Atmosphärisches Raumlicht mit großer Wirkung
In der Nacht zum 5. Juni 2014 entging die Marthakirche in der Altstadt von Nürnberg nur knapp ihrer vollständigen Zerstörung durch einen Brand. Nach ihrem Wiederaufbau 2018 erhielt die Kirche in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit: Ihr Lichtkonzept ist mehrfach prämiert.

Erstmals eingeweiht wurde die Marthakirche in Nürnberg im Jahr 1385. Architektonisch zu neuem Leben erweckt wurde die Kirche der berühmten Nürnberger Meistersinger zwischen 2015 und 2018 durch das Architekturbüro Florian Nagler Architekten, nachdem das Gotteshaus im Jahr 2014 durch ein Feuer fast vollständig abgebrannt war. Die Gründe für den Brand sind ungeklärt.
Ein neuer Kirchenraum entsteht
Bei dem Feuer ging auch der bauzeitliche historische Dachstuhl über dem Hauptkirchenraum verloren. Die Architekten schlugen deshalb vor, die Kirche in der alten Außenkontur wiederaufzubauen. Für das Innere der Kirche sahen sie vor, im Zusammenspiel mit der historischen Natursteinkonstruktion einen neuen Raum entstehen zu lassen. Dieser sollte durch eine zeitgenössische Holzkonstruktion geformt und geprägt sein. Die Grundidee des Lichtkonzepts des Stuttgarter Lichtplanungsbüros candela lighting design basiert daran angelehnt auf einer gleichmäßig verteilten Beleuchtung im Kirchenraum, ohne Akzentuierung besonderer Flächen und mit dem Leitmotiv, den Innenraum als gesamtleuchtende Kubatur – einem Gefäß gleich – in Szene zu setzen.
Das Konzept ist so umgesetzt, dass sich die Beleuchtungsanlage optisch zurücknimmt und nahezu versteckt eingebracht ist. Das Licht tritt nicht in Form eines Leuchtobjekts in den Vordergrund. Einzig das atmosphärische Raumlicht entfaltet seine Wirkung. Die Helligkeit in dem fünfschiffigen Kirchenraum wird maßgeblich über die homogene Ausleuchtung der raumbegrenzenden Flächen, dem Bodenbelag aus Rosenspitz Kalkplatten und der decke- und wandformenden Holzkonstruktion indirekt sowie direkt erzeugt.
Das Licht wohnt in einem Flechtwerk
Die im Diagonalverband ausgeführte Deckenkonstruktion aus unverleimten Vollhölzern formt den Innenraum mit der Anmutung eines Flechtwerks. Über die reine Tragfunktion hinaus übernimmt die Konstruktion akustische Funktionen und dient auch der Behausung der Lichtinstallation. In der horizontal verlaufenden Deckenfläche sieht das Lichtkonzept Tiefstrahler zur Grundaufhellung der Boden- und Leseflächen vor. Vertikal eingebrachte Strahlereinheiten fungieren als Wandfluter aufwärts. Diese sind dreh- und schwenkbar mit unterschiedlichen Ausstrahlungscharakteristiken sowie einzeln schalt- und dimmbar.
Die baukonstruktive Aufbauhöhe der Holzdeckenkonstruktion von 47 Zentimetern ermöglichte Aussparungen, die genug Raum für die Aufnahme der speziell für das Projekt entwickelten Sonderleuchten lassen. Der Einbau und die Ausrichtung der Zweier- bis Vierer-Leuchtgruppen erfolgten vom Dachstuhl aus. Aus dem Raster des Diagonalverbands der Vollhölzer heraus ergeben sich für die Wandfluter und Downlights quadratische Lichtauslässe von 140 Millimetern. Optisch fügen sich diese nahtlos in den Verband ein und verschwinden geradezu.

Sechs Lichtpunkte, sechs Leuchtentypen
Zur Ausleuchtung der Decke im äußeren Kirchenschiff sind in den holzverkleideten Fensterbänken der gotischen Maßwerkfenster jeweils sechs Lichtpunkte für Richtstrahler geometrisch angeordnet. Auch hier lag das Hauptaugenmerk darauf, die Leuchten zu verstecken. Die Aufhellung der Deckenfläche im mittleren Seitenschiff erfolgt über auf Stahlwinkeln angebrachte Strahler vor den Kämpfern der Rundbogenfenster. Der Chorraum wird mit seitlich in Wandnischen eingebrachten Stromschienenstrahlern flexibel ausgeleuchtet. Diese sind vom Langhaus her jedoch nicht sichtbar.
Im gesamten Kirchenraum kommen nur sechs Leuchtentypen in verschiedenen Zusammensetzungen zum Einsatz. Alle sind in Sonderbauweise für das Projekt maßgefertigt. Jede Leuchte ist dreh- und schwenkbar und getrennt über DALI dimmbar. Variable Ausstrahlungswinkel ermöglichen die präzise Umsetzung der Idee in der finalen Ausleuchtung. 2.700 bis 3.000 Kelvin standen bei der Lichtfarbe zur Diskussion. Um der weißgetönten Anmutung des gesamten Innenraumes gerecht zu werden, fiel die Wahl auf 3.000 Kelvin.
Dreifachsieg für St. Martha
Mit ihrem Projekt bewarben sich die Stuttgarter unter anderem um den Deutschen Lichtdesign-Preis. Es war die erste Teilnahme – und die erfolgreichste: In der Kategorie »Kulturbauten« konnte das Büro mit der Lichtplanung für die wiederaufgebaute Kirche St. Martha in Nürnberg überzeugen. Die Jury-Mitglieder des Deutschen Lichtdesign-Preises überzeugten sich selbst vor Ort von der Qualität der Lichtplanung. »Die Integration des Lichts in die Architektur ist besonders gut gelungen. Viel Detailarbeit wurde hier in den verschiedensten Bereichen investiert. Die Beleuchtung ist in ihrer Lichtwirkung überzeugend und modern, bis in die Auswahl der Leuchten und ermöglicht zusätzlich eine flexible Nutzung. Insgesamt ein sehr überzeugendes Konzept«, lautete das Urteil der Jury.
Der Preis war allerdings nicht der einzige, den das Projekt erhielt: Das Lichtkonzept der Kirche St. Martha wurde in diesem Jahr bereits mit dem Iconic Awards 2020: Innovative Architecture – Winner und dem German Design Award 2021 »Special Mention« in der Kategorie Excellent Architecture – Lighting Design gewürdigt. Zusätzlich kam das Projekt auf die Shortlist des DAM Preises 2020 – ebenfalls eine Auszeichnung mit hohem Prestige.
Weitere Informationen:
Projekt: Kirche St. Martha in Nürnberg
Fertigstellung: 2018
Architekten: Florian Nagler Architekten, München, www.nagler-architekten.de
Lichtplaner: Candela, Stuttgart, candela.de
Quelle: Candela
Fotos: Sebastian Schels