi:10.1098/rstb.1894.0020.
[6] Wang Y, Wang Y, Wang Y, Murray CK, Hamblin MR, Hooper DC, Dai T. Antimicrobial blue light inactivation of pathogenic microbes: State of the art. Drug Resist Updat. 2017;33-35:1–22. doi:10.1016/j.drup.2017.10.002.
[7] Maclean M, MacGregor SJ, Anderson JG, Woolsey G. Inactivation of bacterial pathogens following exposure to light from a 405-nanometer light-emitting diode array. Appl Environ Microbiol. 2009;75:1932–7. doi:10.1128/AEM.01892-08.
[8] Hessling M, Spellerberg B, Hoenes K. Photoinactivation of bacteria by endogenous photosensitizers and exposure to visible light of different wavelengths – A review on existing data. FEMS Microbiol Lett. 2016;364:fnw270. doi:10.1093/femsle/fnw270.
[9] Hoenes K, Bauer R, Meurle T, Spellerberg B, Hessling M. Inactivation Effect of Violet and Blue Light on ESKAPE Pathogens and Closely Related Non-pathogenic Bacterial Species – A Promising Tool Against Antibiotic-Sensitive and Antibiotic-Resistant Microorganisms. Front Microbiol. 2020;11:612367. doi:10.3389/fmicb.2020.612367.
[10] Lau B, Becher D, Hessling M. High Intensity Violet Light (405 nm) Inactivates Coronaviruses in Phosphate Buffered Saline (PBS) and on Surfaces. Photonics. 2021;8:414. doi:10.3390/photonics8100414.
[11] Buehler J, Sommerfeld F, Meurle T, Hoenes K, Hessling M. Disinfection Properties of Conventional White LED Illumination and Their Potential Increase by Violet LEDs for Applications in Medical and Domestic Environments. Adv. Sci. Technol. Res. J. 2021;15:169–75. doi:10.12913/22998624/134641.
[12] User Par. Planckian Locus. 2012. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PlanckianLocus.png. Accessed 2021.
Weitere Informationen:
Autoren: Prof. Dr. Martin Heßling, Tobias Meurle und Katharina Hönes
Technische Hochschule Ulm, Fakultät Mechatronik und Medizintechnik
www.thu.de; martin.hessling@thu.de
Bildquellen: sofern nicht anders angegeben: Technische Hochschule Ulm