Büroalltag mit oder ohne Blau
In Teil 1 des Artikels »Mit oder ohne Blau – ganz nach Bedarf« untersuchte der Autor Dr. rer. nat. Nils Habich eine aus verschiedenfarbigen LEDs komponierte Hinterleuchtung von LCDs, die die Blaulichtemission in Abhängigkeit verschiedener Parameter automatisch reduzieren kann. Teil 2 vergleicht die dynamische Hintergrundbeleuchtungssteuerung anhand der Lichtspektren und Farbwiedergabeindizes im Vergleich zu »blaulichtreduzierender« Software.
1 Einleitung
Die Grundlagen einer dynamischen Hintergrundbeleuchtungssteuerung wurden in Licht 6 I 2019 (»Mit oder ohne Blau – ganz nach Bedarf«) vorgestellt. Durch eine dynamische Anpassung einer aus mehreren ansteuerbaren LEDs bestehenden Hintergrundbeleuchtung ist eine bedarfsgerechte Dosierung der Blaulichtemission des LC-Displays möglich. In den Abendstunden sollten zum Beispiel für einen gesunden Schlafrhythmus Lichtquellen mit einem hohen Blaulichtanteil vermieden werden. Der hohe Blaulichtanteil in herkömmlichen Geräten kann dann sehr störend wirken. Die »normale« Melatonin-Ausschüttung wird dadurch teilweise oder gänzlich unterdrückt und der circadiane Rhythmus gestört [1]. Dadurch nimmt die Müdigkeit am Tag nach dem abendlichen Konsum von Multimediageräten, wie z. B. Smartphones zu [2]. Die Möglichkeiten einer dynamischen Lichtsteuerung werden in diesem Artikel aufgezeigt und analysiert.
2 Vorteile einer dynamischen Hintergrundbeleuchtung
Die Analyse unterschiedlicher Blaulichtanteile in der Hintergrundbeleuchtung hat ergeben, dass die Farbtemperatur bei ähnlicher Beleuchtungsstärke und Reduzierung des Blaulichtanteils im Lichtspektrum abnimmt. Trotz abnehmender Farbtemperatur erhöht sich der Farbwiedergabeindex (CRI) (Abb.1), und auch ohne Blaulichtanteil wird ein sehr hoher CRI (> 90) erreicht.

Die gesamte elektrische Leistung bleibt über alle eingestellten Betriebsarten, auch bei Deaktivierung des Blaulichtanteils, nahezu konstant. Bei abnehmender Farbtemperatur muss ein größerer Rotlichtanteil aktiviert werden. Die Lichtausbeute (lm/W) ist bei roten LEDs geringer als bei blauen. Durch die unterschiedlichen verwendeten Halbleitermaterialien und Dotierungen strahlt eine LED in vermehrter Form langwelliges Licht ab. Dabei wird die Strahlungsleistung einer LED reduziert, wodurch mehr elektrische Energie für dieselbe Menge Licht benötigt wird. Der Vorteil der Verwendung mehrerer LEDs bei einer Hintergrundbeleuchtung liegt in der gezielten Ansteuerung einzelner LEDs und der damit verbundenen variablen Einstellmöglichkeit der Farbtemperatur, was gleichermaßen zu einer Erhöhung des CRI führt. Fünf Betriebsarten der LED-Hintergrundbeleuchtung mit steuerbarem Farbspektrum sind in Abb. 2 in ihrem spektralen Verlauf dargestellt.

3 Softwareanwendung im Vergleich
Im Vergleich mit der HGBSK – Hintergrundbeleuchtungssimulatorkugel wird die kostenlose »blaulichtreduzierende« Software f.lux untersucht. Diese kann auf jedem Computer unter MS Windows oder macOS installiert werden. So wird auf einem Monitor mit der Software f.lux eine Abenddämmerung aktiviert. Mit der Steuerung des Monitors durch f.lux werden die schmalbandigen Farbfilter derart gesteuert, dass die Strahlungsleistung des Monitors abnimmt. Das kaltweiße Licht (hoher Blaulichtanteil) der Hintergrundbeleuchtung des Monitors bleibt dabei unbeeinflusst. Bei der Untersuchung werden die Farbtemperatur, die Beleuchtungsstärke und das Farbspektrum gemessen. Anschließend wird die HGBSK auf die Farbtemperatur des mit f.lux gesteuerten Monitors eingestellt. Jetzt zeigen beide LC-Displays dieselbe Farbtemperatur der Hintergrundbeleuchtung bei gleicher Beleuchtungsstärke. Die Lichtspektren der Ausgangssituation LC-Display, LC-Display mit f.lux und die HGBSK sind in einem Diagramm gegenübergestellt (Abb. 3).

Es ist zu erkennen, dass das Lichtspektrum der Ausgangssituation des Monitors durch die Software f.lux verändert worden ist. Die Farbtemperatur hat sich von 5798 K auf 3489 K in eine wärmere Farbtemperatur verändert. Mit der HGBSK kann der Blaulichtanteil bei ähnlichster Farbtemperatur noch weiter reduziert werden (rote Kurve im Diagramm).
Zur Verdeutlichung der Unterschiede der Software f.lux, der HGBSK und der Ausgangssituation sind die Lichtspektren und ihr Delta (Δλ) in den Abb. 4 und Abb. 5 dargestellt. Durch den roten Peak wird deutlich, dass der Blaulichtanteil auf ein Drittel und der Grünlichtanteil auf 60 % reduziert werden.


Aus den beiden Diagrammen ist zu erkennen, dass das Lichtspektrum der HGBSK mit weniger Blaulicht bei ähnlichster Farbtemperatur das LC-Display beleuchtet als der Monitor mit Softwaresteuerung. Im Bereich um 480 nm und bei ca. 650 nm wird dafür die Strahlungsleistung verdoppelt.
Die Farbwiedergabe (CRI) der HGBSK ist bei fast allen Indizes gesteigert (Abb. 6). Dabei stehen die Indizes R1 bis R15 für die jeweiligen Referenzfarben nach DIN 6169.

Es gibt verschiedene Lichtqualitätsindizes für die Definition der Farbwiedergabe von Leuchtmitteln, Leuchten, Displays, für Digitalfotografie und Fernseher: zum Beispiel CRI – Color Rendering Index, TLCI – Television Lighting Consistency Index, CQS – Color Quality und Rf – Fidelity-Index.
Daher werden im Folgenden einige weitere Farbbewertungskriterien gegenübergestellt und analysiert (Abb. 7). Erkennbar ist, dass bei diesen stets eine Verbesserung der Farbwiedergabewerte der HGBSK gegenüber der Software f.lux gegeben ist.

Zur Abschätzung des Potentials der HGBSK ist die Verbesserung der Farbwiedergabewerte gegenüber der Software f.lux in Tab. 1 in Prozent wiedergegeben.
CRI |
86,44 |
89.03 |
2,99 |
CQS |
86,87 |
88,99 |
2,44 |
TLCI |
43,16 |
83,97 |
94,54 |
Rf |
74,46 |
80,85 |
8,58 |
4 Optimierung durch Konfiguration der HGBSK
Eine Hintergrundbeleuchtung durch mehrere LEDs zu steuern liegt auf der Hand. Der Blaulichtanteil kann auf ein Minimum gesenkt oder ganz deaktiviert werden, und die Farbwiedergabewerte werden fast immer gesteigert. Es gibt unterschiedliche Verfahren zur Blaulichtvermeidung (z. B. Software oder Bildschirmbrillen). Der Melatoningehalt im Körper wird beim Tragen von Bildschirmbrillen erhöht [3]. Dabei entsteht eine andere Farbwahrnehmung für das menschliche Auge, z. B. erscheint alles in einem orangefarbenen Grundton. Das kann sehr gewöhnungsbedürftig sein, da der spektrale Bereich des blauen Lichts fehlt und somit einige Farben »falsch« dargestellt werden. Eine länger anhaltende Bestrahlung der Netzhaut der Augen mit blauem Licht von unterhalb von 460 nm kann zu einem erhöhten Risiko von Netzhauterkrankungen führen. Langfristig können diese Schädigungen die Risiken für z. B. eine Makuladegeneration erhöhen [4]. Die entwickelte LED-Hintergrundbeleuchtung bietet mehrere Vorteile, z. B. lassen sich viele verschiedene Betriebsarten, Beleuchtungsstärken und Farbtemperaturen frei wählbar einstellen. Somit ist unter Verwendung der HGBSK die LED-Hintergrundbeleuchtung an alle vorstellbaren Szenarien anpassbar. Es muss keine Bildschirmbrille oder Software verwendet werden.
Die Änderung des Lichtspektrums hat Auswirkungen auf Parameter wie z. B. Beleuchtungsstärke, Kontrast und Sättigung, da jedes LC-Display auf die jeweils benutzte Hintergrundbeleuchtung abgestimmt ist. Eine Kalibrierung des LC-Displays mit z. B. einem Monitorkalibrierungstool ist daher sinnvoll.
Eine optimale Einstellung der Hintergrundbeleuchtung sollte so gewählt werden, dass der Blaulichtanteil im Lichtspektrum soweit verringert oder deaktiviert wird und dass negative Auswirkungen auf den menschlichen Organismus vermieden werden. Die konstruierte und realisierte LED-Hintergrundbeleuchtung deckt im Vergleich zu einem Monitor einen größeren Farbraum ab (Abb. 8).

Der Benutzer kann die LED-Hintergrundbeleuchtung für sein Empfinden optimal einstellen. Er kann z. B. eine kalte Farbtemperatur (»Mode 1«) für ermüdungsfreies Arbeiten am Abend, eine Farbtemperatur mit weniger Blaulichtemission (»Mode 2«) oder eine Farbtemperatur ohne Blaulicht (»Mode 3«) wählen.
Diese drei Modi sind wie folgt konfiguriert:
- Mode 1 mit Blaulicht
- Mode 2 mit reduziertem Blaulicht
- Mode 3 kein Blaulicht im Farbspektrum
Wird der Blaulichtanteil weiter reduziert (»Mode 2«), ergibt dies eine Reduzierung der Blaulichtemission im Bereich von 410 – 465 nm (Abb. 9).

5 Fazit und Ausblick
Die LED-Hintergrundbeleuchtungen weisen in der Regel alle eine sehr hohe Blaulichtemission im Lichtspektrum auf. Diese hohe Blaulichtemission kann eine nachteilige oder gar schädigende Wirkung auf den menschlichen Organismus haben [5]. Die für die Analyse und Auswertung von Lichtspektren konstruierte LED-Leuchte mit steuerbarem Farbspektrum kann die Betriebsarten von herkömmlichen Filterlösungen, wie z. B. Monitoren mit implementierten Blaulichtprogrammen, Hardwarefilter und Software-Lösungen zur Reduzierung des Blaulichtanteils, abbilden. Die Nachbildung von Blaulichtfiltern bzw. die Modellierung verschiedener Farbspektren bietet durch die individuelle Bedienbarkeit der HGBSK im Vergleich zu herkömmlichen Filteranwendungen Vorteile:
- Keine Bildschirmbrille erforderlich
- viele verschiedene Betriebsarten
- Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur variabel einstellbar
- an beliebige Szenarien anpassbar
Durch das steuerbare Farbspektrum werden alle Farbtemperaturen, die für Monitore einstellbar sind, berücksichtigt. Mit einem Micro-Controller und einer geeigneten Software kann die Blaulichtemission im Lichtspektrum zuverlässig gesteuert, verringert oder ganz deaktiviert werden.
Die Hintergrundbeleuchtung in der Bildschirmtechnik wird sich rasant weiterentwickeln [6]. Die ersten Hersteller von Monitoren und Fernsehern bieten bereits Geräte mit OLEDs (Organic Light Emitting Diodes) an. Eine weitere technische Anwendung in diesem Bereich ist die HDR-Technik (High Dynamic Range). Sie wird in Teilbereichen der Kino- und Fernsehtechnik verwendet und wird über den HDR Farbraum REC2020 definiert. Diese und alle weiteren technischen Anwendungen müssen sich der Betrachtung ihres Lichtspektrums in Bezug auf eine hohe Blaulichtemission mit den damit verbundenen Nachteilen stellen [7].
Die Blaulichtvermeidung an der Schnittstelle Mensch-Maschine mit der positiven Auswirkung auf den Menschen muss nicht zwingend für jede Anwendung gleichermaßen gut geeignet sein. Forschungsarbeiten in Bereichen, wie z. B. Lichttechnik, Pflanzenzucht, Aquaristik, Medizintechnik oder Verkehrstechnik könnten Erkenntnisse über Bedarfe einer sinnvollen anwendungsbezogenen Reduzierung der Blaulichtemission bei der Hintergrundbeleuchtung geben.
Daher gilt auch in Zukunft bei beleuchtenden, bildgebenden oder beleuchteten Flächen, die Auswirkungen der jeweils vorhandenen Lichtspektren individuell zu betrachten. Bei der Anpassung und Optimierung der Beleuchtungsqualität an die jeweiligen technischen Anforderungen darf die Auswirkung auf das Wohlbefinden und die Konzentrationsfähigkeit des Menschen nicht außer Acht gelassen werden. Tageszeit, Farbwiedergabe und ein beliebig einstellbarer Sonnenlicht-Temperaturverlauf sind dabei wichtige Steuerungsparameter für die Hintergrundbeleuchtungssysteme. Dazu kann die HBGSK und die Bewertung der individuellen Beleuchtungsqualität einen wichtigen Beitrag leisten.
6 Literatur
[1] A.-M. Chang, D. Aeschbach, J. F. Duffy und C. A. Czeisler, »Evening use of light-emitting eReaders negatively affects sleep, circadian timing, and next-morning alertness,« Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, Nr. 4, p. 1232–1237, 26 11 2015.
[2] J. Van den Bulck, »Adolescent Use of Mobile Phones for Calling and for Sending Text Messages After Lights Out,« Sleep, pp. 1220-1223, 2007.
[3] M. S. Van der Lely, P. S. Frey, M. C. Garbazza, P. A. Wirz-Justice, M. O. G. Jenni, B. R. Steiner, P. S. Wolf, P. C. Cajochen, P. V. Bromundt und P. C. Schmidt, »Blue Blocker Glasses as a Countermeasure for Alerting Effects of Evening Light-Emitting Diode Screen Exposure in Male Teenagers,« The Journal of adolescent health : official publication of the Society for Adolescent Medicine, pp. 113-119, 7 8 2014.
[4] K. Engelmann und R. H. Funk, »Kataraktextraktion und Blaulicht–Wirkung auf die Netzhaut,« Klinische Monatsblatter fur Augenheilkunde, Bd. 226, Nr. 10, p. 829–838, 2009.
[5] B. Wood, M. S. Rea, B. Plitnick und M. G. Figueiro, »Light level and duration of exposure determine the impact of self-luminous tablets on melatonin suppression,« Applied ergonomics, 12 7 2012.
[6] E. Dehler, U. Freyer, G. Häberle, M. Jeschke, H. Münch und B. Schiemann, Fachkunde Büro- und Informationselektronik, Verl. Europa-Lehrmittel Nourney, 2015, p. 656.
[7] C. Cajochen, S. Frey, D. Anders, J. Späti, M. Bues, A. Pross, R. Mager, A. Wirz-Justice und O. Stefani, »Evening exposure to a light-emitting diodes (LED)-backlit computer screen affects circadian,« Journal of applied physiology, Nr. 5, p. 1432–1438, 17 3 2011.
Weitere Informationen:
Autor: Dr. rer. nat. Nils Habich, Dipl.-Ing., Universität Hildesheim, Fachbereich 4, Institut für Technik, www.technik.uni-hildesheim.de